Wind, Sterne und eine zarte Kraft

Löwenzahn, Cyanotypie auf Rohbaumwoll
Löwenzahn, Cyanotypie auf Rohbaumwolle © Romy Pfyl 23

Romys Nacht- und Tag-Buch 12

Die zarte Kraft des Löwenzahns begleitet mich durch diese Woche. Seine weiß leuchtenden Kugeln beherbergen unzählige kleine Sterne. Sie sind durch einen feinen Faden mit den dunkelbraunen, reifenden Samen verbunden. Sobald diese fertig ausgebildet sind, lassen sie sich wie kleine Fallschirme vom Wind ins Weite tragen. Auch ich mache mich auf den Weg. Der Frühling bringt mir die Kraft zurück. In der sich langsam erstarkenden Sonne entwickeln sich Ideen und warten geduldig auf ihr Reifen.

Sonntag, 23. April

Die Hauswand gegenüber reflektiert eine leuchtend, warme Sonne. In den Gärten beginnen jetzt die Sommer-Lustbarkeiten. Tische werden hinausgestellt und Hängematten aufgehängt. Mein Sommerwohnzimmer ist unter der Trauerweide. Im Hochsommer ist es dort angenehm kühl. Der wachsenden Sonnenkraft setze ich mich jetzt noch mit Genuss aus. Die jungen „Paradeispflanzerl“ wachsen in ihren Töpfen. Tagsüber stelle ich sie in die Sonne und den Wind, damit sie widerstandsfähiger und stärker werden. Sobald es warm genug ist, setze ich sie in den Garten. Im Hochbeet habe ich Eichblattsalat und Salatherzen ausgepflanzt. Sie sind gut angewachsen. Ich sehe sie jetzt schon vor mir als große, knackige Salatköpfe und freue mich auf einen genussvollen Sommer.

Montag, 24. April

Im Schreiben aufwachen, neben mir eine Tasse grüner Tee … unterdessen ist es mir zur täglichen Selbstverständlichkeit geworden. Dieses einfache nur Tun ohne jedes Mal nach dem Sinn und Zweck zu fragen ist hilfreich. Ich realisiere immer mehr, wie gut mir eine tägliche Routine im sonst eher wenig strukturierten Tagesablauf tut.
Gestern Nachmittag, besuchte ich die Finissage der Ausstellung „Die Wiederverzauberung der Welt“ kuratiert von Christiane Spatt und Ona B. im Schloss Wolkersdorf. Es fällt mir schwer, schnelle Worte über die Wirkung dieser wunderbaren Ausstellung, mit den vielfältigen Werken zu finden. Zwölf verschiedene Perspektiven auf dieses Thema und anregende Gespräche machten diesen Nachmittag zu einem Erlebnis der besonderen Art. Ich fühle mich bereichert, nachdenklich und ich bin froh dort gewesen zu sein. Es sind mannigfaltige Spuren gelegt worden, die nachhaltig weiterwirken können.

Sommerbüro
Gemeinsames Arbeiten mit Kerstin, im Sommerbüro 2022.

Dienstag, 25. April

Die kostbarsten Sachen kosten kein Geld. Montags das allwöchentliche Onlinetreffen mit meinem Berliner Blogbuddy Kerstin. Seit mehr als einem Jahr begleiten wir einander bei unseren Schreibprojekten. Ich staune immer wieder, wie viel in dieser Zeit passiert ist und was sich alles verändert hat. Es war und ist eine gemeinsame Reise durch dick und dünn und durch auf und ab. Kerstin ist Lektorin und durch ihre exakte und feine Art habe ich viel für mein Schreiben gelernt. Aber nicht nur das … unsere Treffen inspirieren mich wöchentlich und unterstützen mich dabei dranzubleiben, den Ideenspuren zu folgen und sie zu realisieren. Kerstin wirkt durch ihre spezielle Art und im Austausch mit ihr empfange ich wertvolle Impulse und öffne mich neuen Einsichten. Ich freue mich, dass sie im Sommer wieder für zwei Wochen bei mir wohnen und arbeiten wird und dabei Haus, Garten und Hühner betreut. In dieser Zeit werde ich gemeinsam mit anderen Künstler*innen im Waldviertel in einer alten Mühle die Gelegenheit haben, meinen Ideen eine Form zu geben.

Mittwoch, 26. April

Vorbereitungsarbeiten für den Cyanotypiekurs am Samstag in Krems. Sonnenkraft testen, Papiere und Stoffe ausprobieren und Materialien bereitstellen. Wenn ich arbeite, neige ich dazu, um mich herum ein ziemliches Chaos zu veranstalten. Ja und wie da alles so schön herumliegt, packt mich das Cyanotypierfieber. Ich kippe ins eifrige Tun und Ausprobieren. Im Cyanotypieren gibt es endlos viele Möglichkeiten. Ich cyanotypiere im Regen und in der Sonne, zeichne frech mit Kugelschreiber und Buntstiften auf cyanotypierte Rohbaumwolle, teste die getrockneten und gepressten Pflanzenmaterialien und nutze die blühende Wiese im Hintergarten. Am Abend sind die Materialien bereitgestellt und ich bin bestens vorbereitet.

