Romys Nacht und Tag-Buch 111
Ein morgendlicher Blick aus dem Fenster. Die schwingenden Äste der Trauerweide wirken wie zärtlich grüne Regenbänder. Von hinten im Garten winken sie mir entgegen. Darunter mein roter Stuhl. Wenn ich nachmittags dort sitze, lasse ich mich von der Sonne wärmen und höre den Hühnern zu.
Sonntag, 16. März
Kürzlich las ich einen Roman, in dem die Atmosphäre in Wien, Anfangs des 21. Jahrhunderts, auf eine besonders feine Art abgebildet war. In dieser Zeit war ich neu in Wien und hatte daher einen besonders genauen Blick, auf die Eigenheiten von Ort und Zeit. Was mich im Lesen am meisten überraschte, war, wie überholt manches schon nach so kurzer Zeit klingt. Wie sehr sich der Ton, der Umgang miteinander und der Alltag verändert haben.
Montag, 17. März
Momentan treibt mein Kopf durch Bücherwelten. Ich lese viel und meine Gedanken kreisen um die Geschichten. Manchmal bekomme ich davon einen dumpfen Kopf. Dann muss ich raus. Das Wetter spüren, weit gehen oder mit dem Rad durch die Landschaft sausen. Gestern war das Radeln dran. Am Wegrand haben sich durch den Regen größere Pfützen gebildet. Bald wird das Schilf neu austreiben. Höchste Zeit, um mir ein Bündel davon zu schneiden. Für die Reparatur einer über die Jahre durch Wind und Wetter zerzausten Skulptur brauche ich trockene Schilfstängel. Das elend lange Bündel befestige ich auf meinem Gepäckträger. Es ist federleicht und macht mir beim Nachhause-Transport keine Schwierigkeiten.

Dienstag, 18. März
Ein Geburtstagsfest bei einer Freundin in Wien. Wir feiern gleichzeitig auch den Beginn ihrer Pension. Pensionistinnen-Brötchen hat sie uns angekündigt und jetzt stehen sie vor uns, wunderbar komponiert und auf Platten arrangiert. Im Salon eine Männerrunde. Ich setze mich dazu. Wir reden über unsere gerade beginnende Sicht auf eine begrenzte Lebenszeit und sich das auswirkt, – über Sucht, Freiheit, und darüber, was Glück sein könnte. Drüben am Frauentisch kommt das Gespräch auf Hühner, Hühnersprache und den wohlig wirkenden Klang ihrer Stimmen, wenn sie plaudern und zufrieden sind.
Sollen wir mal wieder eine gemeinsame Radltour machen, frage ich in die Runde. Der Polt-Radweg im Weinviertel stößt auf Interesse. Sobald das frostige Wetter vorbei ist, könnten wir losradeln.
Mittwoch, 19. März
Das Frühjahrsgärtchen hatte ich eigentlich zum Geburtstag meiner Tochter als Geschenk gestaltet. Weil ich aber keine Blumenerde zu Hause hatte, habe ich mir mit Maulwurfshügelerde geholfen. Nach dem Angießen ist die gefüllte Emailschüssel so schwer geworden, dass ich den Plan, sie mit dem Zug nach Wien mitzunehmen, fallen gelassen habe. Jetzt erfreut das Gärtchen mich jeden Tag auf der Stiege direkt vor meiner Haustür. Ich mache Fotos vom Entwicklungsprozess und schicke meiner Tochter Bildreportagen.

Donnerstag, 20. März
Auch wenn der Blick beim Gehen bodenwärts geht, sind interessante Entdeckungen möglich. Der geschwungene Schatten eines Gartenzaunes am Fuß einer alten Linde zieht meine Aufmerksamkeit auf sich.
Aber halt, was glänzt da so silbern? Beim Näher-gehen entdecke ich winzige Insekten. Mein Blick wandert dem Baumstamm entlang aufwärts. Da krabbelt es zu Hunderten, nein zu Tausenden. Jedes Insekt eine Schönheit, mit einem interessanten Muster auf dem Rücken, kleinen neugierigen Augen, zwei Fühlern, die Umgebung abtastend und sechs flinke Beinen. Beim Recherchieren finde ich heraus, dass sie Lindenwanzen genannt werden und dass sie trotz gelegentlichem Massenauftreten harmlos sind.

Freitag, 21. März
Pavina, das Bielefelder Kennhuhn und meine zwei Barnefelder-Hühner, Ginger und Alissa, legen momentan jeden Tag ein Ei. Das vierte, ein New Hamshire Huhn, heißt Mareike. Sie ist mein Goldhuhn und hat noch nie ein Ei gelegt.
Am Rand zum Zaun haben die Hühner mit ihrem ausgiebigen Scharren tiefe Mulden gegraben. Ich fülle die Lücken, damit der Zaun wieder fest in der Erde eingegraben ist. Wir wollen den Marder ja nicht einladen, so einfach mal durchzukriechen und im Stall ein Massaker anzurichten. Für die Hühner ist dieses in der Erde herumgraben ein Fest. Unzählige Regenwürmer tauchen auf und werden mit Vergnügen verspeist.

Samstag, 22. März
Zum Lesen setze ich mich manchmal auf die Treppe vor der Haustür. Dort ist die Mittagssonne besonders warm. In dieser Jahreszeit ist mir ihre Wärme noch sehr willkommen.
Am Insektenhotel herrscht ein reges Leben. Verschiedenartige Wildbienen gehen ein und aus. Aus dem Vorgarten höre ich es brummen. Eine dicke Hummel auf Nahrungssuche. Das Angebot an Nektar und Pollen ist noch begrenzt. In der Nacht ist es frostig kalt, darum sind viele Knospen noch in einer Warteposition.
Liebe Romy,
ich hab mich ganz beglückt in deine bildreiche Erzählung reingleiten lassen.
(M)eine kurze Auszeit in der grad sehr getakteten Aufgabenbewältigung meines Alltags..
Danke dafür!!🙏🏼😌
Ich liebe dein farbenfrohes Frühlingsarrangement..😍 und herrlich.. dein Schilfausritt👌🏼..
Und mein gedanklicher Ausflug zu dir in den Hühnerstall, unter den wiegenden Trauerweidenvorhang.. und auf die sonnenwarme Vorgartenstiege..
und, und,..
Was für eine wunderbare Mini-Auszeit💚!
Danke!
Ganz liebe Grüße
Sabine
Liebe Sabine
ja, manchmal kann der Alltag und die vielen Aufgaben einen auch ganz schön ins
Strudeln.
Ich erinnere mich noch gut an diese Zeiten in meinem Lehrerinnenleben.
Um so schöner, dass du mit mir mit geritten bist – mit dem Drahtesel – ins Schilfland.
Ganze liebe Grüße
Romy
🤗Jaaa… mit dir mitgeritten 🥰!
Stimmt… es strudelt mich durch..
Ich wünsche dir einen wunderschönen Frühlingstag!
Ganz liebe Grüße
Sabine