Romys Nacht- und Tag-Buch 24
Gemeinsam mit einer Freundin fahre ich mit dem Zug nach München und besuche eine Kunstausstellung. Tagträume gibt es auch beim Schlafen und der Himmel bietet in dieser Woche einiges an Unterhaltung.
Sonntag, 16. Juli
Manchmal träume ich auch mitten am Tag. So zum Beispiel am Ende meines Mittagsschlafes, unmittelbar, bevor ich aufwache. Irgendjemand legt uns dringend ans Herz, einen Skilift zu kaufen. Nicht nur einen oder mehrere für ein Skigebiet, nein jeder und jede sollte sich einen Skilift kaufen. Das sei so etwas wie eine Menschenpflicht, deklamiert der Verkäufer. Er bittet, befiehlt, nein er bettelt geradezu. So, als ließe sich mit dem Kauf eines Skiliftes zumindest die ganze Welt retten.
Was für ein absurder Traum denke ich beim Aufwachen. Aber warum nicht! Vielleicht bringt so ein Skilift-Traum mitten im Hochsommer bei brütender Hitze wenigstens ein bisschen Abkühlung.
Montag, 17. Juli
Packen für die Reise. Auf der Wetterapp schauen, wie das Wetter wird. München maximal 30 Grad, also ein bisschen weniger heiß als hier. Eventuell könnte es sogar regnen. Darum packe ich meinen orangefarbenen Knirps ein. Das wird eine Premiere. Noch nie in meinem bisherigen Leben war ich mit Regenschirm im Gepäck unterwegs. Es ist das erste Mal, dass mir das praktisch und komfortabel erscheint. Wenn ich tagsüber bei zirka 30 Grad in der Stadt unterwegs bin, möchte ich keine Regenjacke anziehen. Der Knirps wartet schon seit Jahren in meiner Garderobe auf seinen Einsatz. Er ist das Geschenk einer Freundin aus dem Fundus ihres Vaters. Sie hat mich fast ein wenig genötigt, ihn zu nehmen. Was mich dann letztlich überzeugt hat, war seine Farbe. Falls es in München regnet, werde ich unter einem leuchtend orangen Dach durch die Straßen promenieren. Diese Vorstellung bringt mich zum Lächeln. Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt immerhin 70 Prozent. Auch wenn ich ihn nur nutzlos in meinem Rucksack durch die Gegend transportiere … mein Erfahrungshorizont wird sich, allein schon durch diese Vorstellung, wesentlich erweitert haben.
Dienstag, 18. Juli
Abendliches Himmels-Fernsehen. Ich sitze auf dem Balkon unseres Hotelzimmers in München und bewundere die schnell wechselnden Wolkenbilder. Meine Begleiterin trifft sich mit einer Freundin und ich habe mich entschlossen mir einen ruhigen Abend zu gönnen. Eigentlich wollte ich noch ein Spazierrunde machen, im gemütlichen Lokal gegenüber ein Bier trinken und eine Kleinigkeit essen. Blasmusikgeräusche haben mich dann ein wenig abgeschreckt. Im italienischen Supermarkt ums Eck bin ich hängen geblieben. Parmesan, vollreife Pfirsiche und Tomatentrauben, Tarelli und ein Münchner Weißbier haben mich umgestimmt für ein köstliches Picknick auf dem Balkon. Nach einem turbulenten Tag mit Reisen, Ankommen und vielen neuen Eindrücken ist das genau das Richtige.
Mittwoch, 19. Juli
„Flowers forever“ in der Münchner Kunsthalle. Eine eindrückliche Ausstellung, ein Augen- und Sinnen-Schmaus. Am besten gefällt mir die Installation von Rebecca Louise Law. Sie hat gemeinsam mit Helfer*innen über 100’000 gespendete und getrocknete Blumen auf Kupferdraht gefädelt und daraus einen begehbaren Blütenkelch gestaltet. Im Ausstellungsraum spannt er sich wie ein Schirm über den Besucher*innen auf. Es ist ein Vergnügen der besonderen Art, hier zu promenieren. Es berührt mich, die liebevoll aufgefädelten Blumen zu betrachten. Jede Blume verkörpert eine eigene Geschichte, die hier in einer neuen Form ihre Fortsetzung findet. Der fein-zarte Geruch der getrockneten Blumen bringt mich in eine plötzliche Leichtigkeit. Niemand, der hier wandelt, kann sich diesem Zauber entziehen. Ich sehe nur freudig gestimmte Menschen.
Donnerstag, 20. Juli
Mein Regenschirm hat in München vergeblich auf seinen Einsatz gewartet. Dafür habe ich gestern zu Hause einen schnellen und intensiven Regenguss genossen. Ja, genossen mit allen Sinnen. Das laute Prasseln, den Geruch, die feuchte Luft und die eilenden Ringe in den sich schnell bildenden Pfützen. In dieser heißen und trockenen Zeit wird jeder Regen zum freudigen Ereignis. Die Pflanzen strecken ihre ausgedorrten Glieder und wir Menschen freuen uns über die Abkühlung. Die kleine Jungfer im Grünen, die von meinem Vorgarten an den Straßenrand ausgesiedelt ist, hat unterdessen schon Samenkapseln gebildet. Und wer weiß, vielleicht entwickelt sich im nächsten Jahr ein kleines neues Gärtchen am Gehsteig-Rand.
Freitag, 21. Juli
So ein neues Kniegelenk bietet einiges an Herausforderung. Ich muss wieder lernen, meinem linken Bein mehr zuzutrauen. Im Laufe der Rekonvaleszenz habe ich ein wenig an Vertrauen verloren. Gestern habe ich beim Krafttraining länger mit einem Trainer gesprochen. Es geht darum, wie ich im hinteren Oberschenkel mehr Kraft entwickeln kann. Anschließend habe ich die von ihm empfohlenen Übungen gleich an den Geräten ausprobiert. Später am Nachmittag hat mir die Physiotherapeutin Übungen gezeigt, die ich auch zu Hause machen kann. Das Trainieren hat mir gutgetan und ich bin wieder zuversichtlich.
Samstag, 22. Juli
Abends sitze ich gerne auf meinem roten Stuhl vor dem Hühnerstall. In Gedanken lasse ich den Tag vorbeiziehen und schaue dabei den Hühnern zu. Ich liebe es, sie zu beobachten. Unterdessen sind meine Vier zu einem tollen Team zusammen gewachsen. Jedes Huhn ist einzigartig und es gibt eine ganz klare Hackordnung. Ginger ist die unangefochtene Chefin. Das hat sich in einem einzigen Kampf entschieden, bei dem sich Pavina, mein alteingesessenes Huhn schon nach ein paar Minuten, auf den Boden geduckt hat. Seitdem die zwei neuen Hühner in meinem Stall sind, geht es viel lebendiger zu. Beim Fressen zeigt sich die Hackordnung am stärksten. Trotzdem, versuchen alle, sich einen guten Bissen zu ergattern. Dabei wird viel gegackert und herumdiskutiert. Manchmal rennt ein Huhn mit einem besonders leckeren Bissen schnell weg und alle anderen folgen ihm nach. Der volle Teller mit dem köstlichen Fressen steht verlassen da. Dann merke ich, dass das Ganze auch ein Spiel ist, das den Hühnern einfach viel Spass macht.
Eine wundervolle Woche! Vielleicht brauchst du einen orangen Hühner-Skilift 🙂
Dein Knirps gefällt mir besonders gut, allein schon deshalb, weil er so schön leuchtet.
Er ist ganz besonders! Gegen Regen, Sonne, schlechte Laune, zur Verteidigung, als Waffe, als Baldachin, um zu küssen und geküsst zu werden …
Liebe Uli
am besten gefällt mir der orange Regenschirm als Baldachin, um zu küssen und geküsst zu werden.
Das wäre dann sozusagen ein ganzjähriger mobiler Mistel-Ersatz.
Bei Einsatz ohne Regen oder Sonne, würde meine Absicht sonnenklar …