Rainy Days – großzügige Wasserschätze

Hängender Regentropfen

Romys Nacht- und Tag-Buch 15

Unermüdliche Regentage, die Suche nach den Goldfischen und Unterwasserabenteuer im Hallenbad. Wasser scheint das Thema dieser Woche zu sein. Die landesübliche Vorstellung, wie so ein Mai zu sein hat, ist wohl eher eine andere … sonniger und viel wärmer. Doch nach der langen und schon bedrohlichen Trockenzeit haben wir alle gelernt, das nasse Element wieder mehr zu schätzen.

Sonntag, 14. Mai

Am 14. Mai haben meine Eltern geheiratet. Ich habe mir das immer märchenhaft schön vorgestellt. Es ist sozusagen, das beste Datum, um zu heiraten. Mai tönt einfach wunderbar. Der Mai ist der Monat mit dem wohlklingendsten Namen und den größten Versprechungen. In meinem Vorgarten wächst es üppig. Der Sommer steht in den Startlöchern. Am Granatapfelbaum bilden sich fein und zart die ersten Blütenknospen und der Weingartenpfirsich ist über und über voll mit kleinen hellgrünen Früchtchen. Ich sehe sie schon vor mir, die großen gelben Kugeln mit der samtenen Oberfläche, spüre sie in meiner Hand und rieche ihren einzigartigen Duft. Es dauert noch ein Weilchen bis dahin. Dazwischen liegt ein verheißungsvoller Sommer.

Montag, 15. Mai

Ein letztes Mal im Bett liegen, mit langer Lockenpracht und eingeklemmten Haaren. Heute werde ich mich von meinem langen Zopf befreien und mir einen Kurzhaarschnitt machen lassen. Ich bin schon sehr gespannt, wie es sein wird, nicht mehr hinter einem Schleier aus Haaren hervorzuschauen und der Welt so quasi „Diretissima“zu begegnen. Haare bieten auch einen Schutz, hinter ihnen bin ich irgendwie weniger sichtbar, so wie bei einer etwas unscharfe Fotografie, wo gewisse Details verschwinden. Ich habe es mir länger überlegt, ob ich es machen soll und in meiner Umgebung Männer und Frauen mit kurzen und mit langem Haar beobachtet. Eine Frau mit einem frechen Kurzhaarschnitt erzählte mir, wie sehr sie es liebt kurze Haare zu haben und eine Freundin empfahl mir eine gute Haarschneiderin. Heute um 10 Uhr ist es so weit.

Dienstag, 16. Mai

Vor dem Fenster ein trüber Himmel, kein Regen noch, und ab und zu rauscht ein Auto vorbei. Rainy days … in den letzten Tagen verteilte der Regen großzügig seinen Wasserschatz. Die Radieschen sind schon knackig groß und den Salaten sehe ich täglich beim Wachsen zu. Sie schmecken köstlich und bringen Farbe auf den Teller. Grün und Rot und dazwischen die leuchtenden Radieschen … was für ein Luxusleben. Im Rasen hinter dem Häuschen habe ich ein kleines Wiesen-Rondell stehen lassen. So kann ich den Löwenzahn weiter beobachten. Im Regen bietet er einen ungewohnten Anblick. Die Fallschirmchen mit den Samen sind klatschnass. Doch sie lassen sich nicht irritieren. Tapfer klammern sie sich fest, lassen das Wasser abperlen und warten auf günstigere Tage. Sobald sie wieder trocken sind, werden sie sich auf ihren Weg durch die Lüfte machen.

Löwenzahn im Regen
Den Löwenzahn im Regen betrachten

Mittwoch, 17. Mai

Jetzt ist der Nemo auch verschwunden. Das Wasser vom kleinen Teich ist durch den vielen Regen glasklar und trotzdem kann ich ihn nirgends entdecken. In den ersten zwei Jahren seines Teich-Lebens bei mir konnte ich ihn kaum wahrnehmen, weil er schwarz war. Dann eines Tages im Frühjahr war er plötzlich sichtbar. Seine Fischhaut hatte sich in ein wunderschön leuchtendes Orange verwandelt. Jetzt ist er also weg und es gibt keinen einzigen Goldfisch mehr in meinem Teich. Eigentlich könnten sie bis zu 30 Jahre alt werden, wenn nicht ein Goldfischfresser oder eine Goldfischfresserin dazwischen kommt. Meine zwei anderen Goldfische sind schon letzte Woche verschwunden. Die Sissi war orange-weiß gefleckt und sie hatte ein braunes und ein blaues Auge und die kleinste Goldfischin, Smilla ,war golden, mit einem kleinen weißen Fleck am Rücken. Sie war die schüchternste von allen. Jetzt werde ich wohl ein „Zeiterl“ warten müssen, bis ich mir wieder Goldfische besorge.

Gartenteich
Fast jeden Abend saß ich auf meinem roten Gartenstuhl und beobachtete die Goldfische.

Donnerstag, 18. Mai

Im Hallenbad ist viel los, Senior*innen auf den täglichen Schwimmrunden, ein Vorschulschwimmkurs mit eifrigen kleinen Wasserratten, Mütter mit unglaublich süßen Babys und dann natürlich die sportlichen Schwimmer *innen mit ihrem unermüdlichen Enthusiasmus. Ich mache meine Vorübungen fürs Kraulen im Nichtschwimmerbecken, Gleiten in der Seitenlage, am Bauch und am Rücken, mit oder ohne gestreckte Arme, mache Atemübungen und Koordinationsübungen. Erst musste musste ich mich ziemlich anschubsen und innerlich überwinden, um mich bei diesem nasskalten Wetter auf den Weg ins Floridsdorfer Hallenbad zu machen. Doch dann genieße ich das Wasser und bin in meinem Element. Unterwasser ist die Welt weicher, ruhiger und langsamer. Sobald ich mit dem Kopf wieder auftauche, trifft der nachmittägliche Hallenbad Lärmpegel auf meine Ohren. Aber meist bin ich mit den Ohren unter Wasser und erfreue mich an den gemächlichen und fließenden Bewegungen.

Freitag, 19. Mai

Was tun, wenn es draußen kalt ist und mir auch schon im Haus die Kälte in die Knochen kriecht? Einfeuern im Mai? Warum nicht? Bald ist eine behagliche Wärme im Raum und ich setze mich an den Tisch. Ich habe Lust, ein neues Mandala zu kreieren. Beim Zeichnen kippe ich in einen eigenartigen Zustand. Das Mandala entführt mich in eine märchenhafte Welt voller Schätze. Dort sind die Geschichten zu Hause. Ich fühle mich wie ein Kind in einem anderen Land und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Wärme des Feuers und das Leben der Bäume, von denen die Holzscheite stammen, breiten sich im Mandala aus. Und wer weiß … vielleicht haben auch meine drei goldenen Fische von dort, wo sie jetzt sind, ein wenig mitgeholfen und etwas von ihrem Zauber auferstehen lassen.

Mandala in Orange
„Goldenes Land“ iPad Zeichnung © Romy Pfyl 23

Samstag, 20. Mai

Wir schieben das Boot sachte über den gefrorenen See. Es geht viel leichter als ich gedacht habe. Meine Eltern beratschlagen, in welche Richtung es nach Sitterdorf geht. Meine Mutter kommt ursprünglich von dort. Vater meint, dass Sitterdorf direkt am linken Ufer liege. Also bewegen wir uns langsam mit dem Boot dort hin. Diese Traumbilder begleiten mich heute in den Tag hinein. Ich sehe sie vor mir, wie in einem surrealisischen Film. Auf dem gefrorenen Weg in die Heimat meiner Mutter … was für eine spannende Traumsequenz. Das nutzlose Boot, das mühsam geschoben werden muss. Eis, Wasser in gefrorener Form und die Zahl Drei mit Vater, Mutter und Kind.

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