Romys Nacht – und Tag-Buch 113
Üppiges Blühen, wärmende Sonne und dann wieder ist es so kalt, dass ich mir überlege beim Radeln die Handschuhe anzuziehen. Auch heuer gibt sich der April Mühe, seinem Ruf gerecht zu werden.
Sonntag, 30. März
Als Erstes schreiben wir an unserem Online – Kurswochenende vom Memoir 2 Lehrgang über den schönsten Text, den wir gelesen haben. Was soll das sein, denke ich?
Was ist für mich ein schöner Text?
Er taucht auf, überraschend, irgendwo und lässt mich hinein sickern. Ich lasse mich von ihm einfangen. Ein Wort, ein Klang, eine Stimme, die mich fesselt. Er lässt mich aufmerken, bringt etwas in mir ins Strahlen.
Das Lesen ist ein Hineingehen in diesen Moment. Der schönste Text lässt sich nicht festhalten. Er lebt im Moment. Bringt etwas ins Wachsen. Etwas, das sich ständig verändert und weiter entfaltet.
Montag, 31. März
Unser Schreibwochenende war inspirierend und lehrreich. Wir haben uns intensiv mit unseren eigenen Texten befasst und mit fremden experimentiert. Nach dem Kursende am Nachmittag brauche ich frische Luft.
Mein Vorgarten hat sein Sonntagskleid angezogen. Nach dem wohltuenden Regen, ein buntes Wachsen und Sprießen. Die Bäume in der Umgebung beginnen zu blühen. Mein Weingartenpfirsich wartet auf einen wärmeren Tag.

Dienstag, 1. April
In der Nacht bin ich aufgewacht und habe in einem Buch über Mikroorganismen weitergelesen. Diese kleinen Wesen faszinieren mich. Meistens sind wir uns der wichtigen Rolle, die sie auf unserer Erde spielen, gar nicht bewusst. Alleine schon die Biomasse der Bakterien übersteigt jene der Tiere um etwa das 35-fache. Die Tiere (und mit ihnen auch Menschen) bringen es auf ganze 0,36 Prozent. Mit dem Gedanken, dass Menschen gar nicht so wichtig sind, wie wir oft meinen, kann ich gut weiterschlafen.
Mittwoch, 2. April
Nur zu gerne würde ich wissen, was ich geträumt habe. Ein Rest von wildem Abenteuer, etwas Gefährliches und Unerreichbares schwingt nach. Aber kaum habe ich mich umgedreht, sind die Bilder weg. Verschwunden … auf der anderen Seite. Ich erinnere mich an böses Träumen in meiner Kindheit. Auch das verschwand beim Umdrehen auf die andere Seite. Das Umdrehen damals war wie das Wählen eines anderen Fernsehprogramms. Auf die andere Seite gedreht, lief ein neuer Film. Mit etwas Glück war es ein guter Traum.
Donnerstag, 3. April
Verhaltene Sonnenkraft, durch einen warm-grauen Schleier verhüllt. Ein seltsames Licht an diesem Frühlingsnachmittag. Die Kirschbäume in der Kellergasse von Großengersdorf blühen unverdrossen. Ob das der Saharastaub ist, der das Licht trübt? Ein fein-zarter Sandsturm im Weinviertel? Vor vielen Jahren habe ich einen Sandsturm in der Sahara erlebt. Ein gelber Himmel, das Licht wie ausgeknipst. Kürzlich habe ich gelesen, dass mit dem Sand auch Mikroorganismen transportiert werden. In welcher Sprache sprechen sie miteinander, wenn sie aufeinander treffen, die kleinen Weinviertler- und die Sahara-Lebewesen?

Freitag, 4. April
Vom Kriecherlbaum her höre ich ein emsiges Summen. Die Bienen werden heuer verwöhnt. So üppig hat er noch nie geblüht. Ich probiere im Garten den neuen Liegestuhl aus. Nach der Knie-OP Ende Mai wird er mir gute Dienste leisten. Nach langem Warten auf einen Termin habe ich endlich Bescheid bekommen. Auch das zweite Knie bekommt ein neues Gelenk. Ich bin froh, dass das Warten ein Ende hat. In den letzten Wochen hat sich mein Gehradius deutlich vermindert. Zum Glück macht mir das Radeln keine Probleme.

Samstag, 5. April
Ich habe mir einen Kuchen gebacken. Mit Karotten, Äpfeln, Haferflocken, Zimt und Walnüssen. Ein nahrhafter Seelentröster ist das. Einen Kuchen für mich alleine zu backen, ist immer noch ein seltsames Gefühl. Das mache ich ganz selten. Kuchen essen ist sonst eher ein Gemeinschaftserlebnis. Jetzt esse ich jeden Tag ein kleines Stück davon und feiere den Frühling. Ich sitze am Küchentisch und schaue in den Garten, der mit jedem Tag ein wenig grüner, üppiger und schöner wird.