Gelb, grün und hyazinthenblau

Blaue Hyazinthe

Romys Nacht- und Tag-Buch 58

Mein Alltag ist bunt. Auch in meinem Vorgarten kehren nach und nach die Farben zurück. Sie lassen mich innehalten und jede einzelne der neu aufgegangenen Blüten bewundern. Mit ihrer frischen Pracht und den vielfältigen Formen ziehen sie mich in ihren Bann.

Sonntag, 10. März

Der Wind saust mir um die Ohren und ich bin froh, mich warm eingepackt zu haben. Schon vor ein paar Tagen habe ich von weitem die Lücke gesehen, welche die große Weide am Bach hinterlassen hat. Das möchte ich mir heute näher ansehen.
Die am Boden liegenden Stämme strahlen noch etwas von der ursprünglichen beeindruckenden und mächtigen Größe dieses Baumes aus. Hier am Bach habe ich, als meine Enkelinnen noch klein waren, viele Stunden verbracht. An der Weide war ein langes, dickes Seil befestigt. Damit konnte sich, wer mutig und geschickt war über den Bach schwingen. Öfters, besonders zu Beginn, endete dieses Abenteuer für meine kleinen Enkelinnen mit einem Bad im Bach und mit nassen matschigen Kleidern.

Weide

Montag, 11. März

Es ist immer wieder erstaunlich zu erleben, mit welcher Dynamik Geschichten entstehen und geschrieben sein wollen. Heute bin ich zeitig aufgewacht und habe die frühe Morgenstunde dazu genutzt, Kurzgeschichten meiner Schreibkolleg:innen zu lesen. Ich lasse sie auf mich wirken, denke darüber nach und schreibe ein Feedback für sie. Hier bin ich gefordert, besonders genau zu lesen und mich auf die Feinheiten der Erzählstimme einzulassen. Wenn ich mich auf die Qualitäten eines Textes konzentriere, versuche sie zu ergründen, tun sich mir ganz neue Seiten des Lesens und des Schreibens auf.

Dienstag,12. März

Mein Backrohr steht auf der Terrasse. Ich liebe es hier draußen meine Backkünste auszuprobieren und zu experimentieren. Heute sind es Muffins, deren Hauptzutat rote Beten sind. Sie sind für das Saftige und Leichte zuständig. Die Geschmacksträger sind Zartbitterschokolade, geröstete Haselnüsse und Zimt. Ein feiner, köstlicher Duft steigt mir in die Nase. Ich kann nicht widerstehen und beiße in einen der frisch gebackenen Muffins hinein. Eine warme, schokoladige, saftige und außen leicht knusprige Köstlichkeit füllt meinen Mund. „Saftige Rote Bete-Schoko-Brownies“ nennt sich diese Spezialität. Das Buchweizenmehl, die Haselnüsse und der Zimt runden den Geschmack ab.

Rote Bete Brownies

Mittwoch, 13. März

Das tägliche Gestalten der Bäume für mein hundert Bäume Projekt bringt Erstaunliches zum Vorschein. Beim Kreieren bin ich oft ziemlich überrascht, über die Baumwesen, die gerade Gestalt annehmen. Es verblüfft mich immer wieder, wie wenig Ähnlichkeit das Entstehende optisch mit den Bäumen meiner Umgebung hat. Fantastische Figuren in bunten Farben entstehen auf dem Papier und nehmen selbstbewusst ihren Platz ein. Oft mag ich sie im ersten Moment nicht, finde sie hässlich oder unnatürlich. Da gibt es Bäume, die hüpfen, bananenähnliche Blätter haben oder eine grüne blütenähnliche Krone. Mit dem Schreiben des Textes, kommt ein erstes Annähern, manchmal sogar ein Anfreunden zustande. Ab und zu bringen sie mich zum Lächeln oder sie berühren etwas Neues in mir.

Donnerstag, 14. März

Mein zweiundzwanzigster Baum ist blau. Blau wie die Hyazinthe in meinem Vorgarten. Beim schnellen Vorbeigehen bleibt mein Auge an ihr hängen. Keiner anderen Farbe gelingt es, mich so sehr zu ihr hinzuziehen. Im Text, den ich zum Baum schreibe, geht es um Sehnsucht und Traum. Ich erinnere mich daran, wie diese Hyazinthe zu mir in meinen Vorgarten gekommen ist. Vor fünf Jahren, als ich den Vorgarten angelegt habe, war ich noch als Lehrerin in der Berufsschule tätig. Im Kühlraum lagerten kistenweise Hyazinthen in allen Farben. Die Schüler:innen haben in akribischer Feinarbeit jede einzelne Hyazinthenblüte mit einem feinen Draht versehen und daraus halbkugelförmige, zart duftende Brautsträuße gestaltet. Die abgeernteten Hyazinthen sind auf den Kompost gekommen und diese eine, wunderschön blaue, hat ihren Weg zu mir in den Vorgarten genommen.

Freitag,15. März

Mein heiliges Knie … Wenn ich in der Nacht auf dem Rücken liegend aufwache und mich auf die Seite drehe, meldet es sich mit einem lauten und schmerzhaften Knacks. Auch tagsüber wird das schmerzhafte Knacken mehr. Meine Gedanken kommen ins Strudeln und drehen sich im Kopf herum. Was, wenn das jetzt wieder ständig schlimmer wird, so wie vor der OP? Mit wütenden Buntstift-Strichen beginne ich den nächsten Baum zu skizzieren. Gelb, orange und rot entwickelt er sich kreisförmig aus der oberen Mitte des Blattes. Ein wilder Strahl geht nach oben und ein zweiter, stärkerer nach unten. Was soll das sein? Der Baum erinnert mich an eine Monstranz aus deren Mitte das Kostbarste leuchtet. Oder wer weiß, vielleicht ist es ein Porträt von meinem heiligen Knie.

Samstag, 16. März

Kürzlich waren bei meinem Futterhaus zwei Eichelhäher zu Besuch. Einer davon hat es geschafft, sich von außen auf die kleine Stange zu setzen, seinen Kopf ins Häuschen zu zwängen, um mit seinem Schnabel ans Futter zu kommen. Der Zweite begnügte sich mit den herab gefallenen Resten am Boden. Es hat halt nicht nur Vorteile so groß und prächtig wie ein Eichelhäher zu sein. Ich sitze in der Küche beim Frühstücken. Heute sind die kleinen Vögel zu Besuch. Spatzen und Meisen futtern um die Wette. Glücklich zwitschernd und mit fettem Bauch hüpfen sie auf dem gelb strahlenden Forsythien-Strauch herum.

2 Kommentare

  1. Die Bäume sind fantastisch – und auch das Rezept klingt wunderbar. Bei roten Rüben gibt es bei mir jedoch meist ein Massaker – vielleicht sollte ich Karotten oder Zucchini verwenden. Wann sehen wir den wütenden Baum des Heiligen Knies?

    1. Die roten Rüben geben den Muffins eine interessante rötliche Farbe. Du hast wohl ein wenig Angst vor den roten Händen und der rot gespritzten Umgebung. Das lässt sich im Nu wieder in Ordnung bringen. Und im schlimmsten Fall hilft Zitronensaft. Der wütende Baum des Heiligen Knies ist fast ein wenig „zu heilig“, um ihn hier zu zeigen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert