Romys Nacht- und Tag-Buch 16
Manches geht und manches kommt. Meine drei Goldfische sind weg, definitiv. Sie fehlen mir, wenn ich durch den Garten gehe. Aber es gibt drei neue Tiere in meinem Garten. Ein Igel hat sich angesiedelt und zwei neue Hühner beleben den Hühnerhof. Es sind zwei Schönheiten … sie heißen Ginger und Alissa. In dieser Woche wird auch viel geschrieben. Was ist meine Bestimmung? Warum bin ich hier? Was will ich bewirken? Was treibt mich an? Darum geht es im Blogartikel, den ich im Rahmen der Purpose-Challenge von Judith Peters schreibe.
Sonntag, 21. Mai
Meine zwei neuen Barnevelder Hühner erkunden ihr noch fremdes Terrain. Neugierig nähern sie sich den zwei Alteingesessenen. Bis es Pavina dann plötzlich zu viel wird. Sie richtet sich hoch auf und hackt mit dem Schnabel auf Ginger ein. Diese geht sofort in die Höhe und hackt zurück. Hoch aufgerichtet umtanzen sie einander und hacken. Mir ist es beim Zuschauen ungemütlich geworden. So einen richtigen Hühnerkampf habe ich in meinem Stall noch nicht erlebt. Meist war es von vornherein klar, wer unterlegen ist und mit gelegentlichem Hacken wurde es dann einfach besiegelt. Bei Pavina und Ginger dauert zu meiner großen Erleichterung der Kampf nicht allzu lange. Ginger drückt Pavina auf den Boden. „Bodigä“ nennt man das in der Schweiz, wenn jemand beim Kampf unterlegen ist und zu Boden geht. Kampfregeln sind universell. Damit ist der Konflikt fürs Erste bereinigt. Ich glaube, Ginger wird die neue Chefin im Stall.
Montag, 22. Mai
Manchmal ist es zum aus der Haut schlüpfen. Ich habe einfach viel zu wenig geschlafen und bin todmüde. Trotzdem wache ich um sechs Uhr schon auf, mit erschöpften und schmerzenden Gliedern. Der wunderschöne und beeindruckende Abend mit Vokalmusik in der Volksoper in Wien hat mich wohl ziemlich aufgewühlt. Zum erstem Mal seit dem Begräbnis meiner Mutter vor zwei Jahren habe ich wieder meine eleganten schwarzen Schuhe angezogen. „MUT, jede Stimme zählt“, war einer der vielfältigen Programmpunkte. Eine Performance mit dem Publikum, wo wir alle stehen und mit leisen, lauten, schrägen und harmonischen Tönen, mit unseren vollen und klingenden Stimmen zu Bildern der Klimakatastrophe Stellung beziehen, mit den Sitznachbarn und nach und nach mit dem ganzen großen Raum übers Tönen in den Austausch gehen. So viel Schönes, Aufwühlendes und auch Schwieriges machte es mir schwer, den Schlaf zu finden.
Dienstag, 23. Mai
Nachdem ich gestern so unharmonisch und eher schlecht gelaunt aufgewacht bin, habe ich mich ans Räumen gemacht. Beim Räumen fällt es mir leicht, wieder zu mir selber zu finden und meine Gedanken zu sortieren. Erst das Feuerholz auf der Terrasse sortieren und neu auf schlichten. Es wird wärmer, bald kann ich mein Bett rausstellen und draußen schlafen. So wird meine Terrasse wieder zum gemütlichen Sommer-Wohnzimmer. Wie ich den Unterstand für mein Gartenwerkzeug ausräume, störe ich einen jungen Igel, der gleich seine Stacheln aufstellt und sich zu einer Kugel formt. Ich freue mich darüber, dass ich auch diesen Sommer in Igel-Begleitung verbringen werde.
Mittwoch, 24. Mai
Eigentlich wollte ich mich gerade hinsetzen und über die wundervollen Häkeldeckchen schreiben, welche ich gestern für meine Cyanotypiekurse bekommen habe. Über die Geduld, die Geschichten, die Fertigkeit, die Liebe, den Wert, die Zeit und die Muster, die sich in jedem einzelnen Exemplar zeigen. Da fällt mein Blick beim durchs Fenster auf eine sich gerade öffnende, unglaublich große und pralle Mohnblütenknospe. In meinem Vorgarten geschehen täglich Wunder. Die meisten werden übersehen. Im Moment, in dem sie geschehen, ist niemand da, um sie zu schätzen und zu bestaunen. Um so mehr freue ich mich über diesen gesehenen Moment. Ich möchte ihn festhalten und mit anderen teilen, mit meinem Schreiben und mit Bildern. Also nehme ich mein Handy und fotografiere die sich gerade öffnenden Blüten in meinem Vorgarten. Mit ihren Formen und ihrem Verlauf erinnern mich manche davon an Häkeldeckchen.
Donnerstag, 25. Mai
Über die Magie der gesehenen Momente.
Beim Schreiben offenbaren sich mir manchmal plötzlich Zusammenhänge, die ich vorher nicht wahrgenommen habe. Gestern schrieb ich über meine Cyanotypie vom Mädchen mit der Pusteblume. Zu dieser Arbeit hat mich ein Bild von Banksy inspiriert. Es ist ein Mädchen, das mit einem Bündel von Luftballons vom Boden abhebt. Damit hat Banksy meinen alten Kindheitstraum vom Fliegen berührt. In meinem Bild ist es nur eine einzige Pusteblume, welche die Kraft hat, das Mädchen vom Boden zu lösen. Sie erinnert mich daran, dass im Moment der Freude Flügel wachsen und die Begeisterung mich fliegen lässt. Es genügt ein Augenblick des Staunens über eine kleine Blume und schon hebe ich ab.
Freitag, 26. Mai
Diese Woche nehme ich teil, an einer Blog-Challenge von Judith Peters. Es geht darum, innerhalb von 72 Stunden einen Artikel zum Thema: „Was will ich bewirken“ zu schreiben. Eine ziemliche Herausforderung und ein spannendes Thema. Über 1000 Teilnehmer*innen aus aller Welt machen bei dieser Challenge mit. Jeden Mittag um 12 bekommen wir über Zoom neue Impulse. Da geht es zum Beispiel darum, darüber zu nachzudenken wie, ein idealer Arbeitstag aussieht oder welcher Kindheitstraum sich nicht erfüllt hat. Heute Mittag um 12 Uhr werde ich gemeinsam mit den Anderen meinen Blog-Artikel: Was ich als Künstlerin, Mentorin und Schreiberin erreichen will, veröffentlichen.
Samstag, 27. Mai
Mein idealer Arbeitstag … Unmittelbar nach dem Aufwachen schreibe ich in mein Nacht- und Tag-Buch. Dann gehe ich zu meinen Hühnern, wünsche ihnen einen guten Tag und schaue, ob bei ihnen alles in Ordnung ist. Beim Zurückgehen durch den Garten sehe ich, dass die Kresse bald auswächst, und ich überlege mir Fisch mit einer warmen Kresse-Sauce zum Mittagessen zu machen. Für meinen nächsten Cyanotypiekurs brauche ich eine gute Auswahl an präparierten Unterlagen. Also gehe ich in die Werkstatt und bereite die Materialien vor. Nach dem Mittagessen trinke ich mit meiner Nachbarin einen Kaffee auf der Treppe vor dem Haus. Dabei sehe ich, dass einigen Pflänzchen im Vorgarten der Platz fehlt, um sich entfalten zu können. Also nehme ich die Hand-Hacke und mache mich ans sanfte Roden. Ich genieße die warme Sonne und staune über die vielfältige Pflanzen- und Insektenwelt. Eine befreundete Lehrerin schaut mit ihrer Schulklasse vorbei. Ich erzähle den Kindern Pflanzen-Geschichten. Über wandernde Pflanzen, wo bei den Pflanzerln der Kopf ist und wie wenig wir wissen, was alles unter der Erde passiert. Die Kinder beginnen selbst zu erzählen und stellen viele Fragen. Wir denken gemeinsam darüber nach und realisieren, dass Fragen wichtiger sind als Antworten. Die Kinder strahlen vor Freude und ich fühle mich beglückt. Nach dem Abendessen mache ich noch einen Spaziergang und plaudere ein wenig mit den Nachbarn. Dann trinke ich einen frischen Holunderblütentee sitze auf der Terrasse und genieße die Abendstimmung.
So eine schöne Idee. Das mach ich nach!
Das freut mich, liebe Andrea … Nachmachen ist ausdrücklich erwünscht.