Romys Nacht- und Tag-Buch 20
In dieser Woche steuert der Sommer auf seinen Höhepunkt zu. Die brennende Hitze macht mich müde. Ich gehe es ruhiger an und suche mir kühle und angenehme Orte zum Erholen aus.
Sonntag, 18. Juni
Gestern war hier full house. Ein Cyanotypiekurs mit acht engagierten Teilnehmerinnen Da geht es hoch her. Es macht mir große Freude zu erleben, wie sie sich von meiner Begeisterung anstecken lassen und inspiriert ans Werk gehen. Es sind wunderschöne und sehr verschiedenartige Cyanotypien entstanden. Jeder Kurs ist anders und immer wieder werden dabei neue Erfindungen gemacht. Heute werde ich noch ein wenig wegräumen und dabei diesem schönen Tag und den feinen Begegnungen nach sinnieren.
Montag, 19. Juni
Schon wieder so ein wunderschöner Sommertag. Wir werden verwöhnt mit prachtvollstem Wetter. Noch im Bett sitzend, schreibe ich auf meinem Laptop. Neben mir einen grünen Tee. Draußen rauschen Autos vorbei. Eine neue Woche beginnt. Ich bin noch immer ein wenig müde. So ein Cyanotypiekurs fordert mich heraus. In letzter Zeit komme ich öfters an meine Kraftgrenze. Damit tue ich mich schwer. Ich wäre so gerne fit und leistungsfähig. Aber die Müdigkeit zeigt mir, wo das Limit ist.
Dienstag, 20. Juni
Brainstorming für ein Stadtfest. Der Kulturstadtrat hat die Kulturschaffenden von Wolkersdorf zu einem Stammtisch eingeladen. Weil wir einander noch nicht alle kennen, gibt es erst eine kurze Vorstellungsrunde. Ich bin erstaunt, dass ich das Wer und das Was oft nur bruchstückhaft verstehen kann. Manche Männer brummen auf niederösterreichisch schnell und leise in ihren Bart hinein. Das wird dann deutlich besser beim Brainstormen fürs Stadtfest. Da purzeln die Einfälle förmlich durch die Luft und es geht hoch, … Ideenschlösser werden gebaut und ebenso schnell wieder niedergerissen. Vergnügen oder Kunst, Zeit, Geld, Publikum … niederschwellige Kunst, zeitgenössische Musik, Publikumsmagnete, unbekannte, spezielle Orte entdecken oder einfach das Schloss bespielen. Was ist die Idee, der rote Faden? Wie soll die Mischung sein und wie lange soll das Ganze dauern? Und vor allem: Wie soll dieses Kind heißen?
Mittwoch, 21. Juni
Die Sonne drückt vom Himmel. Sonnen-heiße Tage. Lähmende Hitze und genau so fühle ich mich. Müde und unlustig. Die Bewegungen strengen mich an und ich bin innerlich erschöpft. Keine Lust auf gar nichts. Auch das Schreiben fällt mir gerade schwer. Wie viel leichter geht es von schönen Tagen zu berichten, wenn das Leben im Fluss und ich voller Ideen und Lebensfreude bin.
Donnerstag, 22. Juni
Im Laufe des Tages löst sich meine schwarze Laune auf. Ich bin in Wien unterwegs bei schweißtreibender Hitze. Um 16 Uhr 45 habe ich einen Termin auf der schweizerischen Botschaft. Mein Pass ist abgelaufen. Auf meinem Weg wähle ich Schattenflecken. Die Bäume im Park und die Springbrunnen sind von unschätzbarem Wert. Sie bringen kühlend feuchte Erleichterung.
Bei Relevant News habe ich gelesen, dass es in Österreich im Sommer mehr Hitze- als Verkehrstote gibt. Ich studiere die verschiedensten Bekleidungen. Bei manchen fast ein Nichts, möglichst nackig, andere sind leicht umhüllt und wieder andere von Kopf bis Fuß zugedeckt mit schweren Tüchern. Was wohl am besten gegen die Hitze hilft?
Freitag, 23. Juni
In unserer Schreibgruppe geht es rund. Ein Text nach dem anderen purzelt sich da ins Leben. Purzeln ist vielleicht nicht ganz richtig. Ganz so einfach und leicht geht es nicht immer. Aber ins Leben … ja sicher. Das biografische Schreiben beeinflusst auch unser jetziges Leben. Die Vergangenheit aus anderer Perspektive zu betrachten, öffnet neue Türen, auch in der Gegenwart. Unsere Gruppe ist ein Ort der gegenseitigen Inspiration, des Austausches und vor allem der Ermutigung. Gestern ging es bei meinem Schreiben darum, eine ganz frühe Erinnerung wieder lebendig werden zu lassen. Begleitend zum Schreiben entwickle ich ein Bild. Dabei lasse ich mich von meiner Intuition leiten und versuche das Denken möglichst auszuschalten.
Samstag, 24. Juni
Aus meinem Vorgarten begrüßt mich ein noch nächtliches Leuchten. Die imposanten Blüten der Nachtkerzen öffnen sich am Abend und erhellen die Nacht. Ursprünglich sind sie aus Nordamerika eingewandert. Mit ihren großen gelben Blüten locken sie die Nachtfalter an. Uns bescheren sie eine strahlend gelbe Freude und ein heilsames Öl.
Ich erinnere mich, dass die Nachtkerzen in meiner Kindheit auf dem Aushub der Baugruben gewachsen sind. Unser Haus ist das erste im Quartier und so darf ich das Entstehen und Wachsen der neuen Häuser erleben. Ich liebe es, auf den Baustellen herumzustreunen und den Arbeitern zuzuschauen. In der Schweiz sind das in dieser Zeit hauptsächlich italienische Gastarbeiter. Mich begeistert ihre fröhliche Art und besonders fasziniert bin ich von ihren selbstgebauten Kopfbedeckungen aus Zeitungspapier. Das ist so ein schickes Käppi, das mir zu Hause beim Nachbauen einfach nie gelingen will.
Hallo Romy,
eine Gleichgesinnte bist du. Die Hitze macht mir auch zu schaffen und die Stimmung noch schlechter, als sie eh schon ist. Ich bin ein Mensch, der immer etwas werkeln muss. Die eigenen Grenzen akzeptieren fällt mir unheimlich schwer.
Ich finde es toll, dass du das so öffentlich schreiben kannst.
Danke Kerstin, manchmal ist es einfach schwer zur Ruhe zu kommen. Gestern war ich den ganzen Tag in der Hängematte, habe ins Grüne gestaunt und gelesen. Irgendwie ist der Sommer doch auch dazu da, um das Nichtstun zu kultivieren. Jedenfalls hat mir das so gutgetan, dass ich mich entschieden habe, dass ab heute bei mir Sommerferien sind.