Bewegt

Romys Nacht- und Tag-Buch 51

Eine Woche, geprägt von stark wechselnden Gefühlen. Gespräche, Begegnungen und intensiver Austausch bringen Bewegung in meinen Alltag. Das bedeutet auch, Altes zu verabschieden und mich auf neues unbekanntes Terrain zu wagen.

Sonntag, 21. Januar

Zugfahrt mit einer Freundin durch die nächtliche Pampa. Es ist so dunkel vor dem Fenster, dass es schwerfällt sich zu orientieren. Dann helle Räume aus Holz und Lehm, Plaudern, Lachen und ein genussvolles Beisammensein. Wilder reiner Frauenpower. Ein Geburtstagstanz und Singen aus vollem Herzen. Wie gut das tut. Und was für ein Wunder, dass ich mittanzen kann, trotz der Bewegungseinschränkungen im Knie. Für die Rückfahrt werden wir mit dem Auto einer Mitfeiernden chauffiert. Unter uns Dreien entwickeln sich feine, tiefe Frauengespräche. Die Straße ist leer als wir bei meinem Häuschen ankommen. Mitternacht liegt hinter uns.

Geburtstagsfeier
Plaudern, Lachen und ein genussvolles Beisammensein

Montag, 22. Januar

Ein gemütlicher Sonntagmorgen mit Lesen und Faulenzen. Von der Küche her ein feiner Duft. Die Hyazinthe hat ihre wächsernen Blüten geöffnet. Draußen ein kalter Januarmorgen. Meine Schwester aus Japan ruft an und wir rekapitulieren unsere Schweizerreise, erzählen einander, wie das Wieder-Ankommen zu Hause verlaufen ist. Am Nachmittag ein Sonnenspaziergang mit einem Besuch bei Tochter und Enkelinnen. Plaudern und verspätete Weihnachtsgeschenke auspacken. Ich bekomme einen blaugrünen, handgewebten Schal. Beim Kuscheln, in seine Weichheit hinein, begrüße ich mein neues Lieblingsstück.

Hyazinthe in der Küche
Meine hellgelbe Küchenhyazinthe

Dienstag, 23. Januar

Noch immer wird es früh dunkel. Ich mache mich auf zu einem nächtlichen Spaziergang. Die Lampen der Straßenbeleuchtung in der Obersdorfer Hauptstraße sind ausgetauscht worden. Sie sind ein wenig heller jetzt. Die Lichtfarbe ist angenehm warm. Momentan tut mir diese helle Wärme wohl. In mir brodeln die Gedanken und ich brauche diesen Spaziergang um mir innerlich klarer zu werden. Mein Denken kreist um eine Kritik, die mich sehr getroffen hat. Kann Kritik vernichtend sein? Was unterscheidet sie von konstruktivem Feedback? Unterwegs begegne ich keinem einzigen Menschen. Ein kalter Wind pfeift mir um die Ohren.

Mittwoch, 24. Januar

Am Vormittag ein klärendes Telefongespräch. Ich fühle mich erleichtert.
Heute startet der nächste Kurs meines Schreiblehrgangs. Mich auf all das Neue einzulassen bedeutet, die Komfortzone zu verlassen. Diese Woche habe ich einen biografischen Blogartikel geschrieben. Er handelt von Dazwischen sein. Vom Abschiedsschmerz, der auftauchen kann, wenn es darum geht, das Alte loszulassen. Und vom Neuen, von dem ich noch nicht weiß, wohin es mich führen wird. Ich bin gerade sehr empfindsam. Manchmal fühle ich mich wie ein rohes Ei. Gestern im Buch von Natalie Goldberg „Der Weg des Schreibens“ gelesen: „Vertraue auf das, was du liebst. Es wird dir zeigen, wohin du gehen musst“.

Schreibtisch
Natalie Goldberg (an der Wand) begleitet mich zum ersten Online Kursabend des Short Story Workshops. Notizblock, Schreibzeug, Skript, Getränke und etwas zum Knabbern. Ich bin gut vorbereitet.

Donnerstag, 25. Januar

Dazwischen, mitten im Workshop, ein Komplettausfall meines Internets. Ich wähle mich telefonisch in den Zoomraum ein und lasse den Ton über meinen Lautsprecher laufen. Ein wenig mühsam ist das schon, aber immerhin kann ich auf diese Weise dabei sein. Wir sind eine kleine Gruppe und Ana unsere Kursleiterin ermuntert und unterstützt uns dabei, unbefangen und mit fast kindlicher Lust ins Schreiben zu kommen. Impulse und theoretischer Background wechseln sich ab. Figuren, Charaktere, schreiben mit Herzblut, die eigene Stimme finden und mir nahe bleiben. Auch im Fiktiven sind meine eigenen Gedanken und Gefühle drin. Etwas so beschreiben, dass die Lesenden es sinnlich spüren und erleben können. In der Nacht arbeitet es innerlich weiter und begleitet mich bis in meine Träume hinein.

