Mein Häuschen wird pflanzenähnlich

Wiener Riesenrad mit Regenbogen
Nach dem Regen erscheint ein zweites Riesenrad und wer genau hinschaut, entdeckt ein drittes ...

Romys Nacht- und Tag-Buch 18

Der Regen bringt Segen und üppiges Wachsen. Auf dem Dach werden Sonnenkollektoren montiert. Ich bin viel mit dem Zug unterwegs und nutze jedes Zeitfenster zum Schreiben. Und ich denke viel über meinen Großvater nach.

Sonntag, 4. Juni

Im Vorgarten blüht es in allen Formen und Farben. Mein Nachbarbub ist ein kleiner Gartenfachmann.„Bei dir sind die Pflanzen als würden sie nie aufhören“, hat er kürzlich zu mir gesagt. Oft gesellt er sich zu mir, wenn ich am Gärtnern bin. Er fragt mich nach den Namen der Blumen und erzählt von seinen Pflanzen- und Tiererlebnissen. Und er erinnert mich daran, wie verzaubert ich oft als Kind vom Geschehen im Garten war. So wie im Märchen von der Schneekönigin, wo Gerda eine Zeit in einem wunderschönen Zaubergarten verbringt. Dieser Garten war schon immer in meinen Vorstellungen und Träumen. Und vielleicht versuche ich, mit meinem Vorgarten ein Stück dieses Paradieses zurückzuholen.

Bunter Vorgarten
Eine bezaubernd bunte Vielfalt

Montag, 5. Juni

Für diese Woche ist Regenwetter angesagt. Zahnarzt, ein Kontrolltermin in der Rheumaklinik, begleitetes Rückentraining und der Rauchfangkehrer kündigt sich auch noch an. Ich schaue im Terminkalender, nach Zeitfenstern ist fürs Hallenbad und Krafttraining. Ich hab gerade keine Freude daran, wenn meine Tage so zu geplant sind. Diese Woche werde ich wohl viel unterwegs sein. Ich versuche mich innerlich darauf einzustellen und im Moment fällt mir das schwer. Räumen und Putzen wäre auch noch dringend angesagt.
Oje, da manövriere ich mich wohl gerade in eine ziemlich schlechte Montags-Laune hinein. Und natürlich habe ich auch keine Idee, worüber ich in mein Nacht- und Tag-Buch schreiben könnte. Gut, ich werde mir jetzt einen Kakao mit Zimt machen und dann meine Hühnchen besuchen.

Dienstag, 6. Juni

Gestern waren wir zu dritt. Was für ein schönes Treffen. Ich war freudig überrascht über unseren produktiven, inspirierenden und offenen Austausch. In der Lese – und Schreibgruppe treffen wir einander ab jetzt jeden Montagvormittag auf Zoom. Das verspricht ein schöner und aufmunternder Start in die Woche zu werden. Diesmal geht es viel um Visuelles. Zufällig und wunderbarerweise sind in unserer Gruppe alles Künstlerinnen aus verschiedensten Richtungen. Bilder, Punkte, Linien und Zeichen ergänzen und vertiefen die ersten entstandenen Texte. Eine Teilnehmerin liest vor. Wir lassen uns von ihren Worten berühren. Unglaublich welch feine Begegnungen auch online und über große Entfernungen möglich sind.

Mittwoch, 7. Juni

Ein Abend im Nachbargarten, eingeladen auf ein „Glaserl Wein“. Zusammensitzen und gemeinsam den Tag ausklingen lassen. In der Hollywood-Schaukel wippen und in die Bäume, den Himmel und den prachtvollen Rosengarten schauen. Berichte vom Tag, von Früher, skurrile Witze und einfach das Zusammensein genießen. Bis uns der Regen vertreibt und ich mich auf den kurzen Weg nach Hause mache. In den letzten Nächten war der Regen da. Die Sträucher in meinem Garten wachsen und breiten sich urwaldartig aus. Die Weingartenpfirsiche sind schon zu grünen Kugeln herangewachsen und versprechen reiche Ernte. Und der Vorgarten wuchert und erobert sich schon das Terrain am Gehsteig.

