Kompass-Pflanzen und ein elegantes Insekt

Kompasslattichpflanze Cyanotypie
„ZEITREISE“, Kompasslattichpflanze, Cyanotypie, © Romy Pfyl 2022

Romys Nacht- und Tag-Buch 28

Mein Vorgarten wird verheißungsvoll … Üppig wachsende Weingartenpfirsiche und der Traum, wie sie sich voll, gereift, süß und weich, vom Baum direkt in meinen Mund fallen lassen. Heiße Tage, viel lesen, wenig Bewegungslust und interessante Begegnungen.

Sonntag, 13. August

Auf meiner Haustür sitzt ein seltsames Insekt. Es ist eine Dame, die mich besuchen will und sich der Hitze dieses Nachmittags aussetzt. Die Eleganz ihrer Bewegung und ihre schlanke Figur machen sie einzigartig. Die hellgrüne Farbe und die Form ihrer Augen lassen sie wie ein Alien ausschauen. Aufgeregt hole ich mein Handy, um diesen seltenen Gast mit einem Bild zu dokumentieren. Ich möchte ein scharfes Foto bekommen und warte, dass sich diese wunderbare Besucherin in eine passende Position hinein bewegt. Dazu muss ich mich ziemlich verrenken. Kurz verliere ich dabei das Gleichgewicht und stütze mich auf den Radiator ab. Der senkt sich in einer langsamen Bewegung und wie ich genau hinschaue, sehe ich, dass sich die langen Schrauben samt Dübel aus der Wand gelöst haben. Es wird wohl nicht so einfach sein, sie wieder in dieser sandigen Mauer zu fixieren. Aber das Bild ist gut geworden und ich freue mich.

Gottesanbeterin
Die europäische Gottesanbeterin stammt ursprünglich aus Afrika.

Montag, 14. August

Mein Hauptfokus liegt momentan beim Schreiben. Schreiben über den Zweifel und das Vertrauen. Geschichten aus meiner Kindheit werden wieder lebendig und Erinnerungen vom Erwachsen werden. Das biografische Schreiben fordert mich immer wieder von Neuem heraus. Heute ein Austausch in unserem wöchentlichen Zoom Treffen der Lese- und Schreibgruppe. Aus dem gemeinsamen Unterwegssein und dem Arbeiten an denselben Themen entstehen produktive und interessante Gespräche. Ich habe Lust, mich tiefer mit dem Schreiben zu beschäftigen. Überlege mir, einen Lehrgang zu belegen oder ein neues Schreibprojekt anzugehen. Am Abend ein Treffen mit meinem Blogbuddy Kerstin. Sie bestärkt mich in meinen Vorhaben.

Dienstag, 15. August

Die Weingartenpfirsiche in meinem Vorgarten beginnen langsam gelb zu werden. Der Regen der letzten Woche hat sie nochmals ein gutes Stück wachsen lassen. Heuer ist der Baum reich bestückt. An einem einzigen kleinen Ästchen zähle ich 13 Pfirsiche. Das Gewicht zieht die Äste nach unten. Sie hängen bis über den Gehsteig. Wenn die Pfirsiche reif sind, braucht man da unten nur den Mund zu öffnen und sie fallen direkt hinein. Auch der Granatapfel fruchtet heuer üppig. Die Früchte brauchen noch Zeit zum Wachsen und Reifen. Die Erntezeit ist im Spätherbst. Wenn es weiter so heiße Tage und dazwischen wieder Regen gibt, werden wohl auch sie prächtig gedeihen.

Weingartenpfirsiche
Die Weingartenpfirsiche in meinem Vorgarten.

Mittwoch,16. August

Heiße Tage. Ich mag mich nicht bewegen. Trotzdem mache ich jeden Tag dreißig Kniebeugen und noch ein paar andere Übungen. Ich liege im Kühlen auf meinem Bett und lese. Mich aus der Horizontalen in die Vertikale aufzurichten, geht seit Neustem viel leichter. Dank der Übungen werden die Oberschenkelmuskeln jetzt wieder stärker. Ab und zu hole ich mir was zum Trinken oder ich richte mir in der Küche was Gutes her. Ich mag es, mich mit einem Buch einzuigeln. So habe ich schon als Kind meine Sommerferien verbracht. Ab und zu kam meine Mutter ins Zimmer und forderte mich auf, nicht so faul herumzuliegen und ein wenig nach draußen zu gehen. Noch heute spricht sie so aus meinem Inneren und ich bin gespannt, ob ich mich heute dazu motivieren kann, nach „Draußen“ zu gehen.

