Reconnect

Romys Nacht- und Tag-Buch 82

In Verbindung sein, sich immer wieder verbinden … mit der Schönheit einer frisch aufgeblühten Trichterwinde, mit den nackten abgeernteten Feldern, schutzlos der Sonne ausgeliefert, mit wartenden Menschen am Bahnsteig auf Zugverbindungen hoffend, mit dem Wald, dem spätsommerlichen Seelennahrungsspender. Für mich war es eine bewegte und bewegende Woche, sowohl im Innen wie im Außen.

Sonntag, 25. August

Es ist immer wieder ein seltsames Gefühl beim Start in die neue Woche, die ersten Worte in dieses Nacht- und Tag-Buch zu schreiben. Die kommende Zeit liegt wie ein leeres Blatt vor mir und ich weiß noch nicht, was sie bringen wird.
Ein Flugzeug durchbricht mit seinem lauten Geräusch die morgendliche Stille. Gerade vorhin hat meine mittlere Enkelin ein Bild vom Flughafen gepostet. Wenn das Flugzeug pünktlich startet, dann wären sie genau jetzt losgeflogen. Vielleicht sitzt sie jetzt mit ihrer Schwester in diesem Flugzeug weit über mir, ein wenig müde noch, aber sicher auch freudig aufgeregt und neugierig auf den ersten gemeinsamen Urlaub in Barcelona.

Montag, 26. August

Nach einem Kurswochenende vor dem Bildschirm mache ich mich trotz der sonntags-nachmittäglichen Hitze auf den Weg zum Schloss. „Reconnect Nature“ ist der Titel der Ausstellung, die ich mir dort anschauen möchte. Ich treffe eine Bekannte und wir kommen ins Gespräch mit einem der anwesenden Künstler. Mit seinen Fotos dokumentiert er den menschlichen Fußabdruck in der Landschaft. Er zeigt uns Videoaufnahmen, die er mit einer über die Felder der Umgebung fliegenden Drohne gemacht hat. Wie eine offene Wunde wirkende, wüstenähnliche Landschaften. Trost- und endloses Dahinvegetieren. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, schaut es beängstigend aus. Wie eine schwarze Utopie, die in der Gegenwart gelandet ist.

Dienstag, 27. August

Beim Gang zum Hühnerstall in der Früh wartet am Wegrand eine Überraschung auf mich. Eine erste Blüte der violetten Prunkwinde hat sich geöffnet. Sie zieht mich hinein in ihre Mitte, aus der ein unfassbar inniges Leuchten erstrahlt. Alles an ihr ist in Bewegung nach außen, ein sich Entfalten in diese von der Hitze wie erstarrte Umgebung hinein. Sie bringt eine erste Ahnung von einem Nachsommer, in dem das Blühen und Wachsen noch einmal seine volle Kraft ausbreitet. Meine Augen versinken in ihrem magisch anziehenden Violett. Es ist eine Farbe wie aus dem Anderswo. In dieser Blüte zeigt sie, was sie kann. Ihr Zauber katapultiert mich augenblicklich in einen anderen Zustand, an einen Ort, in dem vielleicht die Feen zu Hause sind.

Mittwoch, 28. August

Milchreis … warum nicht? An manchen Tagen stehe ich wie neben mir und ein Milchreis könnte mir vielleicht guttun. Zum Glück gibt es Rundreis im Vorratsschrank und die Milch steht im Kühlschrank. Kochen und rühren. Vorher werden Zitronenschale und eine Zimtstange zu Pulver vermalen. Ein unbeschreiblich verlockender Duft, der mich mit Vorfreude erfüllt. Das Schönste am fertigen Milchreis ist für mich seine sämige Konsistenz. Ich kombiniere ihn mit dem vor kurzem eingemachten Pflaumenmus, spiele beim Anrichten ein wenig herum und auf diese Weise entwickelt er sich zum Augenschmaus.

Donnerstag, 29. August

Drei Züge stehen im Bahnhof von Wolkersdorf. Die Anzeigetafeln geben verwirrende Informationen oder sie bleiben schwarz. Die App am Handy sagt mir, dass ich noch eine Stunde warten muss, bis von hier wieder ein Zug fährt. Langsam werde ich nervös. In Meidling wartet eine Schreibkollegin auf mich. Wir wollen gemeinsam weiterfahren. Ihr Handy funktioniert nicht. Ein Zug fährt ab. Natürlich genau der, auf dem Gleis gegenüber, aus dem ich aus Ungeduld schon wieder ausgestiegen bin. Auf gut Glück wechseln die Passagiere zwischen den Zügen hin und her. Niemand weiß, welcher Zug als Nächstes fahren wird. Es gibt keine Durchsage. Endlich ruckelt der Zug. Es geht los.

Freitag, 30. August

Nach der abenteuerlichen Fahrt ein freudiges Ankommen. Mittagessen beim Dorfwirt. Dann eine Fahrt rauf und runter durch diese bucklige Welt. Wiesen, Wälder und ein weiter Blick. Pläne für unsere gemeinsame Zeit schmieden. Vorlesen und Texte besprechen. Aus welcher Perspektive schreiben wir? Was geschieht? Ist es nachvollziehbar? Verständlich? Auf welche Reise werden Lesende geschickt? Kindergeschichten und Kindheitserinnerungen. Welche Gefühle lösen sie aus? Folgen sie einer eindeutigen Spur oder sind sie vielschichtig und verwebt? Am Abend im Bett weiter plaudern über unser Aufwachsen und wie es war ein Kind zu sein.

Samstag, 31. August

Durch den Wald gehen. Endlich wieder. Ein großes Aufatmen. Durchatmen. Das trockene Laub raschelt unter meinen Füßen. Lichtflecken am Boden. Altvertraute, pflanzliche Waldbewohnerinnen säumen den Weg. Die durch die Bäume fallende Morgensonne. Leuchtgrün, Strahlegrün, Blitzgrün. Ein lange vermisster Geruchs-Cocktail. Das könnte ich mir öfters gönnen, denke ich. Ich komme wieder. Versprochen. Bald. Sehr bald.

4 Kommentare

  1. Wirklich magisch…und uns in eine andere Welt einsaugend ist diese Prunkwindenblüte, einfach göttlich diese Farben!!
    Mhmm.. ich liiiebe Milchreis:-b!!
    Das ist ein richtiger Seelenbalsam, find ich:-).
    Hey, ich hab grad auch dein voriges Tag/Nachtbuch gelesen, und da fällt mir ein, dass eine Milchreis-Weingartenpfirsichmus-Kombi auch köstlich sein muss:-))!

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