Löwenzahn cyanotypieren
Wind und Sterne, der Löwenzahn entfaltet als Pusteblume eine zarte Kraft

Donnerstag, 27. April

Eine meiner ehemaligen Kursteilnehmerinnen wird mit Studierenden an der Fachhochschule St. Pölten einen Cyanotypie Workshop machen. Gestern haben wir telefoniert und ein wenig gefachsimpelt. Wie stark ist die Sonnenkraft bei Regen und wie lange dauert es dann wohl eine Cyanotypie zu entwickeln? Das Aprilwetter ist herausfordernd.
Eine zweite einstmalige Teilnehmerin meiner Kurse stellt ihre wunderbaren Werke in den Räumen einer Musikschule aus. Und eine befreundete Fotografin fragt nach beschichteten Papieren zum Cyanotypieren. Sie möchte im Mai auf einem Symposium in Italien mit dieser schlichten, kamaralosen Technik experimentieren. Ich freue mich sehr, wenn sich die Cyanotypie durch meine Impulse auf den Weg macht und bin schon gespannt auf die Resultate.

Freitag, 28. April

Mareike ist mein Goldhuhn. Noch nie hat sie ein Ei gelegt. Am frühen Morgen schreit sie, nicht wie ein Hahn, nein, eher so wie ein Falke, ein bisschen heiser und ziemlich laut. Wie sie bei den Nachbarn auf Hühnerurlaub war, hat sie sich das Schreien abgewöhnt und kaum ist in ihrer alten Umgebung, geht es wieder los. Gestern haben die Nachbarn, welche nur den Sommer über hier wohnen, gefragt, ob es das das Schrei-Huhn noch gibt. Sie haben schon einmal hier geschlafen und gar nichts gehört. Vielleicht wird Mareike, dort, von den Fröschen im übernächsten Garten übertönt. Bei ihnen kommt das Quak-Konzert in Schüben am Tag und auch in der Nacht. Mareike schreit nur am Morgen früh. Früher hat mich das gestört und ich fand es auch schade, dass sie keine Eier legt. Jetzt habe ich mich daran gewöhnt, Mareike hat eben ihre ganz eigene Art. Sie ist mein Goldhuhn.

Huhn Mareike im Hühnergarten
Mareike ist mein Goldhuhn

Samstag, 29. April

Aufwachen über den Dächern von Krems. Heute leite ich hier bei KreArt einen Cyanotypiekurs mit sieben Teilnehmerinnen. Noch zeigt der Himmel ein fast schon freundliches Gesicht, doch der Wetterbericht verspricht nichts Gutes. Das heißt, wahrscheinlich gibt es fast keinen Sonnenschein heute. Bei der Cyanotypie ist es die Sonne, mit der entwickelt wird. Ohne sie ist Improvisation angesagt. Gestern habe ich gemeinsam mit der Werkstattleiterin einen großen Belichtungstisch eingerichtet, mit den mitgebrachten Solar-Lampen, die wir auf zwei Garderobenständer über Platten montiert haben. Trotzdem möchte ich versuchen, möglichst draußen im Freien zu belichten. Auch wenn es bewölkt ist, wirkt die Sonne schon stark. Das habe ich zu Hause ausprobiert. Ich hoffe nur, dass der Regen uns in Ruhe lässt. Jetzt suche ich mir einen feinen Ort zu Frühstücken in diesem gemütlichen Städtchen und ich freue mich auf den Workshop.

4 Kommentare

  1. Wie schön, dass ich diese Woche in dein Nacht- und Tagebuch gepurzelt bin. Na sowas! Herzlichen Dank für die Erwähnung, liebe Romy! Auch ich empfinde unseren wöchentlichen Austausch als ein großes Geschenk und freue mich schon auf unser Wiedersehen im Sommer.
    Für heute drück ich dir die Daumen, dass die Sonne doch mal rausschaut und eure Cyanotypien entwickelt und dass der Regen euch verschont.
    Viel Spaß und gutes Gelingen!
    Liebe Grüße
    Kerstin

    1. Danke Kerstin!
      Deine guten Wünsche sind in Erfüllung gegangen. Die Sonne hat sich öfters mal gezeigt. Ab und zu war plötzlich Regen da und die Regentropfen haben auf den Cyanotypien wunderschöne Effekte gezaubert. Es sind tolle Arbeiten entstanden. Mehr darüber wirst du im nächsten Nacht- und Tag-Buch lesen und sehen können …
      Ein schönes Wochenende wünsche ich dir
      Romy

  2. Liebe Romy, so gerne lese ich dein Tagebuch, die Einträge wirken sehr beruhigend auf mich 🙂
    Ich wünsche dir eine schöne Woche!
    Liebe Grüße
    Natalia

    1. Das freut mich, Natalia, dass du mich durch meine Tage begleitest und dass meine Texte auf dich beruhigend wirken. Ruhe ist das, was wir alle brauchen in dieser manchmal wirren und anspruchsvollen Zeit.
      Alles Liebe dir
      Romy

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