Ein Bad in der Liebe

Porzellandose mit Liebespaar

Ich bin aus der Liebe gewachsen.
In der Liebe bin ich zu Hause.
Sie ist der Grund für alles, was ist.

Großvater

Schon wieder mein Großvater … Immer, wenn ich an die Liebe denke, taucht er in meiner Erinnerung auf. Ich höre sein unbändiges Lachen, sehe seine blitzenden Augen und seine großen Hände. Er steht in der Küche und ein feiner Geruch nach Kaninchenbraten kitzelt in meiner Nase. „Rosa“, ruft er, dann lauter „Rosel“. Rosa ist seine große Liebe, meine Großmutter.

Gelebte Liebe

Mit ihr geht er durch die Jahre, durch dick und durch dünn. Sechs Kinder haben sie gemeinsam großgezogen. Sie mussten erfinderisch sein, um sich eine Existenz aufbauen zu können. Waren Bauern, Mesner, haben Nähmaschinen verkauft und repariert, auch Fahrräder wieder ins Laufen gebracht, Näharbeiten für die Fabrik erledigt und Gemüse für die Konservenfabrik angebaut. Am Waschtag übernahm immer Großvater das Kochen. Legendär war nicht nur sein Kaninchenbraten. Das Kochen war seine Passion.

Die roten Schuhe

Das Leben meiner Großmutter als Kind war nicht einfach. Der Vater früh gestorben. Ein Leben in Armut. Dann trat ein Stiefvater an Vaters Stelle. Den ganzen Sommer durch sind die Kinder damals barfuß gelaufen. Im Herbst, als es kälter wurde, hat man die Schuhe wieder hervorgeholt. Die Schuhe meiner Großmutter waren kaputt und viel zu klein geworden. Am Markttag versprach ihr der Stiefvater neue Schuhe zu kaufen. Leider liebte er es auch „tief ins Glas“ zu schauen. Am Markttag waren die Verlockungen einfach zu groß. Erst spät in der Nacht kam er torkelnd nach Hause. Ohne Schuhe.
Im Dorf, in dem meine Großmutter aufgewachsen ist, gab es auch eine reiche Familie. Das Mädchen ging mit meiner Großmutter in dieselbe Klasse. Am nächsten Tag zeigte ihr das Mädchen voller Stolz ihre neuen Schuhe. „Weißt du, wer mir die geschenkt hat?“, fragte sie. Meine Großmutter, neugierig geworden, schüttelte den Kopf und schaute neidisch auf die wunderschönen roten Schuhe. „Das war dein Stiefvater“, sagte das Mädchen, „gestern als ich am Markt war“.

Geschichten als Nahrung

Aber ich bin abgeschweift … ich wollte ja von der Liebe erzählen. Oder vielleicht gehört diese Geschichte doch auch zu der Liebe dazu? Meine Mutter hat mir das alles erzählt. Sie war eine leidenschaftliche Erzählerin. Ihre Geschichten waren meine Nahrung und mein Glück. Wenn sie erzählte, war das für mich wie ein Bad in ihrer Liebe.
Wie war das, als meine Großeltern einander kennengelernt haben? Auch davon hat mir meine Mutter erzählt: Sie sind mit dem Tandem den ganzen weiten Weg von der Ostschweiz zum Klausenpass gefahren, um sich gemeinsam das Klausenrennen anzuschauen. Das habe ich mir als Kind immer abenteuerlich und sehr romantisch vorgestellt.

Das Liebespaar

Ich glaube, dass mein Großvater sich damals unsterblich in meine Großmutter verliebt hat. Verraten hat mir das die Porzellandose mit dem sich innig umarmenden Paar, welche ich aus dem Nachlass meiner Großeltern geerbt habe. Mein Großvater hat sie damals seiner Liebsten geschenkt. Immer, wenn ich sie betrachte, überzieht ein Lächeln mein Gesicht. Ich denke an meinen Großvater als jungen, stürmisch verliebten Burschen. Auf der Dose kniet der Mann vor seiner Angebeteten. Etwas von diesem großen Respekt und der Zugewandtheit meiner Großmutter gegenüber habe ich schon als kleines Kind mitbekommen. Es ist ein Geschenk so wie auch die bedingungslose Liebe meines Großvaters zu mir. Sie hat mir Sicherheit gegeben und den Boden geebnet. Er war mein Pate. Das hat er sich schon vor meiner Geburt so innig gewünscht, dass meine Mutter ihm das nicht abschlagen konnte.

Rosa-Maria

Von der Großmutter habe ich meinen Namen geerbt. Bei mir hat sich die Rosa mit der Maria verbunden. Meine Eltern gaben mir den Namen Rosmarie. Meine beiden Namen sind innig mit der Liebe verflochten. Das wird mir jetzt gerade bewusst. Maria, die Gottesmutter, verkörpert die Liebe in all ihren Facetten und die Rose ist ein uraltes Symbol für die Liebe.
So wurde ich mit der Taufe und dem Erhalt meines Namens in der Liebe gebadet. Was für ein verheißungsvoller Start ins Leben.

Tasse mit Rose
Die Rosentasse meiner Großmutter

6 Kommentare

  1. Ein wunderbarer Text, liebe Romy. Ich kann mir deinen Großvater so gut als stürmisch verliebten jungen Mann vorstellen. Und die Enttäuschung deiner Großmutter, als sie die roten Schuhe an den Füßen ihrer Schulkameradin sah.
    Die liebevollste Mariendarstellung für mich befindet sich an der Marienbrücke, die den Donaukanal überquert. Die offizielle Version lautet: Madonna mit Jesuskind, Vernichterin der Sünde. Wenn ich mir den unteren Teil aber wegdenke, dann schaue ich auf die liebende Mutter, die ihr Kind vor den Fluten schützt.
    LG – Uli

    1. Danke Uli

      Vielleicht machen wir mal gemeinsam einen Spaziergang zu dieser Donaumarie. Ich bin neugierig zu sehen, wie sich dieses Liebevolle ausdrückt. In Wien gibt es so vieles zu entdecken und manchmal wartet die Liebe am Wegesrand.

      Liebe Grüße Romy

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