Das versteckte Glück

Weisstannenästchen

Romys Nacht- und Tag-Buch 44

Manchmal ist das Glück gut getarnt. Es versteckt sich hinter den alltäglichen Herausforderungen. Es braucht guten Mut und Vertrauen, sich dem Lebensfluss anzuvertrauen. Das Schreiben des Nacht- und Tag-Buches hilft mir dabei, dieses versteckte Glück ans Tageslicht zu bringen.

Sonntag, 3. Dezember

Erster Adventsonntag, eine erste Kerze und ein Feuer im Herd. Draußen liegen Berge von Schnee. So viel Schnee habe ich hier im Weinviertel noch nicht erlebt. Die Vögel am Futterhaus sind gestern ausgeblieben. Wo sie wohl stecken und vor allem wie geht es ihnen? Auch die Hühner wagen kaum einen Schritt aus dem Hühnerhaus. Eine weiche Weiße umhüllt alles. Der junge Weinberg-Pfirsich vor der Terrasse hat es wohl verabsäumt, seine Blätter rechtzeitig loszulassen. Die zarten Äste beugen sich unter der schweren Schneelast zur Erde. Aber ich denke, sie sind beweglich. Sie werden sich spätestens bis zum Frühjahr wieder aufgerichtet haben.

1. Adventsonntag Kerzen und Reisig
Erster Adventsonntag

Montag, 4. Dezember

Die Gehwege sind eisig. Also hole ich mir vom Dachboden die Bergschuhe mit dem guten Profil. Gemeinsam mit Tochter und Enkelin gehe ich zum Adventmarkt in der Kellergasse. Der viele Schnee zaubert eine vorweihnachtliche Stimmung. Der Markt ist gut besucht. Die Bläser:innen der Musikschule spielen Weihnachtslieder. Wir trinken Punsch und suchen Geschenke für unsere Lieben aus. Vor allem die Bienenprodukte haben es uns angetan; Honigpunsch, Met, Kerzen und spezielle Honigsorten. Dieser Markt ist immer auch eine gute Gelegenheit, um in die verschiedensten alten Weinkeller zu kommen. In diesen Röhren herrscht das ganze Jahr über eine gleichbleibende Temperatur. Draußen ist es kalt. Der glitschige Weg fordert mich heraus. Ich hake mich bei meiner Tochter ein. So fühle ich mich sicherer.

Adventmarkt in der Kellergasse
Winterlicher Kellergassen-Zauber

Dienstag, 5. Dezember

Mitten in der Nacht rumpelt es hinter der Türe zum Dachboden. Ich öffne sie schlaftrunken und lasse meine Augen über die Treppenstufen vor mir schweifen. In einer Ecke sehe ich etwas Kleines, Dunkles. Ich drücke auf den Lichtschalter und da sehe ich sie. Mit ihren schwarzen, runden Knopfaugen starrt sie mir entgegen. Eine niedliche kleine Maus. Sie hat sich an einer Walnuss gütlich getan. Das Rollen auf der Treppe hat dieses laute Geräusch erzeugt. In meinem Gedanken spreche ich zu ihr: „So meine liebe Maus, dein letztes Stündlein hat geschlagen. Draußen im Garten lasse ich euch in Ruhe, aber hier im Haus, das geht überhaupt nicht“. Vorsichtig schließe ich die Tür. Heute werde ich am Dachboden Mausefallen aufstellen.

Mittwoch, 6. Dezember

Gestern haben wir gefeiert. Nein, nicht den Krampus-Tag. Wir haben mein neu operiertes und gut funktionierendes Knie gefeiert. Ein wenig dauert es noch bis dahin. Aber es fühlt sich gut an, sich jetzt schon darauf zu freuen. Aber vielleicht erzähle ich besser von vorne. Eine liebe Freundin hat mich gestern mit ihrem Auto zum Orthopäden gefahren. Das im Januar operierte Knie mit dem neuen Kniegelenk macht mir schon seit längerer Zeit Schwierigkeiten. Die Untersuchung hat ergeben, dass es Probleme mit einem Narbenstrang und der Kniescheibe gibt. Das kann operativ behandelt werden. Ich bin sehr erleichtert, weil ich jetzt die Aussicht auf ein schmerz- und beschwerdefreies Knie habe. Das haben wir beim Heurigen bei einem guten Roten und köstlichen überbackenen Broten gewürdigt.

Donnerstag, 7. Dezember

Vom Küchenfenster aus beobachte ich den jungen Weinberg-Pfirsich. Nachdem es so stark geschneit hatte, war er vollständig vom vielen Schnee auf die Erde gedrückt worden. Ich überlegte mir, ob ich ihn befreien soll. Dann dachte ich, dass er bei der strengen Kälte unter dem Schnee besser geschützt wäre und ließ der Natur ihren Lauf. Jetzt staune ich, wie schnell er sich komplett aufgerichtet hat. Auch seine Blätter, die schon in einem desolaten Zustand waren, haben sich wieder gestreckt. Wenn es am Nachmittag sonnig und warm ist, richten sie sich keck in die Höhe. Wenn die Temperaturen fallen und es wieder frostig wird, senken sie sich. Ich frage mich, ob die Blätter an sonnigen Tagen noch immer in der Lage sind Fotosynthese zu betreiben. Die Kraft dieses kleinen Bäumchens imponiert mir und ich staune über seine Anpassungsfähigkeit.

Weinbergpfirsich im Winter
Sobald wieder ein wenig Wärme da ist, beginnen sich die Blätter wieder aufzurichten

Freitag, 8. Dezember

„Nein, ich bin es, Dolores“. Die Stimmen meiner Schulfreundin und die ihrer Mutter klingen seltsam ähnlich. „Meine Mutter ist im August gestorben“. „Oh, das tut mir leid, das habe ich nicht gewusst“ … Wenn Dolores in der Schweiz ist, wohnt sie immer bei ihren Eltern. Jetzt leben also beide nicht mehr. Als Jugendliche war ich oft bei ihr zu Hause und ich kann mich noch gut an die köstlichen Zvieri ihrer Mutter erinnern. Ich bin am Planen meiner Schweizer-Reise. Dolores lebt in Kanada und ist bis Ende Dezember noch in der Schweiz. Übers Internet habe ich die Telefonnummer ihrer Mutter gesucht. Ich bin jetzt froh, Dolores erreicht zu haben. Am 26. Dezember werde ich sie besuchen und ich freue mich schon sehr darauf. Wir haben einander sicher viel zu erzählen.

Samstag, 9. Dezember

In den letzten Tagen fühlte ich mich öfters niedergeschlagen. Wo ist mein guter Mut geblieben? Den werde ich sicher brauchen für die nächste OP und für die Zeit der Rehabilitation. Aber ich hadere und versinke im Sumpf der Gedanken. Jetzt heißt es geduldig sein. Zuerst mal mit mir selber. Ich brauche doch noch ein wenig Zeit, um mich an den Gedanken an eine weitere Operation zu gewöhnen.
Das Schreiben des Jahresrückblicks hilft mir dabei, den Kopf wieder zurechtzurücken. Mein letztes Jahr war bis oben voll mit glücklichen Momenten. Und das trotz Knie-OP und Reha. Im Gegenteil … vielleicht sollte ich eher schreiben … wegen … Durch diese Herausforderungen haben sich neue Türen aufgetan. Das Glück liegt im Moment. Manchmal versteckt es sich halt ein wenig.

3 Kommentare

  1. Liebe Romy, ich bin wieder mal in deine Schilderungen eingetaucht.. habe mich reinsinken lassen..😌
    und mich an solche schneereichen Winter im Weinviertel zurückerinnert als ich ein Kind war. Wunderbar ist das.. dein Vogerl-Pfirsichbäumchen-Kellergassen-Bild, das vor mir auftaucht..✨
    Schade, dass dein Knie Probleme macht.., aber wie du sagst, gut, dass es auch gelöst werden kann.. Dafür wünsche ich dir alles Gute!🙌🏼
    Hmm.. und eine bevorstehende Schweiz-Reise…wie schön!
    Den guten Mut und das Vertrauen, sich dem Lebensfluss anzuvertrauen.. puh.. das ist grad auch ganz stark mein Thema.., ich strauchle heftig..😰.
    Das Glück im Moment, das sich „manchmal halt ein wenig versteckt „.. -dein Satz.. macht mir grad ein bissl Mut..
    Liebe Grüße
    Sabine

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert