Romys Nacht- und Tag-Buch 30
Eine Woche mit reicher Ernte. Wenn ich mit dem Rad durch die Gegend fahre, finde ich eine bunte Fülle von Köstlichkeiten vor den Haustüren, die ich zu einem günstigen Preis erwerben kann. Mein Garten bietet Spinat und vollreife gelbe Pfirsiche. Und die Vorbereitungsarbeiten für die Ausstellung im Mamuz wecken Erinnerungen an die besonderen Qualitäten vergangener Sommer. Ich erfreue mich an den entstandenen künstlerischen Arbeiten.
Sonntag, 27. August
Mein Vorgarten feiert den Spätsommer. Die gelben Kugeln des Weingartenpfirsichs werden nach und nach weich und beginnen köstlich zu duften. Erntezeit. Jeden Tag hole ich mir ein großes Sieb, gefüllt mit diesen feinen Früchten. Auch die zwei kleinen Nachbarbuben haben ihre Freude daran. Sie flitzen nackig durch den Garten und beißen genussvoll in diese saftige Süßigkeit. Meine Gläser und die Gefriertruhe füllen sich langsam und ich freue mich darauf, auch im Winter gut versorgt zu sein.
Montag, 28. August
Ein diesiger Morgen. Jetzt bin ich schon froh, wenn das Wetter nicht so klar ist. Die Hitze der letzten Tage hat mir zunehmend zu schaffen gemacht. Sie mischt sich ein in meinen Tagesablauf und gebietet mir Ruhe und Nichtstun. Bei jeder Anstrengung tropft mir der Schweiß vom Gesicht und ich bin schnell ermüdet. So hat sich im Haus unterdessen einiges angesammelt, das zu tun wäre. Ich liege noch in meinem Terrassenbett und um meine Füße weht ein kühler Wind. Von der Straße her höre ich den Morgenverkehr, Wochenbeginn. Ich nehme mir vor, heute eine Räum- und Putzrunde durchs Häuschen zu machen.
Dienstag, 29. August
Auf dem Boden meiner Wohnwerkstatt liegt ein weißlicher Flaum. Der Kompasslattich lässt seine Samen fliegen. Weil es im Häuschen drin aber keinen Wind gibt, hat er seine kleinen Pusteblümchen ungestört entfalten können. Hunderte von diesen kleinen, weißen Kügelchen zieren eine einzige Pflanze. Die Blätter haben sich schon herbstlich, golden verfärbt.
Wie kann ich diese Pflanzenschönheit bei der Ausstellung im Mamuz so präsentieren, dass sie gewürdigt wird? Dass sie sich jetzt durch die große Hitze in Richtung Vollreife bewegt, bietet eine zusätzliche Herausforderung. Ich werde wohl Maßnahmen ergreifen müssen, damit die kleinen Sämchen für die Zeit der Ausstellung oben auf der Pflanze bleiben und sich noch nicht auf die Reise machen.
Mittwoch, 30. August
Vorbereitungsarbeiten für die Ausstellung. Die zwei großen Kompasslattich Bilder ziehe ich auf einen Keilrahmen auf. Meine Werkstatt im Keller bietet mit seinem ausladenden Tisch und der hellen Beleuchtung ideale Bedingungen. Ich liebe es hier unten zu arbeiten, abseits der übrigen Welt, ruhig, wie in einer Höhle. Es braucht Konzentration, um die Bilder exakt auf den Rahmen zu bringen. Dieses handwerkliche Arbeiten liegt mir. Ich werde die Komposition der Bilder an der großen Wand in der Wohnwerkstatt ausprobieren. Am Nachmittag drucke ich Fotos aus. Ich habe den Entstehungsprozess dieser Bilder umfassend dokumentiert. Mit dem Betrachten der Fotos gehe ich zurück in diese Zeit. So vieles hat sich inzwischen verändert und mir wird bewusst, dass jeder Sommer meines Lebens eine neue Qualität hat.
Donnerstag, 31. August
Während der Nacht klopft der Regen leise auf das Terrassendach und begleitet mich durch meine Träume. Die Luft ist feucht und frisch. Der Boden im Garten saugt das Wasser auf und die große trockene Not hat ein Ende. Gestern habe ich die Wand in meiner Wohnwerkstatt neu gestrichen. Beim Arbeiten auf der Leiter muss ich noch vorsichtig sein. Meine Beine sind nicht so reaktionsschnell, wie ich es gerne hätte. In der Nacht schmerzt das Knie bei gewissen Bewegungen und es fühlt sich steif an. Das auf die Leiter steigen hat es wohl ziemlich gefordert. Heute werde ich die Bilder auf der neu gestrichenen Wand positionieren und ich bin schon sehr gespannt wie es wird.
Freitag, 1. September
Langsam aufwachen, Kaffee trinken und den Vögeln zuschauen. Ein Eichelhäher fliegt zur Schwarzkiefer, hockt sich auf einen der rötlich dörren Äste und schaut in meine Richtung. Er gibt eine kurzen Krächzer von sich. Beobachtet er mich auch? Dann fliegt er weiter zur Blaufichte. Plötzlich bin ich mir nicht mehr sicher. Es könnte auch eine Elster sein. Meine Augen sind müde. Irgendwie sind sie noch nicht auf scharf eingestellt. Auch das Denken geht langsam. Ich bin noch schläfrig und im Ruhezustand. Wie jeden Morgen höre ich den Vögeln zu. Sie begleiten mich beim Wachwerden. Kürzlich habe ich irgendwo gelesen, dass der Vogelgesang sich positiv auf das Gemüt auswirkt. Das wurde in wissenschaftlichen Untersuchungen nachgewiesen. Der Autor des Artikels schlug vor, sich bei Bedarf den Vogelgesang von einem Tonträger zu Gemüte zu führen. Das stelle ich mir komisch vor. Wenn ich draußen auf der Terrasse aufwache und den Vögeln zuhöre, bin ich in Verbindung mit jedem dieser Vogelwesen. Die Elster ist weiter geflogen. War sie erstaunt, dass ich sie für einen Moment mit dem Eichelhäher verwechselt habe?
Samstag, 2. September
Gestern ein Seminar im botanischen Garten in Linz. Botanografie, eine Suche nach Schreibinspirationen, mit Silke Rosenbüchler.
Einfach drauflosschreiben und sich von der eigenen Kindheit, der Umgebung, den Pflanzen und den botanischen Worten befruchten lassen:
ZU HAUSE AUF WÜSTEN PLÄTZEN
Irgendwann kommen die Rosen in dein Leben,
dann ein Bocksdorn, wollzottig und dornenlos.
Deine schwarzen Gummistiefel sind kronentrichtrig
und stets mit frischen Blumen umwunden.
Du bist eine winzige Schönheit,
länglich, lanzettlich und eiförmig gestielt.
Ausstellung
WOLKERSDORF BESUCHT MISTELBACH
m-zone
MAMUZ
Waldstraße 44-46, 2130 Mistelbach
Ausstellungsdauer:
8. September – 1. Oktober 2023, kann Di – So von 10 bis 17 Uhr besichtigt werden
Ah, die Romy ist fleißig mit der Vorbereitung der nächsten Ausstellung beschäftigt. Bin gespannt, wie du die Pusteblümchen auf dem Kompasslattich für die Reise fixiert bekommst. Ich stelle mir gerade deine eingeschneite Wohnung vor. Bin gespannt, was du von dem Botanografie-Seminar in Linz berichten wirst. Interessante Wortschöpfungen in deinem Gedicht.
Danke Kerstin, ja gespannt bin ich auch. Die Natur bietet mir immer wieder neue Überraschungen.