Unbeirrt

Romy Pfyl

Romys Nacht- und Tag-Buch 68

Mein Jahresmotto; „Einfach Tun“, bewährt sich. Unbeirrt seinen Weg gehen, darum geht es doch!
Rehaende, zu Hause ankommen und schon wieder das Weitere planen. Ich bin glücklich, wieder unterwegs zu sein.

Sonntag, 19. Mai

Ist es doch eine Nachtigall? Im Dunkeln höre ich wieder diesen wunderlichen Vogelgesang. Schon einmal habe ich ihn gehört. Aus der Ferne und ganz leise. Sonst ist es ungewohnt ruhig in der Nacht. Wenn es nicht gerade regnet oder der Wind in den Bäumen rauscht, herrscht eine seltsame Stille hier. Manchmal horche ich in diese Stille hinein. Sie gibt mir das Gefühl von einer unendlichen Weite.
Kerstin hat mir aus Berlin die Aufnahme einer Nachtigall geschickt. Diese singt wohl unmittelbar in der Nähe des Aufnahmeortes. Die Vogelstimme hört man laut und deutlich. Sie triumphiert über den sie umgebenden Verkehrslärm. Unbeirrt singt sie ihr Lied.

Montag, 20. Mai

Pfingstsonntag. Im Höllental der Schwarzaa entlang wandern. Klares, in wundersamen Blau- und Grünnuancen schimmerndes Wasser. Im Sonnenschein überwiegt der liebliche Eindruck. Wie kommen Schwarzaa und Höllental zu ihren Namen? Diese Frage liegt in der Luft. Schroffe Felswände und vom Wasser geformte Einbuchtungen und Höhlen hinterlassen eine Ahnung von der rohen Gewalt eines unheilvollen Wetters. Am Wegrand blühen, wilde Rosen, Maiglöckchen, Schneerosen und Waldmelissen. Wir wandern zu viert über gut gesicherte Felssteige hoch über dem Flüsschen, hinauf und hinunter über steile Wege und dann wieder gemächlich dem Wasser entlang. Wir lassen uns Zeit, genießen den abwechslungsreichen Weg und die glasklare Sicht.

Dienstag, 21. Mai

Ein Abschiedsausflug zur Speckbacherhütte. Ich folge der Einladung meines Tischgenossen zum berühmten Heidelbeerstrudel mit Vanillesauce. Rekapitulieren unserer Rehaabenteuer. Draußen vor der Hütte sitzen wir zu viert auf der Holzbank unter dem rot-blauen Almdudler-Schirm. An diesem Feiertag ist die Speckbacherhütte gut besucht. Eine bunte Schar von Ausflüglern, Wanderbegeisterten, Hüttennostalgikerninnen und Rehagästen. Wolken, dazwischen Sonne und in der Luft liegt eine heimelige Mischung von Geplauder, Lachen, vom Duft der Fichten und den wohlriechenden Köstlichkeiten, welche hier unermüdlich serviert werden.

Mittwoch, 22. Mai

Im Vorgarten wuchert es. Der Weg zum Häuschen wächst langsam zu. Heimkommen und staunen, wie schnell alles gewachsen ist. Im Granatapfelbaum knospen schon erste Blüten und die Äste des Weingartenpfirsichs biegen sich. Sie sind übervoll mit kleinen, noch grünen, fein-samtenen Früchten. In der Nacht tobt ein Sturm. Am Morgen liegt ein Ast abgebrochen am Boden. Ich zähle 165 kleine Früchte; nur an diesem einen Ast. Kein Wunder, dass er gebrochen ist. Sein Gewicht ist beachtlich. Die Baumwunde versorge ich mit einer Paste aus vermahlener Holzkohle und Urgesteinsmehl.

Donnerstag, 23. Mai

Seit einiger Zeit fröne ich einem seltsamen Laster. Ich führe ein Parallelleben in einer Arztserie. Ganz langsam bin ich in ein suchtartiges Verhalten hinein gerutscht. Wenn ich erschöpft bin, oder Schmerzen habe, mich allein fühle oder nicht so recht weiß, was ich mit mir anfangen soll, begegne ich dort dem Leben in all seinen Ausformungen; dramatisch, kitschig, konfliktgeladen, gefühlvoll, anteilnehmend … ein Krankenhaus, in dem sich die Ärzte um alles kümmern, sich fast schon um die Patienten streiten und ihre Kunst mit vollstem Engagement ausüben. Stundenlanges Operieren und fast immer wird alles wieder gut.

Freitag, 24. Mai

Es ist spät geworden. Über den Gleisen der S45 hängt ein voller Mond. In mir schwebender Gesang, wundersame Klänge, fließende zartblaue Aquarelle, Cyanotypien und Bilder von feinen Begegnungen. Angela Tröndle ist ein Multitalent. Vor drei Jahren bin ich ihr in meinem damaligen Cyanotypie-Online-Kurs zum ersten Mal begegnet. Gestern Abend war die Eröffnung ihrer ersten Einzelausstellung. Ich freue mich über das Wiedersehen, die schöne Ausstellung, das berührende Konzert und staune, wie schnell sich alles entwickelt hat. Zur Eröffnung feinsinnige Worte meiner Freundin Brigitta Höpler und ein Text von Angela, mit dem sie uns in die Tiefen ihrer Bilderwelt mitnimmt.

Samstag, 25. Mai

Die Telefondrähte zwischen Obersdorf und Berlin laufen heiß. Kerstin ist einverstanden. Wir kommen ins Brutgeschäft. Alissa sitzt, seitdem ich von meiner Reha zurückgekommen bin, im Nest. Sie ist in Brutlaune. Eigentlich wollte ich sie erst im Juli brüten lassen. Nun haben wir uns entschieden, der Natur ihren Lauf zu lassen. Ich habe ihr zwölf befruchtete Eier untergelegt. Wenn sie jetzt sitzen bleibt und alles klappt, werden die Küken um den 12. Juni herum schlüpfen. Dann bin ich in Berlin und Kerstin ist bei mir in Obersdorf. Der aufregendste Teil dieses Abenteuers würde dann also in die Zeit ihres Aufenthaltes fallen.

4 Kommentare

  1. Ich freue mich riesig, bei diesem Naturspektakel dabei zu sein und hoffe sehr, dass alles gut wird und der Nachbarshund nicht die Küken frisst. Wie aufregend! Habe mich schon mit Literatur eingedeckt und werde dir täglich berichten, während du die Großstadt erkundest. Auf ganz bald!
    Liebe Grüße
    Kerstin

    1. Liebe Kerstin,
      wegen des Hundes brauchst du dir keine Sorgen zu machen …
      Ich habe den Durchschlupf-Ort schon seit längerem gesichert und ihn seitdem nicht wieder im Garten angetroffen.
      Die Frage ist eher, ob das Huhn wirklich auf den Eiern sitzen bleibt, bis sie ausgebrütet sind.
      Es bleibt spannend.

  2. Liebe Romy, ich bekomme richtig Lust mal nach Österreich zu fahren und wandern zu gehen. Leider kenne ich das Land singet wie gar nicht. Vielleicht haben wir Ende des Jahres ein WoMo, dann liegst du auf meiner Strecke. Alles Liebe und Gute Gabriele

    1. Liebe Gabriele

      Ende des Jahres ein WoMo, was für schöne Aussichten sind das.
      Ja, ein Wiedersehen wäre fein. Vor allem, weil es ja auch unser erstes Live-Treffen wäre.

      Ich freue mich darauf
      Romy

      Österreich ist ein wunderschönes Wanderland. Es wird dir sicher gefallen 🙂

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