Taglilien und Nachtkerzen

Taglilienblüte

Romys Nacht- und Tag-Buch 22

Der Juli-Vollmond macht die Nächte hell. Er beschert mir einen eher unruhigen Schlaf. Das gelbe Leuchten der Nachtkerzen lässt meinen Vorgarten in der Nacht strahlen und die Taglilien inspirieren mich zu kulinarischen Experimenten.

Sonntag, 2. Juli

Meine Socken erinnern mich an einen besonderen Moment. Wir, das heißt meine Mutter und ich, befinden uns in der Wollabteilung vom Mythen-Center. Ich bekomme neue selbstgestrickte Socken von ihr. Wir beratschlagen und werweissen. Mich lacht eine vielfarbige Wolle an und meine Mutter ist eher für etwas Dezenteres. Unterdessen ist es schon bald drei Jahre her, dass sie gestorben ist. Jetzt umhüllen und wärmen diese Socken schon seit vielen Jahren meine Füße. Ich liebe dieses bunte umkringelt sein. Die ursprünglich leuchtenden Farben sind schon ein wenig verblasst und dezenter geworden. Heute Morgen ist es noch ein wenig kühl in meinem Sommer-Bett auf der Terrasse. Also leisten sie mir wieder einmal, wie so oft, ihre wertvollen Dienste. Es waren die letzten Socken, die meine Mutter für mich gestrickt hat.

Bunte Socken
Die gekringelten, von Mutter gestrickten Socken und im Hintergrund mein Taglilien-Feld vor der Ernte.

Montag, 3. Juli

Zum Frühstück habe ich mir Taglilien-Blüten-Knospen gepflückt. Ich habe sie kurz in heißer Butter geschwenkt und leicht gesalzen. Mit ihrem wunderbar feinen Geschmack und der zarten Konsistenz sind sie eine köstliche Beilage für mein Sonntagsfrühstück. Frisch geröstetes, selbst gebackenes Roggenbrot mit Kürbiskernen und Koriander, würzig-weicher, französischer Schafkäse und Gurkenscheiben runden das Ganze ab. Der Garten-Sommer inspiriert mich zu kulinarischen Höhepunkten. Ich lasse es mir gut gehen.

Dienstag, 4. Juli

Heute Nacht war Vollmond. Donnermond heißt er im Juli. Aber von Donner keine Spur. Höchstens vielleicht ein inneres Donnern. Ich bin ein wenig unruhig und aufgeregt, weil ich heute eine Untersuchung beim Orthopäden habe. Mich beschäftigt die Angst, mein neues Kniegelenk könnte locker geworden sein. Es knackst bei fast jeder Bewegung und manchmal klemmt es. Das macht mich unsicher, ob alles in Ordnung ist und auf einem guten Weg zur Heilung. Im Moment ist mein Vertrauen in dieser Angelegenheit ein wenig angegriffen. Ich hoffe sehr, dass sich keine Komplikationen zeigen. Dann könnte ich dem neuen Knie wieder trauen und das Gedankenkreisen hätte ein Ende.

Nachtkerzen
Die Nachtkerzen bescheren uns einen wunderbaren Duft und bringen in meinen Vorgarten ein nächtliches Leuchten

Mittwoch, 5. Juli

Meine Befürchtungen haben sich zerstreut und ich bin wieder zuversichtlich. Ein Narbengewebe im Knie verursacht bei bestimmten Bewegungen dieses Einklemm-Gefühl im Knie. Aber das lässt sich gut behandeln. Mit Massage und Muskelaufbau sollte das bald besser werden.
Der helle Mond hält mich auch in dieser Nacht lange wach. Ich mache Fotos von den Nachtkerzen. Es ist ein einmaliges Gefühl zu sehen, wie diese Blüten sich im Dunklen öffnen. Nicht dem Licht und nicht der Sonne entgegen. Sie öffnen sich für die Nacht, fürs Dunkle und vor allem natürlich für ihre Kompagnons, die Nachtfalter. Ihr wunderbarer Duft verspricht süßen Nektar und das macht sie unwiderstehlich.

Donnerstag, 6. Juli

Der Regen trommelt aufs Terrassendach. Gerade habe ich eine Runde durch den Garten gemacht. Zum Glück lassen die Schnecken meinen frisch gepflanzten Salat in Ruhe. Ich habe den Karton mit den Setzlingen nach dem Kaufen noch ein wenig auf der Terrasse stehen gelassen, damit sie sich an Sonne, Wind und Wetter gewöhnen. So sind sie, geschützt vor dem Schneckenvolk, robust geworden. Meine Nachbarin hat mir etwas von ihrer Schafwolle abgegeben. Damit habe ich um jedes der eingesetzten Pflänzchen einen Schutzring gelegt. Die heiße, brennende Sonne hat gestern die jungen Salatpflänzchen trotzdem ein wenig strapaziert. So kommt jetzt dieser sanfte Morgenregen gerade recht. Die kleinen Blättchen trinken sich mit Wasser voll und recken sich wieder neugierig in die Höhe.

