Was ist Cyanotypie?

Entstehungsprozess einer Cyanotypie

Du möchtest gerne wissen, was Cyanotypie ist und wie diese unglaublich schönen, blauen Bilder entstehen?
Hier erzähle ich dir von meinem Zugang zur Cyanotypie. Ich nehme dich mit auf eine Reise. Du begleitest mich Schritt für Schritt beim Entstehen einer Cyanotypie.
Die Cyanotypie ist eine der ursprünglichsten Formen der Fotografie. Sie funktioniert ohne Kamera, wird mit Sonnenlicht belichtet und mit Wasser entwickelt. Bei diesem Prozess erscheint nach und nach wie durch ein Wunder das Fotogramm in einem großartigen Spektrum von verschiedensten Blautönen.

Wer hat die Cyanotypie erfunden?

Im Jahr 1842 entwickelte der englische Naturwissenschaftler und Astronom Sir John Herschel dieses Verfahren. Diese Technik hat gegenüber anderen fotografischen Methoden mehrere Vorteile: Die Fotoschicht kann auf beliebigen Oberflächen erzeugt werden, es ist ungiftig, es ist leicht zu handhaben und das Verfahren produziert stabile, lichtechte und haltbare Ergebnisse.

Anna Atkins, eine britische Botanikerin, war die Erste, die sich mit dieser Technik künstlerisch ausgedrückt hat. Mit ihren Pflanzencyanotypien Sun Gardens und ihrer Dokumentation der britischen Algen hat sie die Welt nachhaltig begeistert und inspiriert.

Was fasziniert mich an der Cyanotypie?

Mit der Sonne belichten und mit Wasser entwickeln-es ist das Einfache und Natürliche dieser Technik, das mich als erstes angezogen hat.
Mich fasziniert, dass mit der Cyanotypie das Wesen der Pflanzen auf wundersame Art sichtbar gemacht werden kann.
Cyanotypie und Pflanzen, das gehört für mich einfach zusammen. Mit ihrer ganz besonderen Art bringen mir Pflanzen Wesentliches über Schönheit und Gestaltung bei.

Pflanzenbegegnung als Quelle der Inspiration

Am Anfang einer Cyanotypie steht für mich immer die Begegnung mit einer Pflanze, irgend-etwas, das mich ruft und das mich fesselt, irritiert oder anzieht. Dieser erste Eindruck begleitet mich durch den ganzen Cyanotypie-Prozess hindurch. Oft bin ich mir zum Schluss nicht so ganz sicher, wer die Schöpferin der neu entstandenen Cyanotypie ist?! Ist es die Pflanze oder ich? Die Pflanze hat beim Kreieren auf jeden Fall ein tüchtiges Wörtchen mitgeredet.

Kompasslattich Pflanze vorbereiten für die Cyanotypie
Lactuca serriola – Kompasslattich

Cyanotypie und das Wesen der Pflanzen

Meistens sind es die „einfachen“ Pflanzen am Wegrand, die mich besonders ansprechen.
Diesmal ist es der Kompasslattich, der mich in seinen Bann zieht.
Die Blätter dieser Pflanzenspezies stellen sich im vollen Sonnenlicht senkrecht und richten ihre Spitzen nord-südlich aus. Daher kommt der Name Kompasslattich.
Der Pflanze hilft diese Eigenschaft, mit ihren Blättern weniger Wasser zu verdunsten und auf diese Art besonders gut mit der Hitze zurecht zu-kommen.

Formenvielfalt der Kompasslattichpflanze inspiriert
Die wunderbare Formenvielfalt der Kompasslattichpflanze

Die Gestaltung der Cyanotypie

Schon lange habe ich die Idee, mit den einzigartigen Blättern des Kompasslattichs eine Cyanotypie zu machen. Es reizt mich, ihre unruhigen und dynamischen Blätter in eine Form zu bringen.
Für die Anordnung der Blätter wähle ich die Form eines Kranzes. Diese Form strahlt für mich etwas Beruhigendes aus und mich fasziniert der Kontrast zwischen Unruhe und Ruhe.
Im Kranz, im Kreis begibt sich der Kompasslattich in eine unendliche Bewegung.

Kompasslattich Blätter vorbereiten
Das Blatt mit seiner exklusiven und sehr eigenartigen Form hat mich als erstes in seinen Bann gezogen

Wie wird die Cyanotypie belichtet?

Ich benutze die Kraft der Sonne (oder einer Solarlampe), um die Umrisse der Kompasslattichblätter durch die historische Fototechnik, der Cyanotypie, sichtbar werden zu lassen.
Dazu präpariere ich den Untergrund, (einen alten Leinenstoff) mit einer Eisenlösung. Die Eisenlösung bildet unter UV-Licht blaue Kristalle.
Die Belichtung ist ein magischer Prozess, der mich immer wieder in seinen Bann zieht. Das ursprünglich zarte Grün des präparierten Stoffes beginnt dabei mehr und mehr zu dunkeln. Es braucht Erfahrung und Fingerspitzengefühl, um zu entscheiden, wann ich diesen Prozess beende, wann das Bild optimal belichtet ist.

Blätter der Kompasslattichpflanze kranzförmig angeordnet
Die Blätter werden kranzförmig auf den Stoff gelegt und anschliessend belichtet

Wie wird die Cyanotypie entwickelt?

Zum Entwickeln der Cyanotypie nehme ich Wasser ohne irgendwelche Zusätze. Mir ist es wichtig, dass der Prozess möglichst natürlich und einfach bleibt.
Mit der Entwicklung entsteht eine Fotografie ohne Kamera, ein Fotogramm. Mich fasziniert das Schlichte und Ursprüngliche dieses Prozesses, bei dem nur mit Sonnenlicht belichtet und mit Wasser entwickelt wird.

Die fertig belichtete Cyanotypie wird mit Wasser entwickelt
Die fertig belichtete Cyanotypie wird mit Wasser entwickelt

Warum sind Cyanotypien blau?

Beim Entwickeln mit Wasser bleiben die nicht wasserlöslichen blauen Salzkristalle im Stoff, während die grünen Salze ausgewaschen werden. Während dem Wässern und dem anschließenden Trocknen entwickelt sich nach und nach die Farbe Berliner Blau.

Im Pflanzenreich kommt die Farbe Blau selten vor. Vielleicht ist das der Grund, warum Cyanotypien mit Pflanzen für manche Menschen, eine fast schon magische Anziehungskraft entwickeln.

Die Cyanotypie wird beim Wässern blau
Beim Wässern und beim anschließenden Trocknen entwickelt sich nach und nach die Farbe Berliner Blau

Mit Pflanzen Cyanotypien gestalten

Gestaltungen mit Pflanzen bieten besondere Herausforderungen. Sie brauchen das Zwiegespräch. Jede Pflanze hat ihre eigene Art, ihren eigenen Ausdruck. Das will berücksichtigt und mit Feingefühl behandelt werden.

In meinem Bild zeigen die Kompasslattichblätter nicht mehr die Richtung an. Sie zeigen nicht mehr nach Norden und nach Süden. Sie bewegen sich im Kranz, im Kreis, in der Unendlichkeit.

Die fertige Cyanotypie
Lactuca serriola – Kompasslattich
Cyanotypie auf Leinen 97×97 cm © Romy Pfyl 2021

Jedes Ende ist ein neuer Anfang

Damit sind wir jetzt am Ende dieses kurzen Ausflugs in die Welt der Cyanotypie angekommen.
Ich hoffe, du hast mit dem Lesen dieses Artikels einen Eindruck gewonnen, eine erste Idee, was Cyanotypie ist, wie sie funktioniert und welche Möglichkeiten sie bietet.
Mir ist bewusst, dass bei dir jetzt wahrscheinlich neue Fragen aufgetaucht sind.
Das hat die Beschäftigung mit dieser wunderbaren Technik nämlich so an sich und mir geht es genauso.
Je mehr ich eintauche in diese Welt, um so mehr Fragen tauchen auf. Der Prozess der Cyanotypie ist unglaublich spannend. Diese Fragen sehe ich als Türöffner, um Neues zu lernen und weitere Schritte zu gehen.

Die Cyanotypie ausprobieren
Die Cyanotypie erleben

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8 Kommentare

  1. Wunderschön!!! Ich hatte noch nie davon gehört und bin ganz fasziniert von dieser seltenen Kunst. Die Endprodukte gefallen mir sehr, sehr gut und ich freue mich, dass ich hier über dich gestolpert bin. Herzliche Grüße von Ramona

  2. Liebe Romy,
    Eine wundervolle Technik, der du mit deinem Artikel Aufmerksamkeit schenkst … so einfach sind Naturphänomene mit all ihrer Schönheit. Ich bin inspiriert. ganz herzlichen Dank. Liebe Grüße Umani

    1. Liebe Umani, wie schön, ich freue mich sehr, über dein inspiriert sein. Ja, Naturphänomene sind unglaublich komplex und spannend und ständig gibt es Neues zu entdecken. Liebe Grüße
      Romy

  3. Liebe Romy,
    ich weiß nicht mehr, wann oder warum ich in Ihrem Blog gelandet bin.
    Aber ich weiß, wie ich sofort von diesem Artikel und Ihren Arbeit begeistert war – und mir die Cyanotypie nicht mehr aus dem Kopf ging.
    Diese Woche habe ich endlich meine ersten eigenen Cyanotypie-Versuche gemacht, zuerst mit fertig gekauftem Sonnendruck-Papier, dann mit der eigenen Mischung und Papieren und gesammelten Blüten / Gräsern. Und ich habe beim Wässern der ersten Bilder nur ausgerufen „oh wie schön“ einfach nur schön – ich kann gar nicht benennen, ist es der Blauton, oder die Schönheit der Natur? alles zusammen … DANKE für Ihre Inspiration.

    1. Das freut mich, liebe Astrid,
      dass die ersten Arbeiten gut gelungen sind und soviel Begeisterung ausgelöst haben.
      Ich wünsche weiter viel Freude mit den blauen Wundern.

      Alles Liebe
      Romy

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