Vorgarten mit Jungfer im Grünen
Der viele Regen lässt den Vorgarten heuer besonders üppig wachsen

Donnerstag, 8. Juni

Auch Unterwegs habe ich jetzt immer mein Schreib-Buch dabei. Es ermöglicht mir, eine neue Art des Schreibens. Einfach drauflosschreiben und in den Fluss kommen, mit den Bewegungen der Hand mitgehen. Ich schreibe überall, im Kaffeehaus, in der U-Bahn und beim Warten auf den nächsten Zug. Das neue Thema unserer Lese- und Schreibgruppe fordert mich heraus. „Mein Halt im Da-Sein“. Wenn ich Fotos meiner ersten Zeit auf dieser Welt betrachte, kommen auch schmerzende Erinnerungen. In der Biografie -Arbeit mit dem Sein & Werden Buch geht es darum, eine neue Perspektive auf die Geschehnisse zu entwickeln. Das ist seine große Qualität und das, was mich zu diesem Buch hingezogen hat. Plötzliche tauchen Erinnerungen an meinen Großvater auf. Er war mein Fels in der Brandung. Das Schreiben über ihn erwärmt mein Herz.

Mein Schreib-Buch ist überall dabei

Freitag, 9. Juni

Der Text über meinen Großvater beschäftigt mich. Es geht ums Ankommen und gehalten werden. Beim Schreiben kommt das Erinnern. Das Fokussieren auf den Schreibimpuls, „mein Halt im Da-sein“, hilft. Mein Großvater führt mich zurück in meine Kleinkinderzeit. Verrückt, was da plötzlich alles erscheint und auftaucht. Vergessenes, Verschüttetes und neue, noch nie gedachte Zusammenhänge. Schreiben, in alten Fotos stöbern, den Blogartikel fertig machen und veröffentlichen. Heute Morgen sehe ich einen Kommentar auf den Artikel. Eine Blogkollegin schreibt darüber, wie beim Lesen ihre Erinnerungen aufblühen, dass sie sich angekoppelt fühlt und neue Verbindungen im eigenen Erlebten findet. Ich finde es wunderbar, dass mein Schreiben diesen Austausch ermöglicht.

Samstag, 10. Juni

Heute werden die Platten der Sonnenkollektoren auf dem Dach meines Häuschens montiert. Gestern Abend tauchte in mir die Frage auf, ob und wie diese Platten auf dem Dach die Atmosphäre des Häuschens verändern werden. Sonnenkollektoren sammeln die Sonnenstrahlen. Das Bild gefällt mir. Wie ich hier eingezogen bin, meinte ein Freund zu mir, das Häuschen sei mein Ort zum Glücklich sein. Vielleicht bin ich hier, um die Sonnenseite des Lebens zu kultivieren? Pflanzen sind Sonnenfängerinnen. Sie entwickeln ihre Energie aus der Sonne und sie richten sich nach ihr aus. Also wird das Häuschen jetzt ein wenig den Pflanzen ähnlich. Es ist schon erstaunlich, wie viele unserer Entwicklungen sich an der Weisheit der Pflanzen orientieren.

Montage der Sonnenkollektoren am Dach
Die Sonnenseite des Lebens kultivieren

2 Kommentare

  1. Liebe Romy!
    Toll dass dein Haus nun auch Photosynthese macht – und wie passend zu Dir & Deiner Arbeit. Das Foto mit dem Borretsch und der Jungfer im Grünen ist so schön… ich mag diese Pflanzen so sehr… und dein Foto wird dieser Schönheit besonder gut gerecht. Danke für diesen Blick in die Blüten!
    Liebe Grüße,
    Maria

    1. Herzlichen Dank, liebe Maria. Das Foto mit den beiden Blaublüherinnen mag ich auch besonders gerne. Es wirkt so wie, wenn sie in ein Zwiegespräch versunken wären. Liebe Grüße
      Romy

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