Konzentrierter Sommer

Romys Nacht- und Tag-Buch 81

„Das ist jetzt der Höhepunkt“, wie oft habe ich das gedacht und dann ist es einfach weiter gegangen. Dieser endlose Sommer mit den vielen Hitzetagen fordert mich heraus. Er lehrt mich den sorgsamen Umgang mit meinen Kräften.

Sonntag, 18. August

Ein Spaziergang durch den heißen Nachmittag mit botanisch interessierten Menschen und fachkundiger Führung. Auf dem Waldweg begegnen wir einer winzigen Blindschleiche, die uns im Sonnenlicht silbern entgegen leuchtet. Wir erfahren, dass das Blinde im Namen dieses Tieres nichts mit der Sehkraft, sondern mit dem Wort blenden zu tun hat. Ich liebe diese Mischung von erleben und erfahren, spazieren, sehen, erklären und im Gehen diskutieren und plaudern. Wir passieren frühzeitig abgemähte Schmetterlingswiesen im blassgelb dürren Sommerschlaf und neue aufblühende Goldrutenhabitate mit bunten Flatterfreunden.

Montag, 19. August

Kein Abkühlen in der Nacht. Schon zum Frühstück Melone essen. Diese rotfruchtige Kugel erweist sich als ideale Hitzebegleiterin. Sie bringt Saftiges in diese sonnendürren Tage und eine feine Süße, die kühlenden Trost bringt. Beim Aufschneiden überrascht sie mich mit feinen Herzchen-Zeichnungen auf der Oberfläche.
Am Abend dann, das lang erwartete Gewitter. Prasselnder Regen und leises Tröpfeln wechseln sich ab, wie wenn oben im Himmel, jemand einen Schalter auf und zudrehen würde. Von der Ferne sanftes Grollen und hinter den schwarz aufragenden Bäumen flammende Blitze wie ein Dauerfeuerwerk.

Dienstag, 20. August

Ein Schreibabend in meiner Wohnwerkstatt vor dem Laptop. Diese Online-Treffen sind ein feines Vermächtnis, ein Überbleibsel aus der Zeit der Pandemie, das ich zu schätzen gelernt habe.
Als Erstes bekommen wir von der Leiterin des Abends einen Schreibimpuls zum Thema Gedächtnis. Im anschließenden Gespräch kommt die Frage nach äußeren und inneren Wahrheiten auf. Das Schreiben bewirkt ein Verstehen über alle Unterschiede hinweg. Wir kommen aus unterschiedlichen Richtungen, Science Fiction, Sachbuch, Autobiografisches und Fiktives. Trotzdem ist eine gemeinsame Basis da und ein feines respektvolles aufeinander Eingehen.

Mittwoch, 21. August

Was ist die Essenz, der Kern der Sache, die Hauptaussage und wie kann ich das kurz und bündig auf den Punkt bringen. Gestern habe ich mein Schreibprojekt mehr aus der Ferne betrachtet und mich mit dem Wer-was-wie beschäftigt. Ich habe an einem Exposé herumgebastelt. Auf diese Weise eröffnen sich mir neue Zugänge. Die Stunden verfliegen im Nu, bis ich merke, dass ich ziemlich ausgepowert bin. Brot backen und drei Aufstriche fabrizieren. Nach dem vielen Denken tut es mir gut, etwas mit den Händen zu tun und ich brauche eine Stärkung. Spontan lade ich meine Nachbarn zu einer kleinen Jause ein und es wird ein sehr gemütlicher Abend.

Donnerstag, 22. August

Schatten an der Wand und ein voller Mond. Ich kann nicht schlafen. Im Garten rumort der Igel. Aus der Ferne Motorradheulen. Diese Sommernächte wollen durchlebt und genossen werden. Ich möchte lieber schlafen. Liege unter dem Mückennetz im Terrassenbett und schiebe die Gedanken hin und her, bin müde und doch aufgewühlt. Vielleicht habe ich tagsüber zu lange am Laptop gesessen. Mir fehlt die regelmäßige Bewegung. Die Hitze macht mich träge. Wenn ich mich bewege, bin ich ausgeglichener und der Schlaf lässt mich nicht so lange auf sich warten.

Freitag, 23. August

Jeden Tag wartet im Vorgarten eine reiche Ernte auf mich. Die Weingartenpfirsiche lassen sich im Moment ihrer vollendeten Reife fallen, in der Früh sammle ich sie ein, und fülle eine große Schüssel damit. Ich mache Mus, Kompott, friere Fruchthälften ein und freue mich darauf, auch im Winter von diesem Sommersegen zu genießen. Ab und zu beiße ich in eine dieser gelben, süss-saftigen Früchte oder ich bereite mir aus dem eingefrorenen Fruchtmus ein Eis oder ein Frappe zu. Gestern probierte ich etwas Neues aus, das pürierte Fruchtmus wird im Backrohr in dünnen Schichten getrocknet. Fruchtleder nennt sich das und das Hineinbeißen fühlt sich im ersten Moment Gummibärchen-ähnlich an. Dann folgt aber etwas gänzlich Anderes … das würzige Konzentrat vom Weinbergpfirsich verursacht im Mund beim Kauen ein Geschmackserlebnis der besonderen Art.

Samstag, 24. August

Der Paravent aus Rohbaumwolle flattert im Wind. Ich liebe es, mit meinen Augen den sich darauf abzeichnenden bewegten Schatten zu folgen und zu sinnieren. Sie erinnern mich an meine Kleinkinderzeit. Nach dem Mittagessen mussten wir immer einen Mittagsschlaf machen. Wenn ich in meinem Bettchen lag und nicht einschlafen konnte, beobachtete ich die sich langsam verändernden Baumschatten an der Wand, ließ sie zu Zwergen, Königen oder Hexen werden und erfand Geschichten dazu.

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