Wilde Schönheiten

Japanknöterichstängel montieren

Romys Nacht- und Tag-Buch 35

Brombeeren und Japanknöterich. Diese wilden Pflanzenschönheiten haben es mir angetan. Durch die Vorbereitungsarbeiten für die Tage der offenen Ateliers komme ich in einen besonderen Austausch mit ihnen. Beide Pflanzen sind stille Eroberinnen. Die eine wird geduldet, von manchen sogar geliebt, die andere wird massiv bekämpft.

Sonntag, 1. Oktober

Zwischen den Orchideen am Fenster leuchtet der Mond. Ich betrachte die Wand vor meinem Bett und überlege, wie ich die acht Bilder, welche ich gestern gerahmt habe, anordnen könnte. Oder vielleicht doch eher in der Wohnwerkstatt über dem Arbeitstisch? Die Cyanotypien mit den Brombeerranken haben eine sehr lebendige und dynamische Wirkung. Sie verkörpern für mich die wilde Schönheit der Steiermark.
Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, an dem ich sie bei meiner Freundin Theresia hinter dem Hühnerstall am Zaun entdeckt habe. Ein vorsichtiges Abschneiden und Transportieren. Wilde Brombeeren haben spitze Stacheln, die einem ganz schön weh tun können. In der dunklen Werkstatt wartet die auf einem Brett montierte, präparierte Rohbaumwolle. Ich fixiere die Ranken auf dem Stoff. Anschließend trage ich das Brett gemeinsam mit Theresia hinaus in die gleißende Sonne zum Belichten. Der belichtete Stoff wird in einem großen Bottich mit Wasser entwickelt. Der Moment, in dem das blaue Abbild erscheint, bleibt unvergesslich.

Cyanotypie mit Brombeerranken
Wilde Schönheit“, Cyanotypie mit Brombeerranken © Romy Pfyl 23

Montag, 2. Oktober

In den gerahmten Cyanotypien mit den Brombeerranken kommen die feinen Details besonders schön zur Geltung. Auf dem Stoff entfalten sich die wunderschönen Blaunuancen in feinen Abstufungen. Wenn ich meine Bilder hänge und im Raum positioniere, dann staune ich immer wieder über die spezielle Wirkung, welche von den Cyanotypien ausgeht. In ihnen wird das Wesen der Pflanzen auf wundersame Art sichtbar gemacht. Die blaue Farbe, die in der Pflanzenwelt eher selten vorkommt, zieht meine Augen in ihren Bann und lässt sie tief in die Bilder hineinsinken. Ich probiere verschiedene Bildanordnungen aus und entscheide mich letztlich für eine lebendige Variation, in der sich die Ranken frei in alle Richtungen bewegen können.

Brombeerrankenbilder aufhängen
Vorbereitungsarbeiten für die Tage der offenen Ateliers

Dienstag, 3. Oktober

Kopfschmerz, eine laufende Nase und Husten. Au weh … Werde ich meine Pläne ändern müssen? Mir vielleicht Bettruhe gönnen, Tee trinken und den schönen Herbsttag durch das Fenster neben dem Bett genießen? Ich überlege, was ich alles umplanen muss. Morgen wird die Ausstellung in Mistelbach abgeräumt. Da müsste ich jemanden bitten, meine Bilder abzuhängen, einzupacken und mitzunehmen. Das fällt mir nicht so leicht. Es wäre schade, nicht dabei zu sein. Ich habe mich schon sehr darauf gefreut, die Ausstellung gemeinsam mit den anderen Künstler*innen abzuschließen.

Mittwoch, 4. Oktober

Ein Gespräch mit dem Orthopäden hat mich gestern aus meiner (Bett)Ruhe katapultiert. Ich rufe an, weil gewisse Bewegungen beim operierten Knie schmerzen. Er meint, es gäbe zwei Lösungen für das Problem. Entweder ich trainiere den Musculus vastus medialis und es gelingt dadurch die Kniescheibe zu stabilisieren oder die Kniescheibe muss operativ entfernt werden. Musculus vastus medialis so heißt der Beinstrecker Muskel, der zuständig ist, für den letzten Teil der Beinstreckung. Auf YouTube finde ich ein Video, bei dem alles genauestens erklärt wird, auch wie die Übungen aufgebaut werden können. Kein Wunder, dass dieser Muskel bei mir zu schwach ist. Vor der Operation konnte ich drei Jahre lang das Bein nicht mehr gerade ausstrecken.

Donnerstag, 5. Oktober

Zum Glück war die Verkühlung nicht so gravierend, wie es sich im ersten Moment angefühlt hat. Ich fahre mit einem Künstlerkollegen nach Mistelbach. Wir sind so sehr in unsere angeregten Gespräche vertieft, dass die schöne Landschaft fast unbemerkt vorüberfliegt. Wir sprechen über die rasenden Veränderungen, die unsichere Weltlage und wie belastend das für viele von uns ist. Ich denke gerade, dass das genau gleiche Gespräch auch vor vierzig Jahren, vor hundert, vor dreihundert Jahren hätte stattfinden können. Im Wesentlichen hat sich wenig verändert.
Bevor wir ins Mamuz fahren, gönnen wir uns noch einen Besuch im schönen Cafe Harlekin. Die warme, köstliche Suppe erfrischt und tut mir gut. Ich bin noch ein wenig erschöpft vom Vormittag. Holztransport mit der Scheibtruhe und Birkenholzscheite für den Wintervorrat schlichten.
Beim gemeinsamen Abräumen unserer Ausstellung sind fast alle Künstler*innen anwesend und ich genieße das Plaudern und gemeinsame Schmausen.

Holzstoss
Ich freue mich auf die feine Birkenholz-Wärme an kalten Wintertagen

Freitag, 6. Oktober

Heute geht es weiter mit den Vorbereitungsarbeiten. Ich habe mir am Bach Stängel vom Japanknöterich geholt. Damit möchte ich ein Objekt für die Wand über dem Holzofen kreieren. Den Stängeln sieht man ihre japanische Herkunft an. Sie wirken ein wenig Bambus-ähnlich. Die Floristen verwenden sie schon seit vielen Jahren für ihre Dekorationen. Sie kreieren damit interessante Gestaltungen. Meine Wand-Gestaltung werde ich eher schlicht halten. Die Stängel werden parallel angeordnet. Ich denke, damit kann ihre Eigenart gut zur Geltung gebracht werden.

Japanknöterichstängel
Japanknöterichstängel vom Bachrand

Samstag, 7. Oktober

Zum Japanknöterich habe ich eine besondere Verbindung. So wie er bin ich eine Einwanderin in diesem Land. Im Gegensatz zu mir wird er allerdings nicht so gut aufgenommen. Das hat damit zu tun, dass er sich ziemlich breit macht, ständig neue Plätze erobert und sich nicht so leicht vertreiben lässt. Mit den Fruchtständen des Japanknöterichs habe ich meine erste große Cyanotypie-Serie gestaltet. Auch er ist eine wilde Schönheit. Gestern habe ich mit der Hilfe eines Künstlerfreundes das Objekt mit den Japanknöterichstängeln an der Wand über dem Holzofen montiert. Sie wirken dort sehr präsent. Durch die Wärme des Feuers im Winter werden sie langsam trocknen und ihre jetzt noch grüne Farbe wird in ein warmes Braun übergehen.


TAGE DER OFFENEN ATELIERS IN NIEDERÖSTERREICH

Schau vorbei!
VOM WESEN DER NATUR

21. und 22. Oktober
Samstag 14-18 Uhr
Sonntag 10-12 und 14-18 Uhr

Romy Pfyl/ floramiraculo ArtLabor/ Hauptstraße 146/ 2120 Obersdorf


2 Kommentare

  1. Die Hängung deiner Brombeerranken-Cyanotypien ist dir sehr gut gelungen! Wunderschön! So kommt ihre Schönheit sehr gut zur Geltung. Wie gerne wäre ich beim Tag des offenen Ateliers dabei! Bin gespannt, wie der Japanknöterich dann an der Wand überm Ofen wirkt.
    Gut, dass sich deine Erkältung wieder verzogen hat und du deine Bilder in Mistelbach selber abhängen konntest und dabei die anderen Künstler*innen treffen konntest. Alles Gute für dein Knie! Möge das Training helfen und dir eine weitere OP erspart bleiben.
    Liebe Grüße
    Kerstin

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