Mit der Sonne gemalt, aus dem Schatten geboren – warum ich die Cyanotypie liebe

Romy Pfyl vor eine Cyanotypie

Ja, warum liebe und schätze ich diese Technik so sehr? Es ist die Schlichtheit und Natürlichkeit, die mich als erstes angesprochen hat, Sonne und Wasser als Zutaten und der spannende Prozess.
Gerade war ich noch am Überlegen, worüber ich diese Woche bloggen soll. Ich sitze am Arbeitstisch in meiner Wohnwerkstatt und rechts und links von mir stapeln sich die vorbereiteten Cyanotypien. Am Boden liegen sie ausgebreitet, mit den entsprechenden Rahmenideen und an der Wand lehnen die ersten fertig gerahmten Bilder. Ich bereite meine heurige Ausstellung für die Tage der offenen Ateliers vor. Was ist da naheliegender als dir zu erzählen, warum ich die Cyanotypie liebe.

Eine faszinierende Technik

Eine mit einer lichtsensiblen Lösung bestrichene Unterlage z. B. Stoff, Papier wird mit Gegenständen belegt, in der Sonne belichtet und im Wasser entwickelt. Das sich dabei entwickelnde blaue Abbild ist eine Cyanotypie. Die Cyanotypie ist eine kameralose und historische Fototechnik.

Winterheckenzwiebeln
Cyanotypie mit Allium, je nach Lichtstärke, Durchlässigkeit und Eigenschaft des Gegenstandes, und der Qualität des Untergrundes entsteht eine schier unglaubliche Mannigfaltigkeit von verschiedensten Blautönen.

Mit der Sonne gemalt und aus dem Schatten geboren

Das Abbild einer Cyanotypie ist ein Schattenbild des aufgelegten Gegenstandes, ein Fotogramm. Es sind Bilder, die mit der Sonne gemalt werden. Die Jahreszeit, das Wetter, die Tageszeit, die Richtung der Sonneneinstrahlung, der Wind und die Luftfeuchtigkeit, spielen eine wichtige Rolle beim Cyanotypieren. Sie beeinflussen das Abbild, die Umrissform, die Farbnuancen und die Schärfe oder Unschärfe der entstehenden Cyanotypie. Auch mit dem Abstand der Gegenstände lässt sich spielen und Tiefenwirkung erzielen.

Eine mit einer lichtsensiblen Lösung bestrichene Unterlage wird mit Gegenständen belegt und mit der Sonne belichtet

Tausend Blaunuancen

Beim Entwickeln im Wasser entsteht ein blaues Abbild. Der Name dieser Farbe ist Berlinblau. Je nach Lichtstärke, Durchlässigkeit und Eigenschaft des Gegenstandes, und der Qualität des Untergrundes entsteht eine schier unglaubliche Mannigfaltigkeit von verschiedensten Blautönen. Vielleicht hast du jetzt gedacht, dass tausend Farbnuancen wohl übertrieben seien. Ich denke, dass es eher untertrieben ist. Anfänglich habe ich noch nicht so viele Unterschiede wahrgenommen, aber je mehr ich mich mit der Cyanotypie beschäftige, um so feiner nehme ich die Farbnuancen wahr. Dieses Blau hat eine wohltuende und beruhigende Wirkung und eine faszinierende Anziehungskraft. Ich denke, das hat auch damit zu tun, dass die Farbe nicht nur auf der Oberfläche, sondern aus und mit dem Untergrund wirkt.

Berlinblau hat eine wohltuende und beruhigende Wirkung und eine faszinierende Anziehungskraft.

Die Schönheit der Natur sichtbar machen

Mit der Cyanotypie kann ich meiner Naturliebe Ausdruck verleihen und das Wesen und die Schönheit der Pflanzen auf wundersame Art sichtbar machen. Das war für mich einer der wichtigsten Gründe, mich für diese Technik zu entscheiden. Die Natürlichkeit des Prozesses, bei der die Sonne, das Wasser und das Wetter mitspielen, macht diese Technik für mich spannend. Durch diese mannigfaltigen Einflüsse ist und bleibt das Resultat praktisch fast unberechenbar und das überlässt mich dem Wunder des Zufalls.