Freitag, 26. Januar

Bei der Entwicklung einer Figur für meine Geschichte taucht plötzlich Aki auf. Sein eigentlicher Name ist Yasuaki Kato. Aki ist sein Spitzname. Seitdem seine Eltern bei einem Autounfall gestorben sind, lebt er bei seiner Großmutter in einem kleinen japanischen Dorf. Seine Großmutter ist anders als die Menschen in ihrer Umgebung. Sie hat blonde Haare und blaue Augen. Ursprünglich kommt sie aus der Schweiz. Aki hat sich innerlich in seine Traum- und Fantasiewelt zurückgezogen. Er hat keine Freunde. Ruhe und Trost findet er einzig im Umherstreifen durch die Natur und im innerlichen Nacherleben der Geschichten, die er eifrig liest.
Jetzt bin ich gespannt darauf, was in meiner Geschichte passieren wird. Mit welchen Mitteln Aki versuchen wird, seine Konflikte zu lösen, um das zu erreichen, was er sich im Innersten wünscht.

Samstag, 27. Januar

Ständig fällt das Internet aus. Einmal war ich mitten im Vorlesen meines Textes plötzlich weg. So bin ich im Online-Kurs ständig angespannt und kann mich nicht richtig konzentrieren. Beim Wechseln aufs Handy habe ich im Onlineraum heftige Störgeräusche verursacht. In der Nacht habe ich nicht gut geschlafen und früh am Morgen bin ich schon am Grübeln. Ich suche verzweifelt nach einer Lösung für das Problem. Meine Tochter gibt mir technische Unterstützung. Am Abend läuft der Wechsel vom Laptop zum Handy dann reibungslos. Was ist nur mit meinem Internet los? Auch der Internetzugang meiner Tochter ist momentan nicht stabil.

4 Kommentare

  1. Liebe Romy, ich lese deine Nacht-und-Tag-Bücher mit viel Genuss und freue mich samstags immer schon auf die Fortsetzung. Wie toll, dass du bei der Party tanzen konntest, trotz Knieprobleme. Das tut gut. Und ich bin sehr erleichtert, dass ihr den Konflikt mit dem Feedback geben lösen konntet. Es ist eine Kunst, Kritik konstruktiv zu geben, damit sie nicht verletzt. Hihi, ich erkenne genau, aus welchen Bausteinen du deine fiktive Geschichte zusammensetzt. Eine gute Übung. Mir gefällt dein geordneter Schreibplatz mit den Schreibimpulsen an der Wand. Ich beneide dich um den Luxus, dich in deinem Schreibjahr nur aufs Schreiben zu fokussieren. Bei mir stapeln sich immer zwanzig dringende Sachen auf meiner To-do-Liste. Hoffentlich bekommst du dieses Internet-Problem gelöst. Wie nervig.
    Hab ein schönes Wochenende.
    Liebe Grüße
    Kerstin

    1. Liebe Kerstin
      du hast wohl hinter den Bausteinen meiner Geschichte das Thema erspürt. Das Schreiben dieser Geschichte ist spannend. Dieser Aki sagt mir so ziemlich genau, wie es weitergehen soll.

      Auch dir wünsche ich ein schönes Wochenende mit Ruhe trotz der aufgestapelten To-do-Liste.

  2. Die „feinen, tiefen Frauengespräche“ haben es mir angetan. Gibt es die nur unter Frauen? Was wäre, wenn Männer dabeigewesen wären? Gibt es auch feine, tiefe Männergespräche – und wenn ja, kommen sie so häufig vor, wie die Frauengespräche (die ich auch so schätze)?
    Deine Texte laden so oft zum Nach- und Weiterdenken ein; das liebe ich daran. Und auch deine wunderschönen und stimmigen Bilder.
    LG – Uli

    1. Liebe Uli,
      ich denke feine, tiefe Gespräche gibt es auch mit Männern. Sie haben nur eine andere Qualität, eine andere Farbe sozusagen …
      Ich denke, sie kommen seltener vor.
      Wenn ein Mann dabei gewesen wäre, hätte das Gespräch beim Nachhauseweg wahrscheinlich eine andere Richtung genommen.
      Ich freue mich sehr, dass meine Texte zum Nach-und Weiterdenken anregen.

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