Woher ich komme und was ich mitbringe

Sterngeboren

Von dort, wo ich herkomme, habe ich das Staunen mitgebracht. Das ist eine besonders wertvolle Gabe, weil ich damit jederzeit und an jedem Ort wertvolle Schätze ans Tageslicht befördern kann.
Ursprünglich komme ich von einem Stern. Der ist explodiert und hat mich auf diese Erde katapultiert. Seither bin ich hier. Ich wandle durch Zeiten und Formen. Eines Tages bin ich in der Obermatt in Schwyz geboren worden. Schwyz ist ein Ort in der Zentralschweiz.

Mein Urgroßvater und der goldene Stubenboden

Die Kindheit ist ein reicher Quell. Sie ist voller Ereignisse und Erlebnisse, die uns durchs Leben tragen. Ich liebe Geschichten. Oft sitze ich dabei, wenn die Erwachsenen erzählen. Ich mache mich klein und unsichtbar unter dem Tisch oder auf dem Kanapee und spitzte meine Ohren, damit ich ja nichts verpasse. Eine dieser Erzählungen, die mich ganz besonders und nachhaltig beeindruckt hat, spielt weit oben am Berg auf einem stattlichen Bauernhof. Dort ist mein Urgroßvater zu Hause. Er ist reich. Er ist sogar sehr reich. So reich, dass er den ganzen Stubenboden mit Goldvreneli auslegen könnte. Später hat er sein ganzes Vermögen durch eine Bürgschaft verloren, aber das ist eine andere Geschichte …

Goldvreneli begleiten mich wie kleine Sonnen durchs Leben

Es ist einfach ein zauberhaft gutes Gefühl, einen so reichen Urgroßvater zu haben. Auch wenn ich ihn nie kennengelernt habe, er schon längst gestorben und sein ganzes Geld verschwunden ist. Am liebsten ist mir das Bild, wie sein Stubenboden funkelt und alles in ein warmes Licht taucht. Ich bin also in diese reiche Welt hinein geboren worden. Und dieser Reichtum begleitet mich von jetzt an und heißt mich überall willkommen.
Von da, wo ich herkomme, habe ich das Staunen mitgebracht. Und weil meine Vorfahren zaubern konnten, kann ich das auch. Davon bin ich überzeugt. Die Goldvreneli begleiten mich wie kleine Sonnen durchs Leben und bringen ihr wundersames Leuchten überall hin.

Reichtum begleitet mich von jetzt an und heißt mich überall willkommen.

Die schwarze Qual

Es ist aber nicht so, dass alles nur gut und leicht geht in diesem Erdendasein. Einmal stürze ich in ein tiefes, dunkles Loch. Mich quält ein unfassbarer Schmerz. Er bohrt sich tief in mein Herz und ich weiß nicht woher, warum und schon gar nicht mehr wohin. Es ist so schlimm, dass ich die farbige Pracht des Sommers schon fast nicht mehr aushalten kann. Eines Tages ist diese schwarze Qual besonders groß. Der Himmel strahlt in seinem schönsten Blau und eine gleißende Sonne taucht alles in ein strahlendes Licht. Aber in mir ist nur Schmerz und Qual und tiefstes Schwarz.

Wie mir mein Urgroßvater ein Goldvreneli geschickt hat

Also gehe ich ins Schlafzimmer, lasse die Rollos hinunter, ziehe die dicken Vorhänge zu, bis alles so dunkel ist, wie es nur irgendwie geht. Ich lege mich ins Bett und ziehe die Decke über mich. Jetzt ist es noch dunkler. Jetzt ist es dunkelschwarz. Mein gequältes Herz entspannt sich. Ganz plötzlich erscheint von tief hinter meinen Augen ein sanftes Licht. Es funkelt und strahlt eine wundersame Wärme aus. Das Leuchten erreicht mein verwirrtes Herz und streichelt es ganz leise. Und da, genau in diesem Moment bin ich mir sicher, dass dieses Licht immer da ist und dass es bleiben und mich nie mehr verlassen wird. Seither ist meine Angst vor dem Dunkeln weg.

Wolkenberge
Und da, genau in diesem Moment bin ich mir sicher, dass dieses Licht immer da ist und dass es mich nie mehr verlassen wird.

Und von irgendwoher lacht sich mein Urgroßvater, ins Fäustchen. Aus seinen Augen blitzt der Schalk. Er hat mir schon wieder ein Goldvreneli geschickt. Sein Vorrat scheint unermesslich zu sein. Er freut sich königlich über mich, seine Urenkelin, die jetzt gerade diese Geschichte schreibt.

8 Kommentare

  1. Liebe Romy
    So schön, wie du das schreibst.
    Mein Gotti hat ganz in der Nähe der Obermatt gewohnt ;).
    Ich hoffe das die Goldvreneli deines Urgrossvaters weiterhin immer dann, wenn du sie brauchst, für dich leuchten!
    Grüessli,
    Edith

    1. Liebe Edith
      dein Kompliment, aus dem Mund einer Autorin, freut mich ganz besonders.
      Wie schön, dass du die Obermatt und die Gegend ringsherum durch dein Gotti auch kennst.
      Ganz herzlichen Dank für deine lieben Wünsche
      und liebe Grüße in die Innerschweiz
      Romy

  2. Eine erstaunliche Geschichte, liebe Romy!
    Von dort, wo ich herkomme, habe ich das Fragen mitgebracht. Allerdings wurde ich in der Kindheit und Jugend bestraft oder beschämt für mein Fragen. „Frag ned so dumm!“ klingt einer der häufigsten Sätze, die ich aus dieser Zeit erinnere. Wer fragte, zeigte damit, dass er/sie dumm sei.

    1. Eine wunderbare und wichtige Gabe, die du mitgebracht hast, liebe Monika. Die Fragen sind der Motor, um Neues zu entdecken und in die Welt zu bringen. Sie sind viel wichtiger als die Antworten. In unserer Kultur werden sie oft missachtet und wenig geschätzt. So wie du es in deiner Kindheit bitter erfahren hast. Wie fein, dass du dich trotzdem noch immer an diese Gabe erinnerst. Deine Fragen sind alles andere als dumm! Mit der Gabe eng verwoben ist die Aufgabe. Lass dich bitte nicht davon abhalten, zu fragen. Deine Fragen sind bereichernd und bringen etwas in Gang.

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