Eilige Träume

Romys Nacht- und Tag-Buch 80

Tagsüber spinne ich in Gedanken an den Kindheitsgeschichten weiter, schreibe oder lese in schattierten Räumen. Möglichst wenig bewegen ist meine Devise an diesen superheißen Augusttagen.

Sonntag, 11. August

Orange, das Erste, was ich beim Öffnen meiner Augen sehe, ist orange. Der Himmel lässt sich jeden Tag eine neue Farbe einfallen, um den Morgen zu begrüßen. In der Zeit zwischen der Nacht und dem Tag sind die Farben besonders intensiv. Später werden sie sanfter, aus Orange wird Rosa und gerade jetzt ist es ein zartes, ein wenig fades weißliches Blau geworden. Das Schönste am Schlafen draußen im sommerlichen Terrassenbett ist das Aufwachen am Morgen. Das Atmen in die frische, noch kühle Luft hinein und die Vogellaute an meinem Ohr.

Montag, 12. August

In der Früh öffne ich Fenster und Türen zum Lüften. Dann lasse ich die Rollos herab, damit das Häuschen kühl bleibt. Draußen im Vorgarten schaue ich nach den Weinbergpfirsichen. Gestern habe ich die ersten gekostet. Eine aromatische Weichheit mit einer sanft pelzigen Umhüllung. Die Latte, welche ich zur Unterstützung der schweren Äste untergeschoben habe, beginnt sich unter der Last zu biegen. Im hinteren Garten gibt es nur noch ein paar wenige Pflaumen und schon geht es vorne los mit der nächsten großen Ernte. Dieser Sommer meint es gut mit mir.

Dienstag, 13. August

Afrikatage auf der Donauinsel. Ich treffe mich mit einer Schreibkollegin. Vom Handelskai her in der siedend heißen Nachmittagshitze über die Brücke pilgern. Dann im Schatten sitzen, mit Blick auf die Donau. Erzählen und fachsimpeln. Ein kühles rotes Bier trinken. Das erste Konzert des Tages. Ein wenig versuche ich zu tanzen, bald wird es mir zu heiß und ich setze mich zu den Kindern auf die Holzbank. Später ein Couscous mit Gemüse weiterplaudern und ein rot leuchtender Sonnenuntergang. Beim Zurückgehen über die Brücke, farbige Lichter über der Donau. Noch immer ist es heiß.

Donauinsel

Mittwoch, 14. August

Meine drei neuen Goldfische werden langsam zutraulicher. In der Früh, wenn sie mich hören, warten sie schon auf der vorderen Seite des kleinen Teiches. Ich streue ein wenig Fischfutter ins Wasser. Der weiß-golden Gefleckte ist der Vorwitzigste. Schnell ist er an der Wasseroberfläche und beißt in die getrockneten Futterstückchen hinein. Aber sofort sind auch die zwei anderen zur Stelle und ein Herumkurven und Schmausen beginnt.
Am Nachmittag sitzt jetzt immer der winzige Frosch auf der Platte des Solarbrunnens. Dort ist es kühl, feucht und sonnig zugleich. Vielleicht ist das sein kleines Paradies.

Donnerstag, 15. August

In der Nacht Donnergrollen aus der Ferne und gleißendes Flimmern. Doch das Gewitter zieht vorbei und mit ihm die lang ersehnte Abkühlung. Tagsüber habe ich die Materialien mit den Kindheitsgeschichten gesichtet, geordnet und teilweise überarbeitet. Es fällt mit leicht, mich bei der Hitze des Tages zurückzuziehen in die einigermaßen kühle Wohnwerkstatt und mich dort dem stundenlangen Tun hinzugeben. Sobald ich nur ein wenig im Haushalt herumwerkle, läuft der Schweiß aus allen Poren. Die Geschichten des Tages begleiten mich in die Nacht hinein und breiten sich dort aus. Weiterweben im Unbewussten und skurrile Träume, die sich beim Aufwachen eilig ins Vergessen zurückziehen.

Freitag, 16. August

Ich bin in Moskau. Vom Wind in Schräglage geraten, treiben zart flauschige Schneeflocken an mir vorbei. Ein paar Seiten weiter im südamerikanischen Urwald werde ich wieder an die glutheiße Hitze draußen vor dem schattierten Fenster erinnert. Mit Sumerki einem Roman von Dmitry Glukhovsky begebe ich mich auf ein Karussell der Realitäten. Ich genieße es, mit einem spannenden Buch im Bett zu liegen. Sogar in meinem abgedunkelten Schlafzimmer hat sich der Holzboden schon mit der Sommerwärme aufgeladen. Umso besser, wenn ich dann in meinen Gedanken ab und zu durch die winterlichen Straßen in Moskau schlendern kann.

Samstag, 17. August

Im Frühjahr hat der Fruchtknoten einer roten Tulpe im Vorgarten fast gar nicht mehr aufhören wollen mit dem Wachsen. Im Sommer hat er sich geöffnet und jetzt zeigen sich die Samenanlagen. Sie sind geschützt, mit feinen Härchen und berührend zart umhüllt. Rund sechs Jahre dauert es, bis sich aus einem Tulpensamen eine Zwiebel entwickelt, die eine Blüte bildet. Eine lange Zeit und kaum jemand hat die Geduld, sich auf einen so langen Prozess einzulassen. Aber wer weiß, vielleicht hat sie sich mit den andersfarbigen Tulpen in meinem Garten gekreuzt und es entsteht eine neue Sorte aus meinen Samen.
Manche Prozesse dauern und fordern viel Geduld. Mit Eile ist in so einem Fall wenig zu erreichen. Der getrocknete Fruchtstand der Tulpe steht als kleine Kostbarkeit auf meinem Fensterbankerl und erinnert mich daran, mir Zeit zu nehmen und Zeit zu lassen.

8 Kommentare

  1. Ich versinke gerade in das Foto vom Samenstand der Tulpe. Diese zarten Härchen und die wunderschöne Form! Ein Wunder. Du hast das Licht so gut eingefangen. Das wusste ich nicht, dass es sechs Jahre braucht, bis eine Zwiebel heranwächst. Good luck!

    1. Winzige Zwiebelchen beginnen schon im ersten Jahr zu wachsen. Aber es dauert sechs Jahre bis sie in der Lage sind die ersten Blüten hervorzubringen. Irgendwie hätte ich schon Lust mich an dieses Experiment zu wagen …

  2. Mir geht’s ganz genauso wie Kerstin!.. Meine Worte wären fast identisch mit ihren!!:-)
    Was für ein Wunder.. und wie wunderbar eingefangen..
    Danke für wieder einmal was neu Dazugelerntes!!
    Ich freue mich sehr, dass die Fischlein sich so wohl bei dir fühlen, und die kleine Teichgemeinschaft mit Fröschlein.. einfach entzückend!
    Vor wenigen Tagen war ich am Teich ums Eck schwimmen.. dabei musste ich im Gras und auf dem Treppelweg rundum ganz vorsichtig sein.. hunderte… oder wahrscheinlich tausende winzige braune Fröschlein waren auf ihrem hopsenden Weg vom Ufer rauf in die Böschung.. lauter kleine Wunder..:-).

    1. Ja deine kleinen goldigen Fische machen mir viel Freude liebe Sabine. Im kleinen Teich ist immer etwas los. Am Abend setze ich mich manchmal in meinen roten Gartenstuhl und betrachte das Geschehen.

  3. .. und übrigens.. danke.. fürs sichtbar.. und bewusster machen der erforderlichen Geduld in manchen Prozessen.. dieses Bild kann ich gut nehmen und werde ich versuchen mir einzuprägen 🙌🏼..es kann mir gut helfen😇

    1. Teilweise war es mir eine wenig zu langatmig, dann wieder hat es mich gepackt und ich habe es genossen, gedanklich durch Moskau zu schlendern oder südamerikanische Abenteuer zu erleben …

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