Romys Nacht- und Tag-Buch 102
Der Januar ist weiß. Weiß wie die aufgehenden Kirschblüten in meinem Wohnzimmer und weiß wie der Schnee, der mich eines Tages beim morgendlichen Blick aus dem Fenster überrascht hat.
Weiß auch wie ein unbeschriebenes Blatt, wie der Anfang von etwas, von dem man nicht weiß, wie es weiter geht.
Sonntag, 12. Januar
In der Nacht träumen … intensives Träumen. Zurück bleibt eine Stimmung, ein Hauch, eine Atmosphäre. Am Morgen ist das Meiste vergessen. Wie so oft liegt die Welt – liegt unsere bekannte Welt in Trümmern. Verlorenes Herumirren und absurde Handlungen. Dann plötzlich sind Menschen aus früheren Zeiten wieder da und nehmen in aller Selbstverständlichkeit ihren Platz ein. Nach dem Aufwachen sind meine Gedanken in Aufruhr.
Montag, 13. Januar
Es ist ein neues Gefühl aufs Papier zu schauen, zu sehen wie Buchstabe um Buchstabe erscheint, das Fliegen lernt und zu einem Wort wird. Dann noch eines und noch eines und noch eines. Zu sehen, wie es aus meiner Hand fließt und ich allmählich lockerer werde. Drauflosschreiben ohne Thema, ohne Ziel und ohne Kontrolle. Seit heute habe ich wieder damit begonnen, jeden Tag gleich nach dem Aufwachen Morgenseiten zu schreiben. Die Hand freut sich und ich auch.
Dienstag, 14. Januar
Der würzig cremige Cappuccino im Café Schopenhauer ist sowas wie das Tüpfchen auf dem i. Vormittags im Krafttraining habe ich mich bis an meine Grenzen angestrengt. Anschließend ist das Mittagessen im Hansi nur so in mich hineingeflossen. Ich war dermaßen hungrig, dass ich das Gefühl hatte, das Essen schmilzt in meinem Magen wie ein Wassertropfen auf einem heißen Stein. Surbraten mit Knödel und Kraut. Mit diesem währschaften Mahl holte ich mir meine Kraft zurück. Im Schopi dann ein Kontrast-Programm. Ich warte auf meine Schreibkolleginnen, Klänge von Musik, volle Büchertische, dazu dezentes Licht und eine üppige Seidenblumen-Inszenierung.
Mittwoch, 15. Januar
Gleich zwei Überraschungen erwarten mich an diesem Januarmorgen. Der frisch gefallene Schnee und die endlich aufgeblühten Kirschblüten an meinen Barbarazweigen. Die haben sich heuer wirklich Zeit gelassen. Um das Orakel zu erfüllen, sollten sie am 24. Dezember blühen. Da war ich schon in Berlin und sie mussten in der kalten Wohnung ausharren, bis ich dann endlich Anfangs Januar wieder zu Hause war. Das Orakel gilt nur für Unverheiratete. Die Blüte zur Weihnacht verspricht eine Heirat im nächsten Jahr. Da habe ich nochmals Glück gehabt!
Donnerstag, 16. Januar
Im Plaudern vergeht die Zeit wie im Flug und wir gehen weiter als ursprünglich geplant. Wir schauen uns drei junge Mangalica-Schweine an und fünf Putten, die sich in der Kälte auf einer Stange zusammenkuscheln. In Pillichsdorf drehen wir um. Wir wollen noch zum Heurigen gehen. Dort bestellt sich meine Wanderkollegin einen Kirschenkuchen und ich bekomme einen Obersdorferkas der sich unter einem bunten Gemüse-Allerlei versteckt.
Freitag, 17. Januar
Wenn man einen Bach, der durch eine Ebene fließt, in Ruhe lässt, beginnt er zu mäandern. Am Rußbach entlang wird es lebendig. An seinen Rändern wächst seit einiger Zeit Schilf und er bekommt sanfte Kurven. Meinem Auge tut das gut und ich stelle mir vor, wie es weiter gehen könnte. Wie die Kurven sich mehr und mehr schlängeln. Die langweiligen monotonen Uferböschungen eine vielfältige Pflanzenwelt hervorbringen. Sträucher und Bäume zu wachsen beginnen, Kinder am Bach spielen, sich Tiere ansiedeln und kleine Inseln mit Gestrüpp wachsen.
Meine Träume heben ab und kommen ins Fliegen. Doch sicherlich wird hier spätestens im Sommer wieder Ordnung gemacht und alles bleibt, wie es ist.
Samstag, 18. Januar
Manchmal, wenn ich schreibe, beame ich mich weg in eine andere Welt. Ich vergesse alles um mich herum. Zurück im Hier und Jetzt merke ich, dass es deutlich kühler geworden ist. Unterdessen ist das Feuer ausgegangen, weil ich keine Scheite nachgelegt habe. Die gemütliche Wärme ist aus dem Wohnzimmer verschwunden. Also entfache ich ein neues Feuer und bald verbreitet sich ein Geruch, den ich mehr liebe als das beste Parfum.
Danke für diesen wunderbaren Ausflug in vielschichtige Welten und Zeiten..
🙂
LG Sabine
🙂