Ostergaben

Osterkorb

Romys Nacht- und Tag-Buch 61

Ostern in der Steiermark … nicht das erste Mal. Es ist immer wieder der schönste Ort für mich, um dieses Fest mit seinen urtümlichen Ritualen und reichen Gaben würdig zu begehen. In den darauf folgenden Tagen geht es weiter mit den reichen Gaben. Endlich, nach langer Zeit, kann ich wieder weitere Strecken mit dem Rad fahren und neue Schreibideen öffnen mir die Tür zu überraschend auftauchenden, tief gefühlten Geschichten.

Sonntag, 31. März

Zur Feier des Tages wird das rot geblümte Tischtuch aufgelegt. Darauf kommen das frisch gesegnete Osterfleisch, Eier und Kren, das süße Osterbrot, Taboulé und Guacamole mit Tortillachips. Ich genieße das Zusammensein am vollen Tisch, das Lachen und Scherzen. Später dann, selbst gebrannten Schnaps aus Zwetschgen samt Kernen. Das abendliche Wetter beschert uns Windstille. Bänke und Stühle werden auf die hintere Wiese transportiert und das Osterfeuer entzündet. Was für ein Spektakel. Die Feuerzungen lodern in den Himmel. Wärme breitet sich aus. Sitzen und den Moment genießen.

Osterei

Montag, 1. April

Von meinem Bett aus sehe ich durchs große Fenster auf den Naturpool und den Wald. Im Wasser spiegelt sich ein schon schlanker gewordener Mond. Das Gastzimmer am Teich ist ein guter Ort für mich zum ausgiebigen Lesen und Schreiben. Schnell ist der April gekommen und ein wenig erschrecke ich über das schnelle Vergehen der Zeit. Draußen kräht der Hahn. Eine Amsel höre ich und dann das knarzende Geräusch einer Krähe. Ihr forderndes und ausdauerndes Rufen irritiert mein Ohr. Was will sie?

Mond über dem Wasser

Dienstag, 2. April

Um halb fünf weckt mich ein lautes und ausdauerndes Gebell aus dem nahen Wald. Ich denke, es ist ein Rehbock, der damit seine Rivalen fern hält. Bald beginnen auch die Schafe zu blöken. Seit gestern sind sie auf der Weide. Es war lustig ihren Luftsprüngen zuzuschauen, als sie nach der langen Winterzeit wieder zum ersten Mal auf der Wiese waren. Die jungen Schafe waren erst zögerlich. Ängstlich drängten sie sich im Stall zusammen. Erst als ein Muttertier zurückkam und sie abholte, trauten sie sich raus in ihr grünes Sommerparadies.

Weide

Mittwoch, 3. April

Der Zug, den ich in Graz für die Rückfahrt nach Hause besteige, würde direkt bis Berlin fahren. Ich genieße die angenehme Atmosphäre in diesem tschechischen Zug und nutze die Zeit zum Schreiben. In der Zeit zwischen zwei Schreibkursen schreiben wir kurze Geschichten zu einem zufällig auf einer Liste gewählten Schreibimpuls. Im ersten Moment habe ich oft keine Idee, was ich schreiben soll. Dann schreibe ich einfach zehn Minuten in einem schnellen Tempo drauflos. Meistens staune ich dann über die Geschichten, die mit dieser Methode aus dem Vergessen auftauchen. Ich schreibe über eine für mich traumatische Taschentuch-Kontrolle im Kindergarten, eine unverhoffte First Class Reise, Mutters geliebte weiße Wiesenmargeriten und über den Beginn einer Kinderfreundschaft.

Donnerstag, 4. April

Den steilen Weg den Stallberg hinauf durch die Großengersdorfer Kellergasse muss ich das Rad schieben. Noch fahre ich einzig mit meinem Muskelmotor und dieser Weg ist mir dann doch zu steil. Oben angekommen setze ich mich auf die Bank unter dem blühenden Kirschbaum. Die Sonne scheint mir warm ins Gesicht. Eifriges Bienensummen umgibt mich. Diesen Moment muss ich einfach mit einem Foto festhalten. Ich bin so glücklich, wieder Radfahren zu können. Zum ersten Mal nach langer Zeit bin ich wieder auf meiner klassischen Großengersdorfer Runde unterwegs. Ich gratuliere mir, meinem Knie und den tüchtigen Muskeln für diese Leistung.

Unterwegs mit dem Rad

Freitag, 5. April

Ich arbeite weiter an meinem hundert Bäume Projekt. Gestern habe ich an einer neuen Wand Platz für sie gemacht. Beim Aufhängen fällt mir zum ersten Mal auf, wie sehr die einzelnen Bilder zusammenhängen. Wie sich eines aus dem anderen entwickelt. Auch bei den Texten ist das so. In der Steiermark entstanden auf diese Weise beispielsweise kurze Meditationen über Zahlen. Über den Raum zwischen eins und zwei und über die natürliche, dem Baum innewohnende Dreieinigkeit. Es sind Fünf-Minuten-Texte, bei denen ich mich im automatischen Schreiben übe.

Samstag, 6. April

Von Blumen, Pflanzen und Naturerlebnissen ausgehende Geschichten. Der Frühling ermuntert und bringt mich ins Schreiben. Kurze Geschichten von Rosa und ihren Kindheitserlebnissen. Schon vor Jahren habe ich damit begonnen über sie zu schreiben und im Innersten haben mich diese Geschehnisse begleitet und nie ganz losgelassen. Es ist so ein Gefühl, als wenn Rosa mir beim Schreiben über die Schulter schauen würde, dabei leise und zufrieden vor sich hin lächelt. Tulpenstiel-Frühling habe ich die gestrige Geschichte genannt und ich spüre den Drang in mir weiterzuschreiben.

2 Kommentare

  1. Was für wunderbare Osterrituale du in der Steiermark erleben durftest! Du Glückspilz! Wunderschön!
    Ich freue mich so mit dir, dass das Radfahren schon wieder so gut klappt und du immer besser mit deinem Knie zurecht kommst. Dann steht bald dem Berlin-Abenteuer nichts mehr im Wege. 😃
    Liebe Grüße
    Kerstin

    1. Am liebsten wäre ich in dem Zug, der von Graz aus nach Berlin fährt, gleich sitzen geblieben.
      Ich freue mich schon sehr, auf die vier Wochen in Berlin. In mir gibt es eine wachsende Neugierde auf diese Stadt.
      Liebe Grüße
      Romy

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