Cyanotypie mit Ginkgoblättern auf Stoff

Geschichten erzählen

Mit der Cyanotypie kann ich Geschichten erzählen und mich kreativ entfalten. Sie bietet unglaublich viele Variationen, mich auszudrücken. Dadurch inspiriert sie mich nachhaltig und ich denke, ein Leben reicht nicht dazu aus, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. In jeder Pflanze stecken unglaublich viele Geschichten. Die Eigenart bestimmter Pflanzen animiert mich dazu, diese zum Ausdruck und in eine neue Form zu bringen. Auch Künstler*innen regen mich zu neuen Ideen an. So habe ich zum Beispiel Banksy Adaptionen mit frischen Blumen gemacht.

Mädchen mit Pusteblume/Banksy Adaption
Links Cyanotypie mit Gras beim Belichten in der Sonne / Rechts Adaption eines Banksy Bildes „Mädchen mit Pusteblume“

Was die Cyanotypie in meinem Leben bewirkt hat

Meine erste Cyanotypie habe ich mit Schafgarben gemacht. Verblüfft schaute ich diesem im Wasser sich langsam entwickelnden Wunder zu. Ich spürte gleich, dass mich die Faszination dieser Technik gepackt hat. Noch im gleichen Sommer nahm ich gemeinsam mit einer Freundin bei einem „Artist in Residence Programm“ in Rumänien teil. Die Zeit dort nutze ich, um meine ersten Cyanotypie Erfahrungen und meine erste Ausstellung mit Cyanotypien zu machen. Noch im Herbst fand ich ein Häuschen für mein Wohnatelier und kündigte in der Berufsschule, wo ich Lehrerin war, um mich ganz der Cyanotypie zu widmen. In meinem neu entstandenen floramiraculo ArtLabor fanden Ausstellungen und Kurse statt. Es folgten Ausstellungen in Wien und im Schloss Wolkersdorf. Weil Live-Kurse durch die Pandemie bald nicht mehr möglich waren, entwickelte ich Onlinekurse zum Erlernen der Cyanotypie und führte sie mit deutschsprachigen Teinehmer*innen aus ganz Europa durch.

Kursteilnehmerin beim Entwickeln einer Cyanotypie im Wasser

Die fantastische Geschichte der Cyanotypie

Von allem Anfang an hat mir auch die Geschichte der Cyanotypie sehr gefallen:

  • Wie die Alchimisten das Berlinblau erfunden haben.
  • Wie der Pionier der Fototechnik Sir John Herschel auf der Suche nach einem ungiftigen Verfahren die Cyanotypie entdeckte.
  • Die britische Botanikerin Anna Atkins, die mit ihrer Freundin unermüdlich cyanotypierte, die britische Algenwelt erforschte und das erste Fotobuch herausgab.
  • Künstler und Künstlerinnen, welche neue Formen des Cyanotyierens entwickeln und der Cyanotypie zu einer Renaissance verhelfen.
Fleißige Helfer beim Hängen meiner Cyanotypien für die Ausstellung im Schloss Wolkersdorf

Es ist kaum zu glauben, dass es erst vier Jahre her ist, dass mich eine Künstlerfreundin mit der Cyanotypie bekannt gemacht hat. Das floramiraculo ArtLabor gibt es seit drei Jahren. Unglaublich viel hat sich in dieser Zeit entwickelt und die Cyanotypie war so quasi der Motor dafür. Sie begeistert und erfreut mich nach wie vor und ich bin schon sehr gespannt darauf, wie es weiter geht und was alles noch entstehen wird.




4 Kommentare

  1. Liebe Romy diese Geschichten mit ihren Fotos gefallen mir persönlich besonders. Du bist eine fleißige Biene und eine begabte Künstlerin. Alles Gute weiterhin mit ganz lieben Grüßen von Edith.

  2. Dein Blogartikel liest sich so schön, liebe Romy. Ich finde es erstaunlich, wie viele Blogartikel du übers Cyanotypieren schreiben kannst – und immer schwingt deine Begeisterung so sehr mit und zieht mich als Leserin in den Bann. Ja, es sind bestimmt tausend Nuancen Blau in deinen Bildern und es ist wunderbar sich in dieses magische Blau zu versenken. Ich freue mich, dich bei deiner Vorbereitung und Vorfreude begleiten zu dürfen und wünsche dir viele begeisterte Käufer*innen, die ganz beseelt deine Kunst nach Hause tragen.

    1. Danke dir liebe Kerstin, es tut mir einfach gut, in Berlin eine so tolle Begleiterin durch mein Blogabenteuer zu haben. Deine Feedbacks beflügeln mich und ich habe durch dich schon unglaublich viel gelernt.
      Ganz liebe Grüße Romy

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