VON DER SCHULE DES LEBENS
Lernen ist ein lebenslanger Prozess. Ein großer Teil davon findet außerhalb des formalen Bildungssystems statt. In der Schule des Lebens mache ich Erfahrungen die mich formen und weiterbringen. Für meine „Über mich Seite“ wollte ich zu jedem Lebensjahrzehnt ein paar Stichworte aufschreiben über meine Lernwege. Interessanterweise startete ich mit dem Alter von zehn Jahren, obwohl ich eigentlich davon überzeugt bin, dass der wesentlichste Teil des Lernens vor diesem Alter stattfindet. Vielleicht hat mich die allgemeine Überbewertung des formalen Lernens in Schulen und Institutionen doch nicht so ganz unbeeinflusst gelassen.
Bei ein paar Stichworten ist es dann nicht geblieben. Kaum hatte ich die ersten Worte geschrieben, so öffneten sich meine „Schreibtüren.“ Erinnerung um Erinnerung kam, meine Kindheit, meine Jugend und ich schrieb und schrieb.
So ist aus daraus jetzt ein Blog Artikel geworden und wer weiß, vielleicht werde ich bei Gelegenheit an diesem Thema weiterschreiben. Das hier ist ja nur ein kleiner Teil meiner Lebensschule; sie erzählt von meiner Lebenszeit zwischen zehn und zwanzig Jahren.
Als ich zehn Jahre alt war, wollte ich Rosenzüchterin werden. Mein Interesse wurde geweckt durch den Besuch einer Rosenausstellung. Anschließend verschlang ich ein Buch über Rosen, war fasziniert vom Okulieren, Bestäuben und von den wunderbaren Rosengärten der Kaiserin Josefine.
Vögel, Außerirdische, Winnetou und die Philosophie
Ich war eine der fleißigsten Kundinnen der Kantonsbibliothek Schwyz. Damals betrug das Ausleihlimit vier Bücher pro Monat. Gerade in den langen Sommerferien war das für mich viel zu wenig. Manchmal hatte ich Glück und traf auf eine offenherzige Bibliothekarin die ein Auge zudrückte oder ich wählte mir besonders dicke Bücher aus.
Ich verschlang „mein Lesefutter“ richtiggehend, überging das nächtliche „Lichtlöschgebot“ der Eltern mit der klassischen Taschenlampe unter der Decke und manchmal las ich bis weit nach Mitternacht. Mich interessierten Geschichten, Romane aber auch Sachbücher. Ganz besonders interessierten mich Naturthemen. Die wenigen in meinem Elternhaus vorkommenden Bücher las ich so oft, bis ich sie in- und auswendig kannte. Ich liebte die Bücher von Johanna Spyri, Schöpferin der weltbekannten Romanfigur Heidi.
Bei einem Onkel fand ich die Bücher von Erich von Däniken der einige der in Religionen und Mythologien vorkommenden Götter für Außerirdische hielt. Astronauten die von fremden Planeten angereist kamen und den Menschen z.B. beim Bau der Pyramiden oder der Monolithen auf der Osterinsel oder Stonehenge halfen. Später, da war ich schon in der Lehre, begann ich mich für Philosophie und Literatur zu interessieren. Die meisten meiner Freunde besuchten das Gymnasium. So borgte ich mir bei ihnen die Bücher aus, welche mich speziell interessierten. Ich schlug meinen Eltern vor, ins Gymnasium zu wechseln. Sie waren dagegen und meinten, dass sie sich das Schulgeld nicht leisten könnten. Heute denke ich, dass diese Entscheidung eher auf der Basis der Denkweise: „Schuster bleib bei deinen Leisten“ gefallen ist.
Romantische Vorstellungen und knallharte Wirklichkeiten
Die Lehre als Floristin war für mich herausfordernd. Ich hatte mir so ganz romantisch vorgestellt, dass ich mich da hauptsächlich mit meinen geliebten Blumen beschäftigen würde. Doch ganz plötzlich befand ich mich mit fünfzehn Jahren in der Erwachsenenwelt, trug die Verantwortung für das Überleben der Pflanzen im Geschäft, musste Kunden bedienen, Kränze und Gestecke an den Aufbahrungsorten der Verstorbenen arrangieren, die Abrechnung der Kasse machen, für die Sauberkeit im Geschäft sorgen. Manchmal war ich für ein paar Tage allein im Geschäft, weil meine Lehrmeisterin in ihrer Ferienwohnung im Tessin weilte. Dann kümmerte ich mich auch sonntags um das Geschäft, die Pflanzen mussten schattiert werden.
Meine Lehrmeisterin war eine tolle Verkäuferin und eine Künstlerin. Sie lehrte mich Grundlegendes im Umgang mit Menschen und in der Gestaltung. Sie holte mich aus meiner Traumwelt heraus und konfrontierte mich mit dem wirklichen Leben. Aber sie war keine gelehrte Floristin. So brachte ich mir die Grundlagen des Handwerks selber mit Büchern bei und besuchte Kurse welche ich mir mit meinem knappen Lehrlingsgehalt selber finanzierte.
Ein renommiertes Blumengeschäft, Kunstschulen, anregende Gespräche und Ausstellungen
Nach meinem erfolgreichen Lehrabschluss riet mir meine Lehrmeisterin mich bei einem der damals renommiertesten Blumengeschäfte der Schweiz bei Marsano am Paradeplatz in Zürich zu bewerben. Das war ein großer Sprung der mir neue berufliche Herausforderungen bot.
In Zürich wohnte ich zur Untermiete bei der Witwe vom Kulturhistoriker und Schriftsteller Hans Mühlestein. Sie verwaltete seinen Nachlass und war bekennende Kommunistin. Manchmal lud sie mich zu einem Tee ins Wohnzimmer und wir führten anregende Gespräche.
Ich begann mich zunehmend für Kunst zu interessieren, besuchte Kurse in der Kunstgewerbeschule und in der freien Kunstschule F+F, befreundete mich mit dem Künstler Karl F. Pickert und besuchte gemeinsam mit ihm zahlreiche Kunstausstellungen.
Die französische Steuererklärung, brasilianisches Temperament und eine Englischschule für Fortgeschrittene
Die Lehr- und Wanderjahre führten mich dann weiter nach Lausanne wo ich in einem Blumengeschäft als Floristin arbeitete, meine erste Steuererklärung auf französisch ausfüllte, in meiner Freizeit bei den „Vendanges“ im Weinberg des Vaters meiner Freundin Ginette mithalf und bald schon fließend französisch sprach.
Ich besuchte für zehn Wochen und wöchentlich zwei Stunden einen Englisch Kurs in der Migros Klubschule weil ich auch Englisch lernen wollte. Dort war es aber für mich unglaublich langweilig. Es ging mir viel zu langsam vorwärts, weil meine französisch sprechenden Kurskolleg*innen sich mit der neuen Sprache etwas schwer taten. Also entschloss ich mich für vier Monate eine Englisch Schule in London zu besuchen. Das Geld dafür hatte ich mir mit meinem niedrigen Floristen Lohn zusammengespart. Damit es mir im neuen Kurs nicht langweilig würde hatte ich mich vorsorglich gleich in einer Schule angemeldet welche nur Fortgeschrittene nahm.
An meinem ersten Tag in der Schule staunte ich nicht schlecht. Die meisten der Schülerinnen unterhielten sich locker auf englisch. Es gab einen Einstufungstest und ich verfluchte mich innerlich für meinen Wagemut. Beim Test saß ich neben einem polnischen Studenten der schwarze Gummistiefel trug. Das vergesse ich nie, denn er „rettete mir das Leben“. Ich schrieb hemmungslos bei ihm ab. Offensichtlich war sein Englisch nicht schlecht, denn ich wurde nicht in den untersten Level eingeteilt sondern in den dritten von sieben! In meiner Gruppe waren Studenten welche in der Schule schon mehrere Jahre lang englisch gelernt hatten.
Zum Glück wohnte ich bei meiner Landlady im gleichen Zimmer mit einer Brasilianerin zusammen die ein fast perfektes Englisch sprach. Sie war sehr temperamentvoll und redete Tag und Nacht. Wenn ich dann meinen Mund aufmachte und meine zaghaften ersten Sätze auf englisch rausauslies, korrigierte sie mich unermüdlich und belehrte mich mit Feuereifer. So kam ich in meiner Klasse gut mit und bald schon, konnte auch ich mich leicht auf englisch unterhalten.
Mir gefiel es in England so gut, dass ich mir schwer tat bei dem Gedanken in die Schweiz zurückzukehren. Eigentlich wollte ich ursprünglich weiter nach Amerika. In Palo Alto hätte ich in eine Stelle in einem Blumengeschäft antreten können.
Was mir da dazwischengekommen ist und warum ich doch wieder in die Schweiz zurückkehrte davon berichte ich ein anderes Mal.
Liebe Romy!
Wieder einmal lese und entdecke ich Spannendes aus deinem Leben.. und erkenne einige Parallelen:-)..
Danke, dass du mich/uns daran teilhaben lässt. Wow!!Dein Werdegang und deine (wage)mutigen Schritte und Entscheidungen sind wirklich sehr beeindruckend:-)!!
Ein unglaublicher Schatz an Erfahrungen!!
Liebe Grüße
Sabine
Danke Sabine, das freut mich sehr.
Liebe Grüße
Romy