Donnerstag, 17. August

Bis kurz vor Mitternacht der Lärm großer Flugzeuge. Ich liege im Bett auf der Terrasse und lese. Die Flugzeuge fliegen ungewöhnlich tief und sind darum lauter als sonst. Mich erstaunt es, wie zahlreich sie um diese Zeit noch unterwegs sind. Ich stelle mir die Menschenmassen an den Flughäfen vor. Ferienende und zurück in den Alltag. Braungebrannt und müde von der langen Reise.
Ich erinnere mich, wie ich vor längerer Zeit gemeinsam mit Freundinnen in der Natur ruhige Plätze zum Meditieren gesucht habe. Das Schwierigste waren immer die Flugzeuge. Ihr Lärm war überall. Dann die Zeit der Pandemie und plötzlich Ruhe. Keine Flugzeuge, kein Lärm, keine Kondensstreifen. Stille und ein klarer Himmel.

Freitag, 18. August

Am Wegrand pflücke ich drei Pflanzen-Schönheiten. Ich befestige sie hinten auf dem Gepäckträger meines Rades. Zu Hause angekommen, bin ich froh, dass sie die Fahrt unbeschädigt überstanden haben. Ich arrangiere die Kompasslattiche in gläsernen Vasen und bin erstaunt und beglückt über ihre imposante Wirkung. Gestern Nachmittag war Dagmar Kunert bei mir zu Besuch. Sie kuratiert die Ausstellung „Wolkersdorf besucht Mistelbach“. Die eingeladenen Künstler*innen präsentieren ihre jeweiligen Arbeiten zu einem bestimmten Thema. Wir besprechen meinen Ausstellungsbeitrag. Ich werde meine Arbeiten mit dem Kompasslattich präsentieren und dazu auch frische Pflanzen in Szene setzen. Mein Thema heißt: „Werden und Vergehen – vom Wesen der Pflanzen“. Dagmar Kunert erzählt mir von den Beiträgen der Künstler*innen und vom musikalischen und tänzerischen Rahmenprogramm. Ich freue mich schon sehr auf die Vernissage.

Kompasspflanzen
Kompasslattich

Samstag, 19. August

Ich schreibe einen Text über meine Bilder für die Ausstellung. Beim Schreiben realisiere ich, wie sehr die vier Arbeiten thematisch zusammenhängen, obwohl sie über einen Zeitraum von drei Jahren bei unterschiedlichsten Gelegenheiten entstanden sind. Es beginnt mit einer jungen Kompasslattich-Pflanze, welche sich im Kreis dreht. Sie hat sich noch nicht für keine Richtung entschieden. Dann ein Kranz, bei dem sich die klar konturierten Blätter dynamisch in eine Richtung bewegen. Im nächsten Kranz sind die Blätter eingetrocknet. Ihre Umrisse sind weicher geworden und von berührender Zartheit. Sie beginnen, sich in verschiedene Richtungen zu bewegen. Das letzte Bild ist mit zwei reifen Blättern gestaltet, die sich entlang der Lebenslinien einer alten hölzernen Bank bewegen.

Ausstellung

WOLKERSDORF BESUCHT MISTELBACH
m-zone
MAMUZ
Waldstraße 44-46, 2130 Mistelbach

Vernissage:
Do, 7. September, 19 Uhr

Ausstellungsdauer:
8. September – 1. Oktober 2023, kann Di – So von 10 bis 17 Uhr besichtigt werden 

2 Kommentare

  1. Oh.. wie wunderbar und wieder einmal soooo eine Inspiration, Romy!!!
    Ich bin sehr berührt.
    Am 7. September hab ich zwar zwei Termine, hoffe aber, dass ich es doch zur Vernissage schaffen werde..:-)
    Ansonsten besuche ich die Ausstellung an einem anderen Tag, ich freu mich schon darauf!
    Liebe Grüße

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