Romys Nacht- und Tag-Buch 106
Im Erinnern können Momente, die mehr als dreißig Jahre zurückliegen, zu plötzlicher Lebendigkeit erwachen. Schreibend begebe ich mich an andere Orte und in andere Zeiten. Was hat mich damals geprägt und wie beeinflusst es mein heutiges Leben? Was habe ich gelernt? Diese Fragen begleiten mich durch die Woche.
Sonntag, 9. Februar
Eine liebe Nachbarin hat mir ihr Zauberkästchen vorbeigebracht. Auf diese Weise kann ich trotz meines streikenden Internetzugangs ungestört über Zoom am Schreibwochenende unseres Advanced-Memoir-Kurses teilnehmen.
Wir gehen essenziellen Fragen nach: Wie können Charaktere lebendig werden und auch in ihrer Widersprüchlichkeit dargestellt werden? Was baut in einem Text Spannung auf? Gibt es Fragen, die wie eine tickende Uhr aus dem Hintergrund wirken? Wie ist der Aufbau der einzelnen Szenen, die Struktur? Wie wichtig ist es, dass ich mich orientiert fühle und mit Worten Bilder im Kopf der Lesenden erzeuge? Was treibt die Geschichte voran, und welche Veränderungen geschehen innerhalb von ihr?
Montag, 10. Februar
In Ulrichskirchen unterhalb des Wartberges entlang gehen. Die Sonne hat nur wenig Kraft an diesen Nachmittag. Sie spiegelt sich in den im leichten Wind wehenden Schilffahnen. Diese fangen das Licht auf und bringen es vom Himmel auf die Erde. Die schon ein wenig verwuschelten Samenstände wirken wie ein zarter Zauber in der Landschaft.

Dienstag, 11. Februar
Was bewirkt es, wenn ich jeden Tag diese kurzen Tagebuchtexte schreibe, wenn ich Momente mit Worten lebendig werden lasse?
Mir wird bewusst, wie reich das Leben leben ist, auch (und gerade) das ganz gewöhnliche Alltagsleben, welche Schätze in jedem Moment auf mich warten. Dankbarkeit, Verankerung im Hier und Jetzt, Staunen über die Fäden, die sich durch mein Leben spinnen und die Zusammenhänge.
Mittwoch, 12. Februar
Schafkönigin steht in meinem Kalender. Ich reise zu meinen Freunden auf den steirischen Bauernhof und betreue dort für ein paar Tage als allein Zuständige die Tiere. Im Winter sind die Schafe im Stall. Ein lautes Blöken empfängt uns als wir den Stall betreten. „Her mit dem Futter“, soll das wohl heißen. Auch ein Huhn hat sich in Warteposition begeben. Es krallt sich im dicken Fell eines Schafrückens fest. Mario instruiert mich. Wasser kontrollieren und nötigenfalls den Behälter ausputzen, Futterbehälter reinigen und das Futter gerecht zuteilen, Heukrippen füllen. Dann beginnt das große Schmausen. Das frischgeborene Lämmchen hängt an den Zitzen des Mutterschafes. Es hat eine 24-Stunden Versorgung.
Donnerstag, 13. Februar
Gestern Vormittag sind sie weggeflogen und nun bin ich allein zuständig. Die Hausheizung will mit Holz befüllt werden. Der Anzündvorgang startet automatisch, sobald das Wasser in den Heizkörpern eine gewisse Temperatur unterschreitet. Ich bin froh, als ich den Rauch über dem Kamin sehe. Es hat funktioniert! Dann in der Küche sitzen und Texte überarbeiten. Der Hund liegt neben mir. Sobald ich aufstehe, beginnt er zu schwänzeln und tanzt aufgeregt neben mir her. „Ja, wir gehen jetzt“, sage ich ihm. Draußen ein Kontrollgang zu den Schafen und dann ein Spaziergang durch den trüben Nachmittag.

Freitag, 14. Februar
Zurück in Japan. Damals war ich noch keine dreißig Jahre alt. Schreibendes Wiedererleben. Plötzlich ist auch wieder die japanische Sprache da. Ich habe sie nicht vergessen. Bruchstücke von Dialogen. Damalige Augenblicke. Wie lebendig sie noch in meiner Erinnerung sind. Eine prägende Zeit, wie ich im Rückblick merke. Abends koche ich mir eine Minestrone. Sie holt mich zurück ins hier und jetzt.
Samstag, 15. Februar
Die Schafe beginnen laut zu blöken, sobald ich in der Früh den Schafstall betrete. Am lautesten aber schreit der Hahn. Von oben auf der Stange hat er einen Überblick übers Geschehen. Bald beginnt ein eifriges Schmausen. Auch der Hahn mischt sich unters Hühnervolk und versucht einen Happen zu ergattern. Draußen hat es geschneit in der Nacht. Der schwarze Kater begutachtet die Szenerie. Auf der Heurolle ist ein gemütliches Sitzen und er lässt sich nicht stören, als ich beginne, mit dem Heu die Scheibtruhe zu füllen.

Liebe Romy,
immer wieder schön zu lesen. Du bist eine Tausendsassain, jetzt also auch noch Schafhirtin. Das Foto der Samenstände erinnert mich an japanische Holzschnitte, auch da kann man den Einfluss Deiner Lebensfäden sehen. Lass es Dir gutgehen.
Liebe Grüße
Liebe Antje, wie geht es dir im Nordseewinter?
Ich freue mich, von dir zu hören.
Liebe Grüße aus der Steiermark
Romy
Liebe Romy!
Wenn ich samstags um 9:30 Uhr aufwache, freue ich mich schon auf dein Geschriebenes.
Meistens habe ich noch nichts erlebt, außer eine Tasse Kaffee getrunken, an diesem Tag.
Aber durch deine Erzählungen beginnt Samstag immer gleich so schön positiv.
Ich danke dir für dein so pünktliches und immer wiederkehrendes Schreiben, dass mir jedes Mal große Freude bereitet.
Wir haben einander einmal bei einer Sammelausstellung im Schloss Wolkersdorf durch Natascha Auenhammer kurz kennengelernt.
Da habe ich mich auf deinen Newsletter geschrieben und seitdem lese ich und verfolge deine immer schönen und positiven Erzählungen.
Es würde mich freuen, wenn wir einander einmal auf einen Spaziergang in deiner Wohngegend treffen könnten, damit ich für die nächsten Geschichten, die du sicher schreiben wirst, noch mehr Bilder im Kopf habe.
Liebe Grüße
Birgit Edlhofer
Danke liebe Birgit, es freut mich zu hören, dass ich in dir eine so treue Leserin gefunden habe.
Bitte melde dich, wenn du in meiner Gegend bist.
Auf bald – herzliche Grüße
Romy