Romys Nacht- und Tag-Buch 124
Noch kühlt es ab in den Nächten, doch tagsüber nimmt der Sommer das Zepter in die Hand. Das Blaue lebt in den Wiesen, in meinem Vorgarten, es zeigt sich auf den Unterarm-Stützen meiner Krücken, im Kleiderschrank und – es leuchtet mir, von der Morgensonne angestrahlt, aus der Badewanne entgegen.
Beruhigend und belebend zieht es sich durch das Einerlei dieser Frühsommertage.
Sonntag, 15. Juni
Meine Freundin kommt zu Besuch. Sie trägt ein sommerblaues, geblümtes Kleid. Mit ihr kommt ein erfrischender Wind in mein momentan eher isoliertes Dasein – und das verwöhnt werden lasse ich mir gerne gefallen. Sie kocht für mich – Pasta mit Basilikum, Paradeisern und Mozzarella. Zum Nachtisch hat sie eine Box mit Eis vom Schwedenplatz mitgebracht. Eine bunte Mischung und natürlich ist auch mein Lieblingseis dabei, das Nocciolone mit den ganzen knusprigen Haselnüssen. Wir sitzen auf der Terrasse, besichtigen den Vorgarten und bereden dies und das. In ihrer Gesellschaft blühe ich für ein paar Stunden auf und die Welt um mich herum gewinnt an Farbe.

Montag, 16. Juni
Nach dem Abschluss des Entwurfs für den ersten Teil meines Buchprojektes, bei dem es um die Kindheit geht, plante ich mich zügig an das Überarbeiten des zweiten Teils zu machen. Im immer wieder aufflammenden Knieschmerz der letzten Tage war an Schreiben nicht zu denken. Die Medikamente machen müde und so bin ich oft in einer Art Dämmerzustand.
Dienstag, 17. Juni
Zum gestrigen Treffen der Weinviertler Wort-Werkstatt ließ ich mich mit dem Wolkimobil ins Schloss chauffieren. Wir besprechen die Organisation unserer nächsten Lesung. Dann stelle ich einen Text vor, von dem ich mir vorstellen könnte, dass er gut zu unserem Thema Wendezeiten passt. Es handelt sich um die letzte Szene vom ersten Teils meines Romans. Darin geht es um den Übergang von der Kindheit in die Pubertät, um einen Wendepunkt, einen „point of no return“. Er stößt auf eine gute Resonanz und der Inhalt der Geschichte löst lebhafte Gespräche aus.
Mittwoch, 18. Juni
Gestern Abend bin ich unvermittelt und sehr früh eingeschlafen. Darum hatte ich vergessen, das Türchen zum Hühnerstall wieder zu öffnen. Tagsüber lasse ich es geschlossen, damit meine zwei brutwilligen Hühner sich nicht ins leere Nest setzen. Morgens um drei weckt mich Geflatter und Hühnergeschrei. Schnell nehme ich Krücken und Taschenlampe und haste zum Gehege. Ein eigenartiger Geruch empfängt mich und aus dem Holunderstrauch höre ich ein Knacken. Drei meiner Hühner sitzen auf dem Dach und das vierte hat sich zum Zaun hin geflüchtet. Wahrscheinlich hat ein Marder sein Glück versucht. Ich spediere alle Viere ins Innere der Hütte und verschließe das Tor.
Donnerstag, 19. Juni
„Etwas zeichnen, von dem man sich wünscht, es schon realisiert zu sehen“. Beim monatlichen gemeinsamen Online-Schreibvormittag vom writers studio gibt es zu Beginn immer einen Impuls. Diesmal kann er zeichnerisch oder schreibend realisiert werden. Ich strichle, kritzle und der Fineliner saust, fast wie von alleine, übers Papier. Ich lasse meine Kraft zur Imagination von der Leine. Nach und nach wächst vor mir das Cover meines Buches. Es ist ein gutes Gefühl, es nach einer Zeit der Inaktivität und des Nichtschreibens vor mir wachsen zu sehen.

Freitag, 20. Juni
Täglich promeniere ich mit meinen blauen Krücken durch die Gassen. Ich gehe bis zur Fahrradwerkstatt am Gartenweg und mache dort am Bankerl sitzend eine Pause. Das Bild vom fast schon fliegenden Radler am Fahrradanhänger, der vor mir steht, beflügelt meinen Traum vom baldigen Selber-Dahinflitzen.
Beim Zurückgehen komme ich ins Gespräch mit einer Nachbarin. Sie ist schon über neunzig Jahre alt und erzählt mir von ihrer Kindheit im Krieg. Wie sie aus ihrer Wohnung vertrieben wurden und wie dann beim Zurückkehren alles geplündert war. Die elementarsten Sachen fehlten. Kein Geschirr, kein Besteck, die Vorhänge verbrannt. Im Vorgarten fanden sie noch eine einzige Gabel …

Samstag, 21. Juni
Mein Knie wird getapt – in einem kräftigen Türkisblau. Die Streifen verlaufen kreuzweise über die Narbe, darüber werden drei weitere Bahnen gelegt. Das Tape stabilisiert, schützt, gibt Halt. Ich empfinde dieses Umhülltsein als wohltuend – wie eine zweite Haut. Meine Physiotherapeutin begleitet mich aufmerksam. Ihre Hände wissen, wann sie Halt geben müssen und wann sie loslassen können. Von meiner Ärztin erhalte ich ein neues Schmerzmittel. In mir die Hoffnung, – dass es besser wirkt und weniger Nebenwirkungen hat: weniger Schwindel, weniger Übelkeit.
Wer schreibt hier?
Ich bin Romy Pfyl.
Als Autorin und Bloggerin veröffentliche ich wöchentlich Alltagsmomente in meinem Nacht- und Tag-Buch. Neben Kurzgeschichten arbeite ich an einem Romanprojekt.
Meine Texte verbinden präzise Naturbeobachtungen mit persönlichen Reflexionen und erzeugen so einen eindringlichen, emotionalen Raum.
www.romy-pfyl.com
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Immer wieder danke für die wunderbaren Zeilen, die du schreibst und gute Besserung an dieser Stelle!
Herzlichen Dank Birgit
Gute Besserung, liebe Romy! Blau (Gelassenheit) statt Rot (Wut): Ich habe mir vorgenommen, dem Sommer und den unabwendbaren Hitzewellen dieses Jahr gelassener gegenüberzutreten. Ich hoffe, es wird mir einigermaßen gelingen.
LG Uli
Eine gute Idee, liebe Uli, dich im Sommer ans Blaue zu halten … 🙂