Einzigartig

Romys Nacht- und Tag-Buch 129

Im Schauen eröffnet sich mir die Einzigartigkeit dieses Momentes. Jedes der sich entrollenden Blütenblätter der Zinnie hat eine einmalige Form.
Am nächsten Tag geben sie sich zweireihig ausgebreitet der Sonne hin. Sie haben sich zu einer gefüllten Blüte entwickelt. Sie wird sich verändern, mir mit jedem Tag ein neues Gesicht offenbaren. Nichts, lässt sich festhalten. Alles verändert sich permanent.

Sonntag, 20. Juli

Am letzten Abend der Waldviertler-Schreibwerkstatt wird im Hof vom Kunsthaus gelesen. Von jeder Schreibgruppe werden drei Texte in einem geheimen Wahlverfahren von den Teilnehmenden ausgewählt. Nicht alle sind bereit zu lesen oder sich diesem Wahlverfahren zu stellen. Ich entscheide mich, die Herausforderung anzunehmen. Zwar würde es mich Überwindung kosten, vor einem größeren Fachpublikum meinen Text zu lesen. Auch scheue ich mich ein wenig vor dem Konkurrenzdruck des Wahlverfahrens.
Bei der Stichwahl bekommt mein Text dann eine Stimme weniger und so bin ich frei, den Mittag gemeinsam mit meinen Schreibkolleginnen genussvoll im örtlichen Schwimmbad zu verbringen; – ohne Lampenfieber!

Montag, 21. Juli

Die spielerisch ernste Beschäftigung mit den Themen Liebe, Leidenschaft, Angst und Wut zieht noch immer Spuren durch meine Gedanken.
Wie kann ich diese Gefühle auf dem Papier auf eine Weise konstruieren und zeigen, die sie für die Lesenden erlebbar machen? Wie Bilder erzeugen, eine Atmosphäre schaffen und die Handlung spannend, schlüssig und nachvollziehbar aufbauen? Im Schreibseminar habe ich vier neue Texte geschrieben, – zwei davon für mein Romanprojekt. Das Schreiben, das Feedback und der Austausch mit anderen Schreibenden waren bereichernd und aufschlussreich. Ich hoffe, dass ich über das intensive Beschäftigen mit Gefühlen und ihrer Ausdrucksform, ein wenig von der Angst verloren habe, sie zu zeigen und literarisch greifbar zu machen.

Dienstag, 22. Juli

In der Nacht bin ich aufgewacht. Beim Öffnen der Augen ein helles Blitzen am oberen Eck unter dem Terrassendach. Langsam klärt sich mein Blick – und dann habe ich ihn gesehen, den Sichelmond.
Tagsüber, beim Zurückkommen nach Hause, sind mir als Erstes die sich langsam öffnenden Zinnienblüten ins Auge gesprungen. Oben auf dem geschlichteten Birkenholz unter dem vom Terrassendach leicht gedämpften Licht haben sie die Zeit meiner Abwesenheit gut überstanden. Die sich entfaltenden Blütenblätter überraschen mich. Ich lasse mich von ihrer subtilen und einzigartigen Weise, sich dem Öffnen hinzugeben, bezaubern.

Mittwoch, 23. Juli

Nach dem vielen Auswärts essen habe ich ein großes Bedürfnis nach frischem Gemüse. Auf meiner morgendlichen Radlrunde suche ich mir etwas von den Köstlichkeiten aus, die eine fleißige Gärtnerin am Straßenrand ausgebreitet hat. Grüne und gelbe Fisolen, Zucchini und für die Nachspeise eine üppig dicke Feige. Zum Frühstück habe ich mir mit den frischen Kriecherln aus dem Garten ein Kompott bereitet und ihn über einen Porridge mit Kakao gegeben. Säuerlich, süß und wunderbar nahrhaft.

Donnerstag, 24. Juli

Unterwegs zum Bankomat und zum Dorfladen treffe ich eine Bekannte. Sie ist dabei, die Alleebäume auf Schäden zu überprüfen. Auf diesem Abschnitt der Hauptstraße sind das fast ausschließlich Linden. Krimlinden seien, das erklärt sie mir, manche davon weit über hundert Jahre alt. Diese seien resistenter gegen Hitze, die Blätter leicht bewimpert. Dort wo wir gerade stehen hat der Baum einen dicken Fuß. Vielleicht eine Veredelungsstelle erklärt sie auf meine Frage.
Weiter vorn steht eine noch junge Krimlinde voll behängt mit hunderten von am Flügelblatt befestigten Lindennüsschen. Wenn die Früchte reif sind, bricht der Stiel, das Flügelblatt beginnt sich zu drehen im Vertrauen darauf, dass der Wind sie möglichst weit weg bringt, um woanders neuen kleine Linden in die Welt zu verhelfen.

Freitag, 25. Juli

Nach der morgendlichen Walking-Runde schmerzt das Knie. Also ist Ruhe angesagt. Ich verbringe den Tag schreibend im Terrassenbett. Die Höllenangst hat mich gepackt – eine Szene, die von der Angst vor dem Tod handelt. Ich habe den Text weiter bearbeitet, Neues hinzugefügt, ihn so oft umgeschrieben, dass es mir schwerfällt zu beurteilen, wie er geworden ist und ob jetzt mal Schluss sein kann. Nach dem Kurs in der Waldviertler-Schreibwerkstatt bin ich voll motiviert, neue Fassungen auszuprobieren.

Samstag, 26. Juli

Alles fügt sich auf wundersame Art zusammen. Gestern hat mich Kerstin eingeladen, die Zeit während ihrem Urlaub Anfang September, in Berlin zu verbringen und auf die Wohnung am Prenzlauer Berg zu schauen. Ich fragte sie im Gegenzug, ob sie Zeit und Lust hätte im August für zwei Wochen zu mir ins Weinviertel zu kommen und aufs Haus und die Hühner zu schauen. Sie hat zugesagt. Ihre Arbeit kann sie auch von hier aus machen. Ich werde diese Zeit in der Steiermark bei meiner Freundin und in und Kärnten mit meinen Schreibkolleginnen verbringen. Die Hühner freuen sich und ich auch.

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