Gedankenflüge

Pelargonien

Romys Nacht- und Tag-Buch 121

Ortswechsel bringen meine Gedanken ins Fliegen. Auch das Wachauer Wetter schwingt mit. Es bewegt sich zwischen Sonne und Regen. Wie ein ewiger April. Sich eine Schreibzeit zu nehmen, tut gut und ich genieße das woanders sein. Gegen Ende der Woche ein zweiter Ortswechsel. – Im Krankenhaus von Kornneuburg bekomme ich ein neues Kniegelenk.

Sonntag, 25. Mai

Aus meiner Terrasse ist nun ein gemütliches Sommerwohnzimmer geworden. Auch meine zwei chinesischen Figuren sind hinausgewandert. Sie bewachen den Übergang zwischen Garten und Terrasse. Über ihnen bewegt sich die Kugel mit den Schilfhalmen im Wind. Die Drachenfruchtpflanze hat ihren Winteraufenthalt auf dem Dachboden gut überstanden und darf jetzt wieder draußen das direkte Sonnenlicht genießen. Auch sie ist ursprünglich eine Chinesin, ein Mitbringsel von einer Reise vor fünf Jahren. Wieder zu Hause habe ich von ich einer Frucht die Samen entnommen und in die feuchte Erde gelegt. Unterdessen ist sie schon so groß geworden, dass ich mir überlege, sie im nächsten Winter mit einem Fließ geschützt auf der Terrasse zu überwintern.

Montag, 26. Mai

Mit dem Zug geht’s der Donau entlang. In Krems am Bahnhof wartet meine Schreibkollegin auf mich und bringt mich zu unserem Schreibort für die nächsten zwei Tage. Ich bin froh über diese Gelegenheit, mir kurz vor der OP noch eine Auszeit zu nehmen. Wir suchen uns einen Schreibplatz aus und nehmen das große Haus in Beschlag. In jedem Raum atmen die Geschichten aus vergangener Zeit. Für die Nacht bekomme ich das ehemalige Großeltern-Zimmer.
Auf der Terrasse eine leucht-rot wuchernde Geranie, der das schnell wechselnde Sonnen-Regenwetter sichtlich behagt. Sie strahlt eine behäbige Gewöhnlichkeit aus, tut so, als hätte sie schon immer hier hingehört. Und doch hat sie eine lange Reise hinter sich. Im 17. Jahrhundert brachten europäische Seefahrer und Botaniker diese Pflanzen aus Südafrika nach Europa. Nur an unsere Winter hat sie sich noch immer nicht gewöhnt. Da wird sie von umsichtigen Menschen in den Innenraum verfrachtet.

Dienstag, 27. Mai

Wir tauschen uns über unser Schreiben aus, geben einander Feedback zum Geschriebenen. Durch wertschätzende Ehrlichkeit erfahre ich, wie meine Geschichten wirken, was anklingt, und wo Fragen auftauchen. Das hilft mir dabei, sie in eine zugängliche, klare und verständliche Form zu bringen. Am Abend ein Spaziergang durch die Wachauer Weingärten. Über uns ein dramatischer Abendhimmel mit einem Lichtfenster. Unter dem Nussbaum sitzen, erzählen und in die Landschaft staunen. Zurück im Haus dann Käsebrot und Muskateller.

Mittwoch, 28. Mai

Am Nachmittag ein Ausflug nach Dürnstein. Unterwegs durch pittoreske Gassen wandeln wir auf den Spuren von Richard Löwenherz. Das Kopfsteinpflaster bietet meinem noch geschienten Bein doch einiges an Herausforderung. Und so nehme ich den Arm meiner Kollegin, damit ich beim Gehen nicht aus dem Gleichgewicht komme. Die Architektur lässt uns zurückreisen vom Mittelalter bis in die Barockzeit. Über verschlungen enge Gassen gelangen wir hinunter an die Donau. Hier setzen wir uns an den Sandstrand, lassen uns von der Sonne durchwärmen, plaudern, sinnieren und lauschen dem Wellenschlag.

Donnerstag, 29. Mai

Wieder zu Hause sause ich mit Staubsauger und Wischmopp durch alle Räume. Sogar die Waschbetonplatten auf der Terrasse werden mit der Hilfe vom Gartenschlauch sauber gespritzt. Geschirrspülmittel und Waschpulver gekauft. Die Vorratsschränke sind gut gefüllt. Alles Nötige ist erledigt und ich fühle mich gut vorbereitet.

Freitag, 30. Mai

Eine liebe Nachbarin bringt mich mit ihrem Auto ins Krankenhaus nach Kornneuburg. Auf der Station angekommen, treffe ich auf einen Altbekannten. An den Pfleger kann ich mich noch gut erinnern. „Das ist das jetzt dritte Mal“, sagt er und lächelt freundlich. „Dann nehme ich diesmal wieder die bewährte Vollpension“, entgegne ich. Noch bin ich allein im Zimmer. Ich wähle den Fensterplatz und richte mich ein. Nach dem Mittagessen teste ich das Bett. Die Ruhe macht mich schläfrig und so döse ich ein wenig.

Samstag, 31. Mai

Die Narkoseärztin empfiehlt mir gedanklich einen schönen Ort aufzusuchen. Ich entscheide mich für eine Sommerwiese. Noch bevor ich dort angekommen bin, bin ich weg. Ohne Wiese. Auch beim Wiederaufwachen kein Wiesengefühl. Es dauert, bis ich mit meinen Augen wieder klar fokussieren kann. Aber ich bin froh, wieder zurück zu sein.


Wer schreibt hier?

Ich bin Romy Pfyl.

Als Autorin und Bloggerin veröffentliche ich wöchentlich Alltagsmomente in meinem Nacht- und Tag-Buch. Neben Kurzgeschichten arbeite ich an einem Romanprojekt.

Meine Texte verbinden präzise Naturbeobachtungen mit persönlichen Reflexionen und erzeugen so einen eindringlichen, emotionalen Raum.

www.romy-pfyl.com



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4 Kommentare

  1. Liebste Romy,

    beste Heilungswünsche für dein Knie und dich! Wie gerne ich deine pflanzlichen, tierischen und menschlichen Eindrücke doch lese!

    Danke dir von Herzen, dass du immer weiter schreibst. Ich lese dich regelmäßig, selbst wenn ich nicht immer kommentiere. Aber vielleicht spürst du das ja?

    Lisa

    1. Ich denke oft an dich liebe Lisa und unser gemeinsames Schreiben.
      Für mich war das ein sich öffnendes Tor, in etwas hinein, das mich wahrscheinlich noch lange begleiten wird …
      Schön, dass du mich weiterhin lesend begleitest. Ich freue mich und danke dir für deine Genesungswünsche.
      Alles Liebe dir
      Romy

  2. Liebe Romy, erstmal möchte ich dir viele Heilungswünsche schicken.
    So berührende und tiefe Texte, die du mir als Leserin anvertraust.
    Es ist so wunderschön und berührend in deine Welt einzutauchen.
    Dankeschön, für deine Betrachtungsweisen und Perspektiven.
    Es ist wie ein kleines Alltagsherbarium wenn ich die Bilder deiner Erzählungen in mein System hole.
    Sie dringen tief in meine Zellen ein und verbinden sich, verweben sich mit meinen eigenen Erfahrungen.
    Aus Worten werden Bilder, Gerüche und ein warmes Fühlen macht sich breit.
    Sooo wundervoll und zauberhaft. 🫶
    Danke 🙏🏼, Michaela

    1. Ein kleines Alltagsherbarium …
      Danke für dieses Wort, für deine Worte.
      Wie schön Michaela, dass du mich durch meine Geschichten begleitest.
      Ich freue mich sehr über deinen lieben Kommentar und die guten Wünsche.
      Alles Liebe dir
      Romy

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