Berliner Weihnachtstage



Romys Nacht- und Tag-Buch 99

Was für eine Freude, die Weihnachtstage mit Kerstin in Berlin zu erleben. Seit drei Jahren treffen wir einander jeden Montag um halb sechs auf Zoom und tauschen uns über Arbeit und Leben aus. Mit dem gemeinsamen Durchleben von all den Hochs und Tiefs dieser langen Zeit hat sich eine schöne Freundschaft entwickelt.



Sonntag, 22. Dezember

Unverhofft taucht die Weinviertler-Sonne auf und lädt mich ein, mit ihr übers Land zu gondeln. Meine Gondel hat zwei Räder und bergauf muss ich tüchtig in die Pedale treten. Ein kühler Wind frisiert meine Haare in alle Richtungen. Trotzdem hat mich die Anstrengung aufgewärmt. Auf dem nächsten Bankerl mache ich eine Rast. Das schräge Licht zieht die Schatten in die Länge. Die Wärme und die Feuchtigkeit der letzten Tage lassen Felder und Wiesen in einem kräftigen Grün weiterwachsen. Bei der Nachbarin im Vorgarten öffnen die Ringelblumen ihre Blüten. Kaum zu glauben, dass in zwei Tagen Weihnachten ist.

Montag, 23. Dezember

In der Früh klingelt der Wecker. Ein schnelles Aufstehen und Ankleiden. Dann mache ich das Häuschen abreisefertig. Lüften, Mist hinaustragen, fertig packen. Ich bin ein wenig reisefiebrig. Mir fehlt der Appetit zum Frühstücken. Nachdem der Zug die Grenze kurz vor Beclav passiert hat, hole ich das nach. In den tschechischen Zügen lasse ich es mir gut gehen. Das hat Tradition. Ich liebe es im Speisewagen zu sitzen und die Landschaft an mir vorbeiziehen zu lassen. Auf der Karte lockt mich vielerlei. Diesmal wird es ein englisches Frühstück mit einem grünen Tee.

Dienstag, 24. Dezember

Mittags steigt eine japanische Familie in den Zug und setzt sich im Großraumwagen auf die Sitze direkt hinter mir. Nach dem frühen Aufstehen und dem ausgiebigen Frühstücken im Speisewagen schlummere ich ein wenig vor mich hin. Im halbwachen Zustand nehme ich japanische Satzfetzen auf. Die Familie debattiert über ihr Mittagessen, wer was mitgenommen hat, wer noch Reis möchte und wer nicht und sie sind voller Bewunderung über die Wasserlandschaft, an der wir gerade vorbeiziehen. Ich staune darüber, wie gut ich ihrem Gespräch folgen kann. Wenn es ums Essen geht, funktioniert mein Japanisch noch gut. Ich erinnere mich an die ausgiebigen Gespräche am Mittagstisch vom Aiwakan, in einem japanischen Dorf, vor mehr als fünfunddreißig Jahren.

Mittwoch, 25. Dezember

Am Prenzlauerberg in der Wohnung von Kerstin und Nadja fühle ich mich sofort wieder zu Hause. Heuer habe ich den ganzen Juni über hier gewohnt. Tagsüber sind wir mit den Vorbereitungen fürs abendliche Festmahl beschäftigt. Eine Weihnachtsgans will gefüllt werden mit Äpfeln, Zwiebeln, Datteln und frischen Kräutern. Am Abend dann ein Zusammenkommen mit Freunden und Familie, schmausen, spielen, feine Gespräche und ganz zum Schluss ein flambierter Weihnachtspudding.

Donnerstag, 26. Dezember

Eine blasse Wintersonne leuchtet mir ins Gesicht. Wir fahren mit der S-Bahn quer durch Berlin. Dann führt uns ein historischer Doppeldeckerbus schräg durch den Wald an die Havel. Unser Ziel, die Pfaueninsel, erreichen wir mit der Fähre. Dieses preußische Paradies mit dem englischen Landschaftspark und den romantisierenden historistischen Gebäuden empfängt uns (wie könnte es anders sein), mit einem Pfau am Wegrand. Er lässt sich zwar gerne fotografieren, aber streicheln würde ich ihn dann doch eher nicht.

Freitag, 27. Dezember

Ein Zuhause-Tag der Extraklasse. Ich fläze auf der Couch unter dem Hochbeet, lese, schreibe viel und lasse den grauen Berliner Himmel draußen hinter den Fensterscheiben vor sich hin dümpeln. Kerstin wird von einem argen Husten geplagt. Ich schneide Zwiebeln klein, mische sie mit Honig, lasse das Ganze stehen, bis sich ein wohltuend besänftigender Hustensaft bildet. Mittags essen wir Lachs mit Kartoffelstampf und Fenchelgemüse und am Abend mache ich eine Runde durch den Kiez. Von hoch oben im Turm der Gethsemane-Kirche leuchtet ein riesiger Herrnhuter Stern in den schon dunklen Himmel.

Samstag, 28. Dezember

Am letzten Berliner-Tag schlendern Kerstin und ich gemeinsam durch die Straßen und die kleinen Geschäfte am Prenzlauerberg. Wir staunen in die Schaufenster hinein und lassen uns von italienischen Delikatessen begeistern. Später trinken wir in einem kleinen Lokal einen köstlichen Kaffee aus dickwandigen braunen Tassen, dazu gibt es dunkel-saftigen Schokoladenkuchen. Wir reden über mein Schreibprojekt, über Ideen, Zweifel und Vorhaben. Zu Hause ein gemeinsames Mittagessen mit Nadja, Packen und dann ein gemütlicher Schreib- und Lese-Nachmittag. Heute geht es mit dem Zug zurück über Tschechien bis nach Graz. Dort werde ich von meiner Freundin Theresia abgeholt.

6 Kommentare

  1. Das waren sehr schöne Tage mit dir in Berlin, liebe Romy! Ich habe deinen Besuch sehr genossen. Eine angenehme Mischung aus Unternehmungen, gutem Essen, Plaudern und Erzählen, aber auch Lesen und Schreiben. Hab einen wunderbaren Jahreswechsel in der Steiermark.
    Liebe Grüße
    Kerstin

  2. Liebe Romy, ich hab gerade in deinem Weihnachts…Tagebuch gelesen, und schön so von dir zu lesen. Danke dir!

    Ich bin grad mit dem Zug von Graz Richtung Güssing unterwegs. Ich hab die xmastage in Graz mit Sohn und seiner Freundin verbracht und bin unterwegs nach Güssing zu einer Tiroler-Freundin. Sie heißt gleich wie ich und wir hatten an der selben Schule unterrichtet. Jetzt freu ich mich, sie wiederzusehen sehen.

    Liebe Romy, ich wünsche dir einen feinen Ausklang von 2024 in der Steiermark und wünsche dir für 2025 alles Gute, viel xundheit und Freude!

    Lieben Gruß von Heidemarie aus dem Tirol (cyanotypie vor ein paar Jahren)

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