Romys Nacht- und Tag-Buch 119
Es gibt vieles, das sich dem Auge oder dem Bewusstsein entzieht, nicht auf den ersten Blick sichtbar ist, – sich im Verborgenen entwickelt. Es lohnt sich, den Blick zu schärfen und genau hinzuschauen.
Sonntag, 11. Mai
Manchmal erfordert das Schreiben auch geduldig zu sein, z. B. zuzulassen, dass ich mehr Erholungszeit brauche als gedacht. Der böse Sturz am Ostermontag und der heilende Knöchel fordern eine längere Ruhezeit. Eine Pause beim Weitertun an der Überarbeitung des Manuskriptes beispielsweise und kein inspiriertes Weiterschreiben an neuen Szenen für mein Buch. – In solchen Momenten ist es besonders wichtig, trotzdem die Dinge wahrzunehmen, die das Projekt weiterbringen. Im Untergrund tut sich Erstaunliches. Im Inneren bewegt es sich weiter, unablässig.
Montag, 12. Mai
Muttertag. Wir sitzen zu viert im Garten, meine Tochter, die Enkelinnen und ich, trinken einen erfrischenden Kräuterdrink, plauschen und beobachten die Hühner. Das ist wie fernsehen, meinen sie, immer ist was los. Sie helfen mir, ein paar Arbeiten zu erledigen, die ich momentan nicht machen kann. In einem Schwups sind all die schweren Sachen, die sich bei mir im Flur gestapelt hatten am Dachboden, die Äste hoch oben zurückgeschnitten, das Hühnerfutter, Heu, Spreu und Utensilien neu geordnet. Später beim Heurigen prosten wir einander zu – und wir trinken wir auf die Mütter, auf die Enkelinnen und aufs Leben.

Dienstag, 13. Mai
Im Hof vom Schloss Wolkersdorf, über uns, in fast schon schwindelnder Höhe, die frisch aufgeblühten Kastanienblüten, weiter unten aus den Fenstern im ersten Stock Klaviermusik und ganz unten auf den Stühlen der montäglich verwaisten Gastwirtschaft ein Tisch, voll, mit uns Schreib-Begeisterten von der Weinviertler Wortwerkstatt. Wir erzählen wir einander über unsere Erfahrungen, unsere Zugänge zum Schreiben, planen eine nächste Leseveranstaltung, sammeln Ideen, erfahren von einer Olympiade der „Gschichtldrucker“ und der Möglichkeit mit unseren Geschichten Teil zu sein, lachen, diskutieren und genießen das draußen sein an diesem schönen Maiabend.
Mittwoch, 14. Mai
Heuer ist der Platz unter der Trauerweide wohl ein Hotspot, denke ich. Ein wenig komisch ist mir schon zumute. Die vierte Zecke in dieser Woche. Die Pinzette hilft mir dabei, mich von ihr zu befreien.
Wahrscheinlich war es ein Weibchen. Diese sind zwar groß, aber eher harmlos. Ich behandle die Stelle mit dem altbewährten Zwiebelsaft und hoffe, dass sich der rote Fleck bald verflüchtigen wird.
Donnerstag, 15. Mai
„Das kleine Bild, das du mir damals geschenkt hast, hängt noch immer in meinem Büro und erfreut mich jeden Tag“, schreibt sie mir.
Ich rechne zurück, – das könnte vor ungefähr zwanzig Jahren gewesen sein. Damals habe ich in meinem Wiener Atelier kleine Laminate mit Gräsern und Samen gemacht. Das Foto von diesem kleinen Bildchen, im wunderbar passenden Holzrahmen, hat sie mir mitgeschickt. Sie war damals zu einem beruflichen Fortbildungstag in Wien und ist nach einem stressigen Tag zufällig bei meiner Ausstellung vorbeigekommen. Ihre Begeisterung über meine floralen Werke hat Früchte getragen und hat sie in ihrem Entschluss bekräftigt, eine Floristik-Quereinsteigerinnen-Ausbildung zu machen. Ihr Schreiben hat mich berührt und erfreut.

Freitag, 16. Mai
Ich bin wieder drin. Es fließt, es wurlt, es tut. Nein, ich tue! Das Weiterschreiben an meinem Manuskript hat mich wieder. Vorgestern am Abend ein Dialog Workshop mit Ana Znidar– wie immer fein geführt und achtsam angeleitet. Schritt für Schritt näherte ich mich einer dramatischen, emotional aufgeladenen Szene, in der kaum gesprochen wird. Die vertiefte Beschäftigung mit den Figuren, ihren Charakteren und Beweggründen, legte das Fundament für das, was sich zwischen ihnen entfalten wollte. Gestern schrieb ich an dieser Geschichte weiter – Mir wurde dabei bewusst, dass Dialoge auch jenseits der Worte stattfinden, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, mit denen sich zwischen Menschen ein Gespräch entfalten kann!
Samstag, 17. Mai
Überrascht entdecke ich einen kleinen roten Knoten zwischen den Blättern meines Granatapfelbaumes. Kann das sein? Jetzt schon? Ich gehe näher und inspiziere die Stelle genauer. Tatsächlich, hier entwickeln sich die ersten Blüten. In den letzten Tagen war das Wetter zwar eher kühl. Aber in meinem Garten wächst es weiter, unentwegt. Aus den Mauerritzen wachsen die Jungfer im Grünen und der Borretsch. Die abendliche Sonne zaubert ihre Schatten an die Wand

Wer schreibt hier?
Ich bin Romy Pfyl.
Als Autorin und Bloggerin veröffentliche ich wöchentlich Alltagsmomente in meinem Nacht- und Tag-Buch. Neben Kurzgeschichten arbeite ich an einem Romanprojekt.
Meine Texte verbinden präzise Naturbeobachtungen mit persönlichen Reflexionen und erzeugen so einen eindringlichen, emotionalen Raum.
www.romy-pfyl.com
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Liebe Romy,
gerade habe ich lesend deinen Worten gelauscht.., diesmal hinterlässt es ein Gefühl als wäre ich über sanfte Wellen geglitten..😌
Ohh.. ich bin gespannt, wieviele Früchte dein Bäumchen heuer tragen wird.. und würde diesmal sehr gerne eine Kostprobe annehmen 🤗.
Liebe Grüße und viel Freude im Hendl-Kino, unter der Weide und beim Schreiben!!
🫶🏼Sabine
Fein Sabine, eine Granatapfel-Kostprobe ist für dich reserviert.
Ja, ich bin auch schon gespannt, wie viele Früchte er heuer tragen wird …
Liebe Grüße
Romy