Gedanken

Romys Nacht- und Tag-Buch 112

Können Blumen denken? Und wenn ja – was denken sie?
Dänketli heißen die Stiefmütterchen im Bernerland, Pensées in der französischen Schweiz. Gedanken … ein außerordentlicher Name für eine ganz spezielle Blume. Den ganzen Winter über haben sie in meinem Vorgarten geblüht, ausdauernd und unermüdlich. Bei Frost ihre Köpfchen gesenkt und sobald ein wenig wärmende Sonne da war, haben sie sich wieder aufgerichtet.



Sonntag, 23. März

Im Zug vor mich hin dösen. Ein paar Sonnenstrahlen holen mich zurück und ich schaue in einen wild wolkigen Frühlingshimmel. Nach dem Krafttraining bin ich müde. Ich habe mich verausgabt. „Ihre Muskeln wachsen nur, wenn sie an ihre Leistungsgrenzen gehen“, hat mir der Trainer erklärt. Wer hätte sich das gedacht, dass ich mir im Alter noch Muskeln antrainieren werde? Seitdem ich bei der letzten Untersuchung erfahren habe, dass die Osteoporose schlimmer geworden ist, ist meine Motivation gestiegen. Starke Muskeln können Knochen schützen.

Montag, 24. März

Musik von Vivaldi empfängt mich im Raum, Kaffee und ein Powidlkrapfen. Aus dem Fenster zum Wienfluss schauen. Seit dem Hochwasser im Sommer ist, ist er belebt. Die kleinen Steininseln lassen sein Fließen dynamischer erscheinen. Das writers studio erscheint mir manchmal wie ein Schiff hoch über dem Fluss.
Am gestrigen Sonntagmorgen besuchte ich die Text-sharing Matinee. Wir waren zu viert und kreierten zur Einstimmung Schnippsel-Texte. Dann lasen wir Texte aus unseren Schreibprojekten vor, gaben und bekamen Feedback.

Dienstag, 25. März

Heute ist mein Geburtstag. Mein 66-zigster.
Gestern habe ich über meine Eltern nachgedacht – über ihre unterschiedliche Art, das Leben anzugehen. Mir ist dabei bewusst geworden, wie viel sie mir mitgegeben haben und wie bereichernd das ist, was von ihnen in mir lebt. Ich denke an meine Enkelinnen. Jede von ihnen ist ein großer Schatz in meinem Leben.
Vor meinem inneren Auge sehe ich alle, die vor mir da waren und an alle, die nach mir kommen werden und ich staune über dieses Kommen und Gehen.
Ich bin dankbar für Reichtum des Da-seins und für die Menschen, die mir ihre Freundschaft und Zuneigung schenken.

Mittwoch, 26. März

Ohne groß vorauszuplanen, hatte ich einen wunderschönen Geburtstag. Je älter ich werde, umso mehr Menschen schicken mir Gratulationsgrüße – feine kurze und längere Nachrichten. Mit 66 Jahren … eine Freundin ist sogar ins Singen gekommen. Am Vormittag ein langes Telefongespräch mit meinem Sohn. Er stellt viele Fragen und unvermittelt sind wir bei tiefsinnigen Themen gelandet. Am Nachmittag ein Treffen mit einer Schreibkollegin im Wiener Kaffeehaus Weidinger. Sie überrascht mich mit Blumen und einem schokoladigen Miniküchlein mit Geburtstagskerze.

Donnerstag, 27. März

Obwohl ich am Abend früh schlafen gegangen bin, fühle ich mich am Morgen wie nach einer durchgefeierten Nacht. Mein Herz hat einen Kater, – einen Geburtstagskater vielleicht? Draußen auf der Terrasse wartet die Astskulptur auf ihre Reparatur. Meine ersten Versuche zeigen, dass nichts mehr zu machen ist, dass ich noch einmal ganz von vorne anfangen muss. Also mache ich mich an diesen schwierigen Anfang. Wie bringe ich das Ganze zum Halten? Eine knifflige Sache, die volle Konzentration und absolute Hingabe erfordert. Mittags ist es so weit, – die Äste beginnen in sich Halt zu finden. Jetzt weiß ich … noch ein paar Stunden Arbeit – und die Skulptur wird so sein, wie ich sie gerne hätte.

Freitag, 28. März

Auch am Nachmittag ist es hinten im Garten noch ziemlich frisch. Eine Wiener Freundin ist zu Besuch. Sie hat ihren dreijährigen Enkel mitgebracht. Für die Hühner ist das ein Fest. Sie werden ausgiebig mit Löwenzahnblättern gefüttert. Wie ein kleiner Wichtel marschiert der Enkel mit den Hühnern durch das Gelände. Diese schnattern gemütlich und erzählen ihre Geschichten. Der Kleine staunt und lässt sich von den Hühnern bezaubern.

Samstag, 29. März

Im intensiven Zusammenarbeiten an ähnlichen Themen entsteht ein zunehmend intensiver und vertrauensvoller Austausch. Heute treffen wir einander wieder … die Teilnehmenden vom Memoir 2 Kurs. Jede arbeitet bei sich zu Hause. Wir treffen einander auf Zoom. Verbunden durch das digitale Netz und unsere Kursleiterin sind wir im Gespräch und Austausch.
Das Schreiben eines Memoirs ist oft ein Ringen mit sich selbst – zwischen Ordnung und Chaos, zwischen der Sehnsucht nach Ausdruck und Zurückhaltung. Ich freue mich auf unser gemeinsames Tun.

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