Verbunden-Sein

„Verbunden-Sein“ Silberweide © Romy Pfyl 2023
„Verbunden-Sein“ Silberweide © Romy Pfyl 2023

Romys Nacht- und Tag-Buch 25

Das Zusammensein mit Freund*innen genießen und zeichnerische Naturerkundungen praktizieren. Alles ist mit allem verbunden. Beim Schreiben wird mir bewusst, wie sehr die Pflanzen mich schon mein ganzes Leben lang beeinflussen.

Sonntag, 23. Juli

Seit Freitagabend ist meine Berliner Blog-Freundin Kerstin zu Besuch.  Gestern haben wir uns in Wien im Kaiserwalzer mit unseren Blogkolleginnen von der Content-Society getroffen. Das war ein lustiger und sehr inspirierender Abend mit angeregten Gesprächen und einem bereichernden Austausch. Heute fahre ich los ins Waldviertel zu einem Künstler*innen-Symposium. Kerstin wird für 14 Tage in meinem Häuschen arbeiten und leben und dabei Garten und Tiere versorgen.
Ich freue mich auf das Wiedersehen mit alten Bekannten und Freund*innen, die Abende am Feuer, das gemeinsame Kochen, das Schwimmen in der Thaya und auf die wundervolle Natur rund um die alte Mühle. Mit Bleistift, Papier und Radiergummi möchte ich Erkundungen machen und Feld-Notizen erstellen.

Montag, 24. Juli

Apokalyptisches Traumleben. Im halbdunklen entdecke ich ein hell leuchtendes Etwas bei meinem Hühnerstall. Es schaut ein bisschen so aus wie ein Teddybär mit einem überdimensional großen Kopf. Nur, dass es lebendig ist und sich auf allen vieren bewegt. Nach ausgiebigem Betrachten denke ich, dass es so was Ähnliches wie ein Waschbär sein könnte. Im anderen Eck des Hühnergeheges entdecke ich einen silbernen, metallisch glänzenden Tiger im Miniaturformat. Er ist hier mit seinen klitzekleinen Jungen unterwegs. Meine Hühner lassen sich dieses plötzliche Eindringen in ihr Revier nicht gefallen und so beginnt ein erbitterter Kampf.
Dann bin ich plötzlich draußen vor dem Häuschen. Auf der Straße hier hat sich eine größere Menschenmenge versammelt. Der Himmel flackert und will nicht hell werden. Die Gesichter der Menschen sind gegen den Himmel gerichtet. Jemand hat in den Nachrichten erfahren, dass es jetzt aus sei und dass das Licht abgedreht würde, endgültig.

Dienstag, 25. Juli

Feld-Notizen … Gestern habe ich die Umgebung hinten auf der seit vielen Jahren aufgelassenen Miststatt erkundet. Als Erstes hat mich das Kletten-Labkraut angelacht. Sommerdörr hängt es über dem Bretter-Zaun. Sobald ich es anfasse, klammert es sich an mir fest. Es ist ausgestattet mit Klimmhaaren. Damit kann es mit seinen langen Sprossen auch in die Senkrechte wachsen. Mit der Frottage erkunde ich seine Bewegungsmuster und Zwischenräume. Spannend, was sich da auf dem Papier mit Bleistift und Radiergummi entwickelt. Mit jedem Pflanzenwesen, das ich erkunde, öffnen sich neue Türen. Das Lernen an und mit Pflanzen ist permanent. Vieles, oder sogar das meiste, geschieht unbewusst. Kein Mensch kann sich dem entziehen. Wir sind in einem beständigen Austausch mit unserer Umgebung. Durch die Luft, durch unsere Nahrung und durch die Wahrnehmung. Über unsere Sinne geschieht ein beständiges Aufnehmen.

Mittwoch, 26. Juli

Gleich neben der Mühle fließt die mährische Thaya. Ihr Rauschen ist beständig in meinem Ohr. Das bräunliche Wasser bewegt sich langsam. Beim Schwimmen spüre ich die Strömung kaum. Ich schwimme flussaufwärts unter mächtigen Bäumen. Wenn ich mich auf den Rücken drehe, sehe ich den Himmel und die ziehenden Wolken. Das Wasser ist kühl und angenehm. Hier kann ich mit meinen Kraul-Übungen weiter machen. Kerstin hat mir beim gemeinsamen Schwimmen gezeigt, wie die Hände ins Wasser eingetaucht und wie die Arme weit nach vorne gestreckt werden. Wenn ich es ohne Atmen übe, kann ich mich besser darauf konzentrieren. Es gibt noch viel zu lernen. Trotzdem fühlt es sich schon gut an, mich auf diese Art im Wasser zu bewegen. Nach dem Schwimmen bin ich erfrischt und ich mache mich ans Zeichnen.

Donnerstag, 27. Juli

Ein riesiges Stoppelfeld in allen Gelb-Nuancen. Die goldene Ernte wurde schon eingefahren. In den ersten Tagen hörten wir von der Mühle aus, wie schweren Maschinen am Arbeiten waren. Jetzt ist alles abgeerntet. Ich mache eine abendliche Spazierrunde. Der Himmel verdunkelt sich immer wieder und manchmal tröpfelt ein leiser Regen. Ich lasse mich davon nicht abhalten und schreite mit schnellen Schritten den Berg hinauf. Die Bewegung tut mir gut und auch das allein sein. Heute habe ich versucht, die Eigenart vom Lebensbaum mit Bleistift aufs Papier zu bringen. Irgendwie bin ich nicht in den Fluss gekommen und das Resultat machte mich unzufrieden. Ich legte es in meine Mappe und lasse es jetzt ruhen. Vielleicht werde ich noch weiter daran arbeiten. Oder ich lasse es, wie es ist.

Freitag, 28. Juli

Abschiede. In der Mühle ist ein Kommen und Gehen. Manche bleiben kürzer und andere länger. Heute in der Früh habe ich einer Künstlerin vor ihrer langen Reise in den Norden von Deutschland einen hier entstandenen Text vorgelesen. Mein Thema für diese Woche in der Lese- und Schreib-Gruppe ist „Mein tiefes Wissen“. Das Schreiben darüber ist mir nicht leichtgefallen. Der Text brauchte Zeit zum Reifen. Das zeichnerische Arbeiten an den Feld-Notizen und das Erkunden der Pflanzenwesen haben mich dabei unterstützt. Als ich am Dienstagmorgen über das Kletten-Labkraut schrieb, war es plötzlich klar. Mein Wissen kommt aus der Natur. Sie ist meine Lehrerin. Und gleich darauf war das Schreiben leicht und der Text floss förmlich aus mir heraus, ohne viel nachzudenken.

Samstag, 29. Juli

Draußen zetert eine Amsel. Nur kurz, dann ist sie wieder ruhig. Die Thaya rauscht über die Wehr. Sie ist jetzt durch einen Regenguss deutlich lauter geworden. Jeden Tag kocht wer anderer in der Mühle. Gestern gab es zur Nachspeise Kaiserschmarren. Ein kulinarischer Genuss, der Erinnerungen an die Kindheit weckt. Meine Mutter machte ihn regelmäßig. Das Wort Kaiserschmarren regte meine Fantasie an und ich ging mit dem Schmarren auf Gedankenreise. Auch gestern beim Schmausen stellten wir gemeinsam Überlegungen zum Kaiserschmarren an. In Deutschland gibt es ihn nicht. Das gemeinsame Essen ist für mich der Höhepunkt des Tages. Tagsüber sind alle verstreut unterwegs mit ihrem eigenen Tun. Am Abend treffen wir einander am Tisch und später dann beim Feuer. Ich genieße das Zusammensein mit meinen Künstlerfreund*innen sehr.

2 Kommentare

  1. Liebe Romy, wie schön, dich wieder durch deine ereignisreiche Woche begleiten zu dürfen. Anfang der Woche waren wir ja noch gemeinsam schwimmen und beim Bloggerinnen-Treffen im Heurigen. Schön nun zu lesen, wie es dir im Waldviertel ergeht, während ich hier mit deinen Hühnern kuschle. Das klingt alles ganz wunderbar. Genieße noch die zweite Woche im Künstler*innenparadies.
    Liebe Grüße
    Kerstin

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