Das Ding, das sich Seele nennt

Illustration Seele

Ja, ich weiß, diese Überschrift klingt ein wenig provokant. Gibt es doch nichts auf dieser Welt, das weniger ein Ding ist als die Seele. Aber was ist es dann, dieses Unfassbare, das sich Seele nennt? Wie schwer ist es dafür Worte zu finden.
Interessant finde ich, dass wir wohl trotzdem irgendeine Vorstellung davon haben, weil wir dieses Wort bei den verschiedensten Gelegenheiten benutzen: „Eine Seele von Mensch, ein Seelenfreund, eine Seelenverwandte, ein Herz und eine Seele, beseelt“ … Diese Wörter treffen in uns auf eine Ahnung, auf ein unbekanntes Wissen. In uns ist etwas, das versteht … Wir haben ein Gefühl, eine Idee, was damit gemeint ist.


Wo ist die Seele zu Hause?

Mein Kindheit-Ich weiß, wo die Seele wohnt. Inmitten meines Herzens gibt es ein kleines, kostbar geschmücktes und gut verschlossenes Schatzkästchen. Dort ist sie zu Hause. In diesem Schatzkästchen war sie zwar gut behütet und geschützt, aber eigentlich auch eingesperrt.

Kann die Seele gestohlen werden?

In der ersten Zeit meines Künstlerinnen-Daseins ist die Seele noch drin im Schatzkästchen. Manchmal lasse ich sie für eine Weile hinaus. Dann beseelt sie mein Tun und macht das Innerste sichtbar. Durch meine Werke spricht sie zu den Betrachter*innen in ihrer ureigensten Sprache. Das berührt und begeistert. Immer öfters möchten sie eine meiner Arbeiten kaufen. Oder sie beauftragen mich zu einem speziellen Werk.
Nie vergesse ich den Moment, als mein erster Kunde mit dem eingepackten Bild unter dem Arm mein Atelier verlässt. Er hat mich beauftragt eine Doppelspirale auf Seidenpapier, einen Paravent für sein neues Heim in Deutschland zu kreieren. Er bezahlt einen guten Preis, ist hochzufrieden und erfreut. Ich stehe da, leer und ich fühle mich wie beraubt. „Das kann doch wohl nicht alles gewesen sein“, denke ich, „damit ist das noch nicht erledigt“.
Später erzähle ich einer Freundin, dass es ein Gefühl war, als hätte man mir die Seele gestohlen.
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Illustration Seele

Mit allem verbunden sein

Das Bedürfnis mein Innerstes zu schützen hat mich noch längere Zeit begleitet.
Irgendwann jedoch, hat sich das Schatzkästchen ein wenig geöffnet. Nach und nach hat es sich weit aufgetan. Bald hat es bemerkt, dass es nicht mehr gebraucht wird. Darum hat es sich auf den Weg gemacht, um sich einer anderen Aufgabe zu widmen.

Nach einer dreizehnjährigen Unterbrechung richte ich mir erneut ein Atelier ein. In der Zwischenzeit war ich Lehrerin an der Berufsschule für Gartenbau und Floristik. Mein neues Atelier nenne ich floramiraculo Artlabor. Es ist ein Ort zur künstlerischen Erforschung des Pflanzenlebens. Ich wohne und arbeite in einem Häuschen im österreichischen Weinviertel. Es ist mir ein großes Anliegen, meine Arbeiten in die Welt hinauszulassen, mit ihnen neue Orte zu besiedeln und Menschen zu berühren. Diesmal möchte ich sie mit einem guten Gefühl verkaufen können.
Ich bin sechzig Jahre alt und das Leben und die Natur sind gute Lehrmeisterinnen. Die Seele kann weder eingesperrt noch gestohlen werden, das ist mir unterdessen sonnenklar. Sie wohnt in mir, ist permanent da und doch frei. Es ist ihre Natur, hinauszustrahlen, weit zu werden und über die Erde und den Himmel zu wandern. Sie ist mit allem verbunden.

Illustration Seele

Illustrationen © Romy Pfyl 23


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