Schlaufen und Schleifen

Romys Nacht- und Tag-Buch 142

Schlaufen und Schleifen – so heißt eine Ausstellung, die ich in dieser Woche besucht habe. Ein passender Titel auch für diese Tage, die sich in Schlaufen und Schleifen bewegen.  Oder es ist so, wie meine Künstlerfreundin Anne Vaupel bei der Präsentation ihrer Werke prophezeit hat: Wenn man einmal den Blick darauf gerichtet hat, sieht man überall Schlaufen und Schleifen.

Sonntag,19. Oktober

Heuer nehme ich selbst nicht an den Tagen der offenen Ateliers teil – und habe so endlich Gelegenheit, die Ateliers in meiner Umgebung zu besuchen. Ich sitze auf einer Holzbank, umgeben von verspielten Kunstwerken, lasse mich von der Klezmer Musik tragen und träume mich in den blauen Herbsthimmel hinein. Über mir ragen die nackten Äste einer Edelkastanie. Entlang des dicken Hauptastes haben sich Notblätter gebildet – kleine grüne Versuche, das Leben zu halten. Auch dem Ahorn vis-à-vis hat die Hitze zugesetzt. Die Blätter am Rand seiner Krone sind braun und dürr. Die sichtliche Not der Bäume um mich herum holt mich aus meinen Träumen und lässt mich unsanft am Boden landen.

Montag, 20. Oktober

Am Sonntag ein Familienspaziergang mit Tochter und Enkelin durch den Prater. Zuvor genießen wir Kunst, Kaffee, Kipferl und Stravanzamusik im Atelier von Babsi Daum – und die Ausstellung Schlaufen und Schleifen von Les Beverages aus Hamburg: Bewegtes und Bewegendes, ernste Gedanken in bunt gestalteten Fenstern. Dann gehen wir dem Lusthauswasser entlang, einem der alten Donauarme im Pratergebiet. Glitzernder Sonnenglanz spiegelt sich auf der Oberfläche, darüber segeln gelbe Blätter. Wir gehen auf weichen Wegen, unter uns die Schattenflecken der großen, knorrigen Bäume. Ein feiner Geruch nach Herbstblättern durchzieht die Luft.

Dienstag, 21. Oktober

Seit meiner Rückkehr aus der Reha widme ich meine Kraft ganz dem Weiterarbeiten an meinem Romanprojekt. Der Haushalt – Putzen, Räumen und all das – muss warten. Ich zeichne einen Augenblick, in dem die Hauptfigur meines Romans durch das Verhalten der jüngsten und der ältesten Enkelin irritiert wird. Befremdliche Gefühle verwandeln sich – im genauen Hinschauen – in liebevolles Verstehen. Eine subtile innere Bewegung, die sich in Echtzeit vollzieht. Vielleicht schreibe ich gerade deshalb – um solchen feinen Veränderungen nachzuspüren.

Mittwoch, 22. Oktober

Vergebliches Bemühen in dieser Nacht. Ich wache auf, verdutzt und mit schmerzendem Kiefer.
Eine Blumendeko für ein Hochzeitsfest – und nichts geht. Die Blumen sind unpassend, die Gefäße bieten keinen Halt und meine floristischen Fähigkeiten lassen mich im Stich. Zeitdruck. Menschen um mich herum, die alles sabotieren. Aus Dummheit? Unbeholfenheit? Berechnung? Ich weiß es nicht. Nicht einmal das ist klar. Im Traum suche ich verzweifelt nach Lösungen, doch alles widersetzt sich – nichts geht.

Donnerstag, 23. Oktober

Dieses Mal bleibt die Spritze aus. Nur ab und zu, wie aus weiter Ferne, ein ziehender Schmerz. Ich halte die Augen geschlossen und wünsche mich an einen anderen Ort. Als ich sie öffne, sehe ich über mir ein konzentriertes Gesicht. Kratzende Geräusche. Mit feinen Instrumenten werden die Wurzelkanäle gereinigt. Der Zahn kann gerettet werden. Ich spüre Dankbarkeit für die präzise Arbeit des Zahnarztes – auch wenn meine Lage im Moment alles andere als angenehm ist.

Freitag, 24. Oktober

Zuoberst auf meiner Radtasche, sind sie einander begegnet: der knackig grüne Endiviensalat und die zart rosafarbene Schmetterlingsorchidee. Eine urig Robuste aus dem Mittelmeerraum neben einer Schönheit, einst Baumbewohnerin des Urwalds. In diesem Fall ist sie jedoch aus winzigen Pflanzenzellen in einem nährstoffreichen Gel und unter sterilen Laborbedingungen gewachsen. Ich habe die beiden zusammengebracht – und erfreue mich an ihrem harmonischen Zusammenspiel.

Samstag, 25. Oktober

Mit der elektrischen Säge geht es überraschend leicht. Ich schneide die Sträucher im hinteren Garten zurück. In den letzten zwei Jahren haben sie sich über die Wiese vorgedrängt, haben sie langsam überwachsen. Der Haufen aus Ästen wächst. Der neu entstandene, lichte Raum tut dem Garten gut – und mir auch. Nach der langen Pause spüre ich, wie gut es tut, wieder Kraft zu haben, Beweglichkeit und Lust auf die Arbeit mit den Händen.



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