Romys Nacht – und Tag-Buch 141
Eine Woche, reich an Begegnungen – eine Woche, in der das Wesentliche der Verbindungen spürbar wurde: zwischen Menschen, Gedanken und Momenten, die mich unerwartet berührt haben.
Sonntag, 12. Oktober
Um fünf klingelt der Wecker. Eine halbe Stunde später bringt mich, mein spontaner Helfer, zum Bahnhof nach Gmünd. Ohne ihn wäre ich wohl nicht rechtzeitig zum literarischen Frühstück ins Schloss Wolkersdorf gekommen. Wir gehen zum Auto, und ich biete ihm einen kühlen Milchkaffee an – fix und fertig vom Kiosk, ein Muntermacher im Plastikgewand. Lieber hätte ich uns einen heißen Kaffee organisiert, aber dafür ist es einfach zu früh. Wir fahren wir durch die dunkle Landschaft an seltenen Lichtern vorbei, dann liegt der Bahnhof vor uns. Der Zug kommt pünktlich, alles läuft rund. Jetzt kann ich mich endlich auf die Lesung freuen.

Montag, 13. Oktober
Langsam füllt sich der Saal, die Spannung steigt. Ein wenig aufgeregt bin ich schon, doch die Freude überwiegt – die Freude, dass so viele Freundinnen und Bekannte hier sind. Als ich dran bin, wird es plötzlich still in mir. Ich setze mich auf die Bühne, schaue in den vollen Saal und beginne zu lesen, gehe ganz in meinem Text auf, sause zurück in die Innerschweiz der siebziger Jahre, bin wieder eine Teenagerin und spüre diese Zerrissenheit, das Wilde – und den Mut.

Dienstag, 14. Oktober
Das Ergometertraining fühlt sich heute anstrengender an als sonst. Meine Beine wollen nicht so recht. Ich reduziere auf 85 Watt, doch mein Puls jagt trotzdem in die Höhe, und das Gesicht wird schweißnass. Der Tagesausflug zur Lesung, die langen Zugfahrten und die kurzen Nächte davor und danach haben mich wohl erschöpft. Heute werde ich packen – morgen geht es zurück nach Hause.
Mittwoch,15. Oktober
Ein letztes Mal Frühstücken im großen Saal und durch die Fenster dem beginnenden Tag zuschauen. Noch sitze ich allein am Tisch. Meine Tischgenossen werden bald kommen. Den schweren Koffer habe ich vorhin zum Auto gebracht. Eine Rehakollegin hat mich eingeladen, mit ihnen mitzufahren. Ich bin froh. Mit Zug und Bus müsste ich x-mal umsteigen. Ein wenig Wehmut bleibt. Fast bin ich hier schon heimisch geworden. Auch der Tag ist trüb. Bald wird der Regen kommen.
Donnerstag, 16. Oktober
Bei meiner Ankunft ist es kühl im Häuschen. Ich drehe die Heizkörper auf – zwei werden warm, die anderen bleiben kalt. Um mir das Ankommen gemütlicher zu machen, mache ich ein Feuer im Herd. Bald prasselt das Feuer und verbreitet eine gemütliche Wärme. Am Abend kommt der Vermieter vorbei. Mit seinem Geschick und der telefonischen Hilfe vom Schwiegervater bringt er schon bald alle Heizkörper zum Funktionieren.
Freitag, 17. Oktober
Am Abend bin ich zu einer Salonage eingeladen – Naturpoesie, Ausstellung, Lesung, Käse und Wein. Schon im unten am Hauseingang die erste Wiedersehensfreude, und mit jedem Schritt weiter, tauchen vertraute, lange nicht gesehene Gesichter auf. Für Überraschendes, uns Zufallendes, Gemeinsames, Experimente vom Glück, steht in Brigitta Höplers Einladung. Von der Wand leuchten mir die bestickten Cyanotypien von Sonja Knoll entgegen. Eine erfundene Schrift spricht in einer Sprache, die mich im Herzen trifft.

Samstag, 18. Oktober
Der erste Granatapfel will geerntet werden. Er ist riesig geworden. Beim ausgiebigen Regenwetter ist er weiter gewachsen. Jetzt ist er so prall, dass seine Haut an einer Stelle aufgebrochen ist. Er öffnet sich und zeigt sein leuchtendes Inneres, seine pulsierende Lebenskraft – wie ein Sinnbild für Leben, Fruchtbarkeit und Liebe. Er ist der Größte, der je an diesem Baum gewachsen ist. Ich hole die Schere, schneide ihn ab und lasse ihn in meine offene Hand fallen.
Oh Romy, wie schön die Beschreibung dieser Woche doch ist! So viel Leben. So viel Granatapfelrot. Und sogar noch ein bisschen Cyanotypie.
Herzliche Grüße aus Kärnten
Lisa
Danke Lisa. Die Cyanotypiebegegnungen haben mich besonders gefreut. Diese Woche habe ich gleich zwei meiner Schülerinnen getroffen, die unterdessen ihre Werke in Ausstellungen präsentieren. Das hat mich gefreut und mir gutgetan. Es ist schön zu sehen, wie es weiter geht. Bei mir ist der Fokus jetzt beim Schreiben und das Cyanotypieren ruht.