Romys Nacht- und Tag-Buch 75
Zum Glück kühlt es in den Nächten ein wenig ab. Ein Aufatmen für Körper und Geist. Für Aktivitäten nutze ich hauptsächlich die frühen Morgen- und die Abendstunden oder ich suche mir Schattenorte aus.
Sonntag, 7. Juli
Bei meinen abendlichen Radrunden packe ich die Sagosche aufs Rad und nehme etwas Kleingeld mit. Bei dieser Gelegenheit besorge ich mir vom Straßenrand bei den örtlichen Bauern und Kleingärtnerinnen gerne frische Kräuter, Gemüse und Obst. Es ist eine Möglichkeit, die für beide Seiten gewinnbringend ist. Sie bekommen einen guten Preis für ihr Angebot und ich bekomme Frisches, Saisonales, hier Gewachsenes und das, meist günstiger als im Supermarkt. Gestern wartete etwas besonders Schönes auf mich. Ein Strauß, der das üppige Gartenglück eines prächtigen Sommers auf meinem Terrassen-Tisch erstrahlen lässt.
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Montag, 8. Juli
Den Laufenten zuschauen. Dem Muster ihrer Bewegungen. Eine Gruppe von Tieren, die durch ihre beinahe synchronen Bewegungen den Eindruck einer tiefen Verbundenheit erwecken. Ihre im Abendlicht leuchtend orangen Füße, tapsen in eigenartigen Tanzbewegungen über den Asphalt. Mit einem fast singenden, leicht aufgeregten Schnattern begleiten sie ihren Auftritt.
Die Milchkühe müssen von der Weide zurück in den Stall. Ich stehe am Wegrand, plaudere mit der Bäuerin und gemeinsam beobachten wir die Enten.
Dienstag, 9. Juli
Mit dem Schreiben reisen. Zurück nach Südchina in den heißen Sommer 2019. Ein Familienurlaub der besonderen Art. Wir wohnen in der 43. Etage eines Wohnturmes in einer Megacity. Aus der Erinnerung entsteht eine Geschichte. Sie wächst auf dem Papier. Führt mich zurück in einen Park. Ich sitze auf der steinernen Bank unter dem großmächtigen Feigenbaum. Lausche dem Spiel einer Flöte. Dann lasse ich meinen Blick schweifen und bin wieder in meinem Garten. Die Morgensonne zaubert Blumenschatten aufs Papier.
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Mittwoch, 10. Juli
Nach dem Krafttraining gehe ich dem Kaiserwasser entlang zum Gänsehäufel. Unter den Bäumen im Schatten und draußen im Wasser wimmelt es. Die Mittagssonne brennt heiß auf den Asphalt. Die Strecke zieht sich und ich giere nach jedem kleinen Schattenfleck. Überhitzt, müde, schweißgebadet und mit glühend roten Wangen komme ich im Strandbad an. Jetzt noch die Uli suchen. Ich sehe sie schon von weitem in ihrem blauen Sommerkleid. Als Erstes hinein ins Nasse und Kühle. Kopf untertauchen und mich auf dem Rücken dahintreiben lassen. Dann im Baumschatten liegen. Über mir die flirrende Sonne in den Pappelblättern.
Donnerstag, 11. Juli
In der Sommerhitze verändert sich der Strauß auf der Terrasse rasant. Die Farben werden sanfter und rücken einander näher. Unter den abgefallenen Blüten vom Sommerrittersporn entwickeln sich länglich runde Samenkapseln. Die Zinnien räkeln sich und rollen ihre Kronblätter ein. In ihrer Mitte geschieht eine geheimnisvolle Verwandlung. Hier entwickelt sich das Versprechen, dass es auch im nächsten Jahr wieder so prächtige Sträuße geben wird. Erst war ich ein wenig betrübt zu sehen, wie schnell alles dahinwelkt. Doch im genauen Hinsehen öffnen sich neue Seherlebnisse. Von Neuem entdecke ich das Schöne und Faszinierende in der Vergänglichkeit der Dinge.
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Freitag, 12. Juli
Hinter der Mauer vom Schlosshof höre ich ein Plaudern. Als ich um die Ecke spähe, sehe ich sie zu zweit auf der steinernen Bank sitzen. Sie laden mich in ihre Mitte ein. Heute geht es um den ersten gemeinsamen Lesetermin der Weinviertler Wortwerkstatt. Wir werden bei der Jubiläumsveranstaltung, dreißig Jahre Forum Schloss Wolkersdorf, Kurztexte präsentieren. Nach und nach trudeln die anderen ein. Wir schauen uns den Raum an und diskutieren Gestaltungsvorschläge. Dann Vorlesen am Tisch in der Schlosstaverne … Bedächtiges, Atmosphärisches, Gruseliges, Lustiges, Nachdenkliches, Spannendes und Witziges. Wir vertreten eine große Bandbreite von Schreibzugängen, sind bunt gemischt, auch altersmäßig. Seit dem Frühjahr treffen wir uns regelmäßig.
Samstag, 13. Juli
Tagsüber schattieren die Rollos den Raum. So bleibt die Temperatur in der Wohnwerkstatt einigermaßen erträglich. Ich drucke Fotos aus. An der Wand gestalte ich eine Art Landkarte mit dem Zeitkontext für mein Memoir-Schreibprojekt. Manche der Fotos bringen mich ins Staunen und Sinnieren. Sie katapultieren mich zurück in eine andere Zeit. Eines der Fotos sehe ich zum ersten Mal. Mich als kleines Kind inmitten von Erwachsenen, vor der Alphütte, auf einer Bank, unter großen aufgehängten Kuhglocken. Ich sitze auf dem Schoß meines Vaters und schaue ernst, eigensinnig und ziemlich selbstbewusst in die Kamera. Eine schwache Erinnerung tut sich auf. Ein Hauch nur und ganz zart.
So heiß ist es bei euch? Und du warst wieder mit Uli im Gänsehäufel. Wie schön! Ich sehne mich nach den Sommertagen in Obersdorf. Hier in Berlin immer wieder Starkregen und Gewitter. Ich war noch kein einziges Mal schwimmen in diesem Sommer. Du schreibst gar nichts von den frisch geschlüpften Kälbchen.
Danke fürs Mitnehmen in deine Woche, liebe Romy! Es ist ein schönes Ritual, jeden Samstag gleich nach dem Aufwachen dein Nacht-und-Tagbuch zu lesen.
Liebe Grüße
Kerstin
Liebe Kerstin,
du bist mit deinem Herzen wohl immer noch bei den Kücken, die partout nicht schlüpfen wollten …
Du hast mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert mit deinen schlüpfenden Kälbchen. Ich stelle mir ein großes Überraschungsei vor … und tataaa, das Kälbchen ist da 🙂
Ja, von den frisch geborenen Kälbchen habe ich dir zwar erzählt, aber nicht darüber geschrieben. Die Woche ist voll mit spannenden und interessanten, auch mit herzerwärmenden Momenten. Spontan wähle ich mir etwas davon aus und 99 Prozent bleibt unerwähnt.
Ich wünsche dir eine schöne Woche.
Liebe Grüße
Romy
Liebe Romy,
Ich kann deinen Sommer richtig spüren…hier im Norden Ost es leider immernoch wechselhaft. Dein Wolkersdorfer Lesetermin klingt spannend, gerne hätte ich euch zugehört.
Liebe Grüße,
Antje
Wechselhaft ist es hier auch, liebe Antje.
Immer wieder gibt es stürmische Sommergewitter. Trotzdem dominiert die Hitze.
Ja, das wäre fein, wenn du beim Lesen dabei wärst. Ein wenig aufgeregt bin ich schon.
Ich schicke dir ein paar ausgiebig heiße Sonnenstrahlen in den kühlen Norden.
Alles Liebe dir
Romy