Staunendes Experimentieren

Schwaz -weiß geflecktes Lamm

Romys Nacht- und Tag-Buch 59

Manchmal fühle mich ich wie die jungen Schafe auf der Wiese, die staunend und experimentierfreudig am Herumspringen und Ausprobieren sind. Schreiben, Zeichnen und Neues kreieren. Oft ist es herausfordernd und immer wieder erfüllend und überraschend neu. Warme Frühlingstage mit viel Leben, Farbe und Freude um mich herum.

Sonntag, 17. März

Im Online Schreibkurs bekommen wir die Aufgabe, Fotos mit Wörtern „zu schießen“. Ich sitze im Hintaus … meinem hinteren Garten und schreibe über den voll aufgeblühten Kriecherlstrauch, sein wolkig weißes Leuchten, das wie fein hin getupfter Schnee anmutet, über die Winterheckenzwiebeln, die Beet-begrenzende Reihe von kleinen, spitz zulaufenden, runden grasgrünen Lanzen, welche paarig am Boden zusammentreffen. Ich genieße das genaue Hinschauen, das „Wortfotografieren“ und Schreiben, das Sitzen in der warmen Sonne, den Blütengeruch und das Summen der Insekten um mich herum.

Blühender Kriecherlbaum

Montag, 18. März

Ich bin noch ganz erfüllt vom Schreibwochenende, vom intensiven Austauschen und Arbeiten an den vielfältigsten Themen. Gestern das schreibende Eintauchen in eine Situation aus meiner frühen Kindheit anhand einer Fotografie. Es war eine berührende Begegnung mit mir, als willensstarkes kleines Mädchen, mit einer überraschenden Weltsicht, klaren Gedanken und einer starken Präsenz. Ich habe die Wut dieses Kindes gespürt, die Wut über den Druck, in das starre Bild der Erwachsenenwelt hineinpassen zu müssen. Die Kraft der Rebellion nehme ich wahr an ihrem skeptischen Blick und der Art und Weise, wie sie dasteht. Sichtbar, das Unbehagen über das Einpacken in das schon zu kleine, dickstoffige Wintermäntelchen und die kratzigen, ein wenig schlackernden, selbstgestrickten Wollstrumpfhosen. Irgendwo tief in mir verborgen sitzt noch der Widerwille, eine lang vergessene Erinnerung an die ungeduldige Erwachsenenhand und das mühselige Hineinstecken dieser zu weiten, faltigen Strümpfe in die winzigen, dunkelbraunen Schuhe.

Dienstag, 19. März

Im Zaun, der rund ums Hühnergehege geht, hängt eine junge tote Amsel. Ein plötzlicher Schreck trifft mich, gefolgt von einem schlechten Gewissen, weil ich die durch Wind und Wetter verschwundenen warnenden Stoffstreifen nicht ersetzt habe. Vielleicht hätte das Flattern sie gewarnt. Das Federkleid ist noch flauschig. Gibt es jetzt schon frisch geschlüpfte Amseln oder ist das eine Junge vom vorigen Jahr? Ich ziehe mir die Gartenhandschuhe über und befreie sie vorsichtig. Meine Hände spüren durch den Stoff den kleinen, schon steifen Körper. Die Augen der toten Amsel sind zu Schlitzen geschlossen. Sie macht einen friedlichen Eindruck. Sachte lege ich sie auf den Asthaufen unter dem alten Zwetschgenbaum. Das scheint der richtige Platz für sie zu sein.

Mittwoch, 20. März

Gestern am frühen Abend ein Kontrolltermin beim Orthopäden. Das Knacken im Knie ist weniger geworden und auch der Schmerz lässt nach. Der Orthopäde ist zufrieden und ich auch.
Später dann, ein Frauenabend beim Heurigen. Wir sitzen zu viert an einem Tisch mit Eckbank, in der Mitte des Lokals. Beim Plaudern geht es um dies und das. Aber am meisten reden wir übers Wachsen in unseren Gärten und anderswo, über die beeindruckenden Kunststücke der Pflanzenwelt. Zwei der Frauen sind Bäuerinnen und sie wissen viel Interessantes zu erzählen. Wir schmausen, genießen den köstlichen Wein und unterhalten uns angeregt.

Donnerstag, 21. März

Ein Großeinkauf für mein Geburtstagsfest am Sonntag, dann die Sessel von Dachboden hinunter räumen, eine liebe Freundin hilft mir dabei. Ich überlege, wie und ich die Tische anordnen und das Buffet einrichten werde. Wahrscheinlich wird es am Sonntag regnen. Dann muss der Raum gut und sinnvoll eingerichtet sein. Gerne hätte ich noch mehr Menschen zum Fest eingeladen. Aber das Wetter setzt mir Schranken. Wahrscheinlich wird das Fest vor allem im Haus und auf der gedeckten Terrasse stattfinden. Ich freue mich schon sehr darauf.
Nach dem Arbeiten ein gemeinsames Mittagessen im Garten. Die Sonne hat eine behagliche Temperatur und um uns blüht und grünt es um die Wette.

Taubenhyazinthen

Freitag, 22. März

Können Bäume erröten? Mein gestriger Baum des Tages hat es getan. Er fliegt beinahe davon, wie ein Luftballon. Rot ist er, mit weißen Flecken, wie ein Fliegenpilz. Inspiriert wohl von Kindheitsbildern, Kindheitsträumen. Diese tauchen regelmäßig auf, wenn ich am Kreieren der Bäume für mein 100 Bäume-Projekt bin. Mit dem Baum tauche ich tief in meine Geschichte ein und noch viel tiefer in die Geschichte der Menschheit. Oft verstehe ich nicht, was das soll, warum ich jetzt gerade so einen Baum mache. Dann lasse ich es einfach geschehen und schaue dem Baum beim Wachsen zu.

Baum des Tages

Samstag, 23. März

Auf der Wiese beim Gemeinschaftsgarten beobachte ich die Schafe. Heuer haben sie viele Lämmer geworfen. Einige davon sind schwarz, die anderen schwarz-weiß gefleckt und ganz hinten habe ich ein Weißes entdeckt. Für mich ist es ein besonderes Vergnügen, diesen kleinen zotteligen Wesen zuzuschauen. Nach und nach erweitern sie ihr Territorium und müssen nicht mehr ständig in der Nähe des Muttertiers sein. Mit ihren langen, ein wenig staksigen Beinen sind sie experimentierfreudig unterwegs und erproben ihre Beweglichkeit. Auch ich bin bewegungshungrig nach der langen Zeit der Einschränkungen. Und ich nutze diese Frühlingstage für ausgiebige Spaziergänge.

10 Kommentare

  1. Oh, was für ein wunderbarer Text wieder mal, liebe Romy😊!
    Ich tauche gerne in deine Erzählbilder ein und bin total berührt.. und auch innerlich, seelisch angerührt von deinen Kindheitserinnerungen, die mich auch ziemlich punktgenau (be)treffen.. und deinen Bäumen..
    Ohhhh… du hast heute Geburtstag 😃?!?!!
    ALLLLES LIEBE UND GUTE!!!
    Liebe Grüße
    Sabine

    1. Liebe Romy,
      ich schließe mich den vielen Gratulantinnen an und wünsche dir zu deinem Geburtstag alles Gute, vor allem Gesundheit, Freude mit deinen vielen kreativen Arbeiten und viel Schaffenskraft.
      Herzliche Grüße
      Johanna

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