Monet Garten mit Seerosen
Der Monet Garten in Kagran

Freitag, 7. Juli

Der Schatten der riesigen Platane kühlt die Luft um einige Grad hinunter. Hier ist an diesem heißen Sommertag gut Sitzen und Verweilen. Die gefingerten Blätter wachsen dicht und die Augen müssen sich erst ans abgedunkelte Licht gewöhnen. Ich treffe mich mit zwei befreundeten Pflanzenbegeisterten für eine Runde durch den Schulgarten in Kagran. Dieser Garten ist mir wohlbekannt. Dreizehn Jahre habe ich hier an der Berufsschule unterrichtet. Beim Promenieren durch die Anlage tauchen immer wieder Erinnerungen auf. Wir durchwandern den griechischen Garten, den Japanischen, einen Hexengarten, einen Goethe-Ginkgo-Garten, den Monet Garten, und den Steppen-Garten. Viele wunderbare Orte, die zum Verweilen einladen. Im Sommer habe ich den Unterricht jeweils hauptsächlich hier draußen gemacht. Unter einem Baum sitzend lässt es sich viel leichter verstehen, wie zum Beispiel die Fotosynthese funktioniert.
Den Abend genießen die Nachbarn und ich auf unseren Treppen, zum Vorgarten, bewundern den Abendhimmel, plaudern über dies und das und trinken einen Hugo. Später bestaunen wir zu sechst das Öffnen der Nachtkerzenblüten. Das geht so schnell, dass man es mit den Augen verfolgen kann.

Samstag, 8. Juli

Am Morgen scheint mir beim Aufwachen schon die Sonne ins Gesicht. Die langen sonnigen Tage und die Hitze lassen mich träge, aber auch entspannt werden. Ich gehe die Sachen jetzt ruhiger an. Im Sommerferiengefühl lasse ich mich durch die Tage treiben. Nichts muss und alles darf. Vor mir liegt ein langer Sommer mit viel unverplanter Zeit. Am Vormittag besuche ich meine älteste Enkelin. Sie geht gemeinsam mit ihrer Freundin auf eine erste große Reise. Heute Nacht starten sie. Erst in die Schweiz und dann nach Spanien. Diese Reise haben sie schon lange geplant. Meine Enkelin hat sich dafür das Geld selber verdient. Mit Kaffee ausschenken und Kuchen verkaufen. Ich freue mich und bin auch ein wenig aufgeregt. Meine Gedanken reisen mit.

2 Kommentare

  1. Wundervoll, liebe Romy!!
    Ich tauche abermals sehr berührt in deine Welt und Gedanken-und Gefühlsreisen ein..
    Ich bin auch immer noch sehr berührt und bewegt von deinem Text über deine heilige Wunde…

    Ich empfinde mich in vielen ‚Zwischenwelten‘.. in letzter Zeit.. und versuche mit Papas Tod umgehen zu lernen..
    Da lese ich von deinen gekringelten Mama-Socken und spür innig nach..
    Wunderschön sind die!!
    Ich hab ein Paar aufgehoben, die mir meine (vor 2 Jahren verstorbene)Oma mal gestrickt hat.. dunkelblaue.. schon sehr fusselig, aber herzvoll gehütet..

    Ach.. was für eine Offenbarung, Taglilien kann man essen?!?
    Das muss ich unbedingt probieren!!
    Im ‚neuen‘ /alten (hoffentlich doch noch mal..) zukünftigen (Haus)Garten (dort geht aufgrund wirklich unverständlicher zäher Behördensachen gar nix weiter..) hab ich auch welche von der Vorbesitzerin..

    Spannend, ich hab mir im Frühjahr von einer Frau in Mödling einige Nachtkerzenableger geholt und im neuen Garten gepflanzt.. die blühn auch so wundervoll..:-).

    Hey.. irgendwie ist das echt ‚komisch‘.. beeindruckend .. irgendwie gibt es bei dir immer was, wo was von mir ‚andockt‘..
    Als ich von deinem Knie und den Bedenken wegen diesem Knacksen und so lese, nicke ich innerlich.. mir ging es bei meiner Hüfte genauso (hatte da eine OP wg Knorpeleinriss..) und ich hab auch so Phasen hinter mir..

    Spannend.. berührend.. ist das und herzlächelnd macht mich das..

    Liebe Sonnengrüße und bis bald!
    Sabine

    1. Herzlächelnd … ich sehe dich direkt vor mir liebe Sabine, wie ich das lese und ich muss schmunzeln.
      Fein, dass durch meine Tagebücher so vieles in dir anklingt und dass ich dadurch wieder von dir höre.
      Alles Liebe dir
      